box 35/8
und
UI
5. Ma
Sken10 Nunuer
Ausschnitt aus:
18- Malziner Morgenpost, Bern——
—1•—4
BD
—
G
□
8
gegnung zu verstehen meint, daß sich ein Mann wegen so einer
„Masken und Wunder“.
Frau ernstlich das Leben nehmen kann, natürlich ein anderer,
nicht er selbst; da müßte die Flucht helfen, in ganz, ganz ferne
Ein neuer Novellenband von Arthur Schnitzler. S. Fischer,
Weltteile, Aegypten, Asien, Afrika. Aber das glauben wir
Verlag, Berlin.
Schnitzler doch nicht ernstlich, daß er den Reiz der Wüste und
Als Fünfzigjähriger bannt Arthur Schnitzler die gleichen Ge¬
Urwälder gelten läßt. In Wien kocht man doch am besten. Nach
stalten in die Jahresringe seines Schaffens, wie er es seit Beginn
ein paar Jahren wird er eine Geschichte schreiben, in der sich
seiner Schriftstellerlaufbahn stets getan hat. Selten entflieht er
auch Ferdinand das Leben nimmt.
ins buntere Reich der Vergangenheit, nie in die grellen Farben
Vom „Tagebuch der Redegonda“ wäre noch zu er¬
exotischer Fernen; sein Blick ruht auf den Menschen der Wiener
zählen, einer der Schnitzlerschen Liebesgeschichten, in denen das
Gesellschaftsschichten, interessiert die Möglichkeiten der verschiedenen
Duell eine große Rolle spielt, wie man überhaupt auf seine
Schicksalsentwicklung beobachtend, die dem durch Rasse und Milien
Liebesphilosophie den Satz anwenden könnte: Du gehst zum
bestimmten Charakter bevorsteht. Die Möglichkeiten sind zahl¬
Weibe — vergiß den Pistolenkomment nicht, von der Parabel
reich, und der Dichter hat wohl das Recht, den einzelnen Fall
„Die dreifache Warnung“ und der größeren Arbeit „Die
heute anders zu wenden als vor ein paar Jahren. Darum sieht
Hirtenflöte“. Die letzte fesselt durch ihre romantische
man in Schnitzlers letzten Werken mit Vorliebe solche Gestalten,
Mischung von gegenwärtiger Zuständlichkeit und freier Phan¬
die schon einmal unter anderen Namen aufgetaucht waren. Anatols,
tastik. Hier hätte der Dichter bei der Schilderung eines Arbeiter¬
des langlebigen, Nachfolger sind fast stets in seinen früheren
ausstandes Gelegenheit gefunden, ins Seelenleben einer Schichte
Dramen wiederzufinden, im „Weiten Land“, seinem jüngsten
zu leuchten die er gewiß ebenso meisterhaft zu deuten weiß wie
Schauspiel, meint man die Personen des „Einsamen Wegs“ oder
die seiner Leutnants und Hausherrensöhne. Schnitzler verschmäht
„Zwischenspiels“ kaum ve ändert anzutreffen, den einen verjüngt,
wenigstens diesmal. Er rollt ein symbolisches Frauen¬
den anderen gealtert, und in dem Novellenband „Masken und
schicksal auf, läßt Dionysie, die von ihrem weisen Gemahl frei¬
Wunder“ der reifen Habe des Fünfzigjährigen, scheint fast jeder
gelassen wird, alle Geschlechtslust und Liebesqual durchkosten, bis
Zug einem bekannten Gesicht anzugehören.
sie ermüdet zurückkehrt. Vor dem weisen verzeihenden Mann faßt:
„Der Mörder“ heißt die mittlere Erzähung des Bandes,
sie nun ein Grauen, das sie ins Wirrsal der Welt wieder zurück¬
die in selten vollkommener=Prosa geschrieben, die eigentümliche
treibt. „Masken und Wunder“ umgaben sie draußen und blieben
Begrenzung des äußeren Gedankenkreises von Schnitzlers Welt auf¬
ihr doch innerlich näher als das gütige Verständnis, das sich der
zeigt. Ein Motiv des Romans „Der Weg ins Freie“ ist pfucho¬
Vielgeliebten zur Fratze verzerrt. Ist's ein kunstvoll behandeltes
logisch gewendet; Alfred, der Schicksalsbruder des Freiherrn von
Symbol oder ein Schatten, der über die Phantasie des Dichters
Wergenthin, sucht das Problem zu lösen, von einem jungen, ge¬
fällt, wenn er die lange Reihe seiner Gestalten überdenkt, der
liebten Weide loszukommen, das ihm in seinem Lebensweg ent¬
Anatols und süßen Mädels, der in ihren Dunstkreis eingesponne¬
gegensteht. Die Auslandsreise, die lange Seefahrt kehrt hier wie
nen Menschen, die die Donaustadt umwohnen? Lockts ihn wieder
dort wieder, die Unentschlossenheit des Mannes, handelnd einzu¬
hinaus in die Gefühlswelt, die ihm nach dem „Schleier der
greifen, wo die Zeit nicht eine greifbare und doch tausend mög¬
c. h.
Beatriee“ durch äußeren Mißerfolg verleidet ward?
liche Lösungen birgt. Ein Mord geschieht, ein jähes Abbrechen
der Handlung, die im Roman weiterfließt: Alfred vergistet die
Adolf Sommerfeld: Frankreichs Ende im Jahre
kranke Geliebte, die in der Schiffskajüte an seiner Seite schläft.
Den unentdeckten Mörder läßt eine im menschlichen Sinn höhere
192* Ein Zukunftsbild. Verlag Continent G. m. b. H., Berlin.
Gerechtigkeit den Tod im Duell finden. Wie eine nach dem Natur¬
In Frankreich sind verschiedene Broschüren erschienen, die sich
gesetz sich vollziehende chemische Verbindung von Elementen läßt
mit dem Zukunftskriege beschäftigen und in phantesievoller Weise
Schnitzler den Entschluß zum Morde in seinem Helden zusammen¬
den Untergang des Deutschen Reiches ausmalen. In geistvoller
wachsen. Die einzelnen Hemmungen zur Tat verflüchtigen sich,
Weise hat A. Sommerfeld eine Parodie auf diese Art Schriften
Affekte der Liebe gehen unmerklich in Haß über, man könnte die
verfaßt, indem er die Vernichtung Frankreiche vom deutschen
Analyse der Empfindung auf dem gleichen Wege zurück verfolgen,
Standpunkt aus schildert. Dies ist jedenfalls die beste Antwort
folgerichtig, ohne innere Störung und doch mit dem Bewußtsein,
auf die französische Revanche=Literatur, wirksamer, als eine ernste
daß ein Lufthauch, ein einzelner Antrieb dem seelischen Prozeß
Widerlegung. Wer sich eine vergnügte Stunde bereiten und ein¬
eine andere Wendung geben könnte. Warum Alfreds und seiner
mal herzlich lachen will, lese diese Schilderung des Zukunfts¬
Geliebten Schicksal anders verläuft als das Georgs von Wergen¬
krieges, bei dem auch der Luftkrieg eine große Rolle spielt. „Ein
thin, den Grund ahnen wir nicht; der Dichter fügte es so, und
Artillerieleutnant Nuglisch, Nachkomme des allgemein beliebten
wir glauben ihm.
Parfümeriefabrikanten gleichen Namens, hatte eine Stinkbombe
Einen Einakter Schnitzlers, „Die letzten Masken“, wendet die
erfunden, die den Luftkrieg illusorisch machte. Dieses aus einem
Novelle „Der Tod des Junggesellen“ aus der versöhnen¬
Lanzierrohr abgefeuerte, in eine längliche Blechkapsel einge¬
den Ironie des Todes in die rücksichtslosere des Lebens. Die letzte
schlossene und einem Torpedo nachgebildete chemische Präparat
Begegnung zwischen einem armen Sterbenden und seinem glück¬
vergiftete nach dem Platzen der Umhüllung die Luft in weitem
licheren Freunde hatte das Drama entschleiert, der Sterbende
In
Umkreise und tötete die Fahrzeugführer auf der Stelle.“
wollte noch einmal dem anderen ins Gesicht schreien, daß er seine
ähnlicher Weise sind auch die übrigen Teile des Buches gehalten.
Frau besessen hat, und bringt's doch nicht fertig, wie sie sich gegen¬
Und das genügt.
überstehen. Auch der tote Junggeselle der Erzählung hatte seine
fünf Freunde ans Krankenlager rufen lassen, die Freunde, deren
Frauen ihm angehörten als seine Geliebten, seine Dirnen und
Hannah Lewin=Dorsch: Die Technik in der Arzeit
Göttinnen. Wer weiß, ob ihm, den Lebenden gegenüber, nicht die
und auf primitiven Kulturstufen. Verlag von J. H. W.
Zunge versagt hätte, wie dem sterbenden Rademann in den „letzten
Dietz, Nachf., Stuttgart.
Masken“? Seine Handschrift im Nachlaß tut ihm den letzten
Bei dem heutigen hochentwickelten Stand der Technik ist es
Wunsch, und er hat seinen Willen doch so wenig den anderen ein¬
ganz besonders interessant, den Blick in längst vergangene Zeiten
gedrückt wie sein Genosse im Drama. Denn die Freunde, die stehen
zurückschweifen zu lassen, um zu sehen, aus welchen einfachen An¬
schon in den 50er Jahren, die lassen nicht mehr Weib und Kind
fängen sie sich entwickelt hat. Nichts ist geeigneter, uns den Wert
im Stich, wie einer mit 30 oder 35, um ins Ungewisse hinaus¬
und die Fortschritte unserer heutigen Technik so recht zu zeigen,
zustürmen, und verzeihen gern. Das verkündet einer, der selbst
als gerade dieser Anfang technischer Betätigung — beweist er uns
eben 50 zählt — lächelt er ironisch über sich selbst? „So lang' Du
doch, wie trotz aller Hemmnisse und Schwierigkeiten der Geist des
dies nicht hast, dieses Stirb und Werde, bist Du nur ein trüber
Menschen aus den primitivsten Hilfsmitteln Dinge zu gestalten
Gast auf der dunkeln Erde!“ Goethes Wort ist in keinem anderen
wußte, die ihm seine damalige #istenz erheblich erleichterten.
Dichter jemals so lebendig geworden, als in dem Wiener Arzt,
Ueber die Technik der Urzeit ist ja verhältnismäßig wenig in
der erkannt hat, wie gleichgültig alles andere erscheint, wenn man
weitere Kreise gedrungen, was schon aus dem Grunde zu be¬
von einem frischen Begräbnis kommt, und wieder im göttlichen
dauern ist, weil gerade sie mehr als spätere Errungenschaften zu
Leichtsinn einer Frauenlaune alles aufs Spiel setzt.
zeigen vermag, wie der Mensch im Kampf mit den Elementen und
Eine Frauenlaune markiert artig die Schicksalsgewalt über
mit seinen zahlreichen Feinden dank der in ihm schlummernden
den Helden der Novelle „Der tote Gabriel“. Ferdinand
Intelligenz sich durchzusetzen verstand, obschon alle diese Elemente
hat seinen Freund Gabriel mit der berühmten Schauspielerin
und Feinde kräftiger und mächtiger waren als er. Das kleine
Wilhelmine betrogen, einer vertrauten Gestalt aus dem „Reigen“.
Werk gibt, ohne allzu sehr in Einzelheiten einzugehen, einen
Gabriel, der sich darüber selbst den Tod gab, ward aber von Irene
hübschen und leicht verständlichen Ueberblick über die Technik des
heiß geliebt. Irenes Laune heißt sie nach einem Balle in Fer¬
Urmenschen, der infolge der klaren Art der Darstellung eine an¬
dinands Gesellschaft die große Schauspielerin aufsuchen. Es wird
an.
dem armen Ferdinand angst und bange, wie er bei dieser Be- genehme und lehrreiche Lektüre darbietet.
und
UI
5. Ma
Sken10 Nunuer
Ausschnitt aus:
18- Malziner Morgenpost, Bern——
—1•—4
BD
—
G
□
8
gegnung zu verstehen meint, daß sich ein Mann wegen so einer
„Masken und Wunder“.
Frau ernstlich das Leben nehmen kann, natürlich ein anderer,
nicht er selbst; da müßte die Flucht helfen, in ganz, ganz ferne
Ein neuer Novellenband von Arthur Schnitzler. S. Fischer,
Weltteile, Aegypten, Asien, Afrika. Aber das glauben wir
Verlag, Berlin.
Schnitzler doch nicht ernstlich, daß er den Reiz der Wüste und
Als Fünfzigjähriger bannt Arthur Schnitzler die gleichen Ge¬
Urwälder gelten läßt. In Wien kocht man doch am besten. Nach
stalten in die Jahresringe seines Schaffens, wie er es seit Beginn
ein paar Jahren wird er eine Geschichte schreiben, in der sich
seiner Schriftstellerlaufbahn stets getan hat. Selten entflieht er
auch Ferdinand das Leben nimmt.
ins buntere Reich der Vergangenheit, nie in die grellen Farben
Vom „Tagebuch der Redegonda“ wäre noch zu er¬
exotischer Fernen; sein Blick ruht auf den Menschen der Wiener
zählen, einer der Schnitzlerschen Liebesgeschichten, in denen das
Gesellschaftsschichten, interessiert die Möglichkeiten der verschiedenen
Duell eine große Rolle spielt, wie man überhaupt auf seine
Schicksalsentwicklung beobachtend, die dem durch Rasse und Milien
Liebesphilosophie den Satz anwenden könnte: Du gehst zum
bestimmten Charakter bevorsteht. Die Möglichkeiten sind zahl¬
Weibe — vergiß den Pistolenkomment nicht, von der Parabel
reich, und der Dichter hat wohl das Recht, den einzelnen Fall
„Die dreifache Warnung“ und der größeren Arbeit „Die
heute anders zu wenden als vor ein paar Jahren. Darum sieht
Hirtenflöte“. Die letzte fesselt durch ihre romantische
man in Schnitzlers letzten Werken mit Vorliebe solche Gestalten,
Mischung von gegenwärtiger Zuständlichkeit und freier Phan¬
die schon einmal unter anderen Namen aufgetaucht waren. Anatols,
tastik. Hier hätte der Dichter bei der Schilderung eines Arbeiter¬
des langlebigen, Nachfolger sind fast stets in seinen früheren
ausstandes Gelegenheit gefunden, ins Seelenleben einer Schichte
Dramen wiederzufinden, im „Weiten Land“, seinem jüngsten
zu leuchten die er gewiß ebenso meisterhaft zu deuten weiß wie
Schauspiel, meint man die Personen des „Einsamen Wegs“ oder
die seiner Leutnants und Hausherrensöhne. Schnitzler verschmäht
„Zwischenspiels“ kaum ve ändert anzutreffen, den einen verjüngt,
wenigstens diesmal. Er rollt ein symbolisches Frauen¬
den anderen gealtert, und in dem Novellenband „Masken und
schicksal auf, läßt Dionysie, die von ihrem weisen Gemahl frei¬
Wunder“ der reifen Habe des Fünfzigjährigen, scheint fast jeder
gelassen wird, alle Geschlechtslust und Liebesqual durchkosten, bis
Zug einem bekannten Gesicht anzugehören.
sie ermüdet zurückkehrt. Vor dem weisen verzeihenden Mann faßt:
„Der Mörder“ heißt die mittlere Erzähung des Bandes,
sie nun ein Grauen, das sie ins Wirrsal der Welt wieder zurück¬
die in selten vollkommener=Prosa geschrieben, die eigentümliche
treibt. „Masken und Wunder“ umgaben sie draußen und blieben
Begrenzung des äußeren Gedankenkreises von Schnitzlers Welt auf¬
ihr doch innerlich näher als das gütige Verständnis, das sich der
zeigt. Ein Motiv des Romans „Der Weg ins Freie“ ist pfucho¬
Vielgeliebten zur Fratze verzerrt. Ist's ein kunstvoll behandeltes
logisch gewendet; Alfred, der Schicksalsbruder des Freiherrn von
Symbol oder ein Schatten, der über die Phantasie des Dichters
Wergenthin, sucht das Problem zu lösen, von einem jungen, ge¬
fällt, wenn er die lange Reihe seiner Gestalten überdenkt, der
liebten Weide loszukommen, das ihm in seinem Lebensweg ent¬
Anatols und süßen Mädels, der in ihren Dunstkreis eingesponne¬
gegensteht. Die Auslandsreise, die lange Seefahrt kehrt hier wie
nen Menschen, die die Donaustadt umwohnen? Lockts ihn wieder
dort wieder, die Unentschlossenheit des Mannes, handelnd einzu¬
hinaus in die Gefühlswelt, die ihm nach dem „Schleier der
greifen, wo die Zeit nicht eine greifbare und doch tausend mög¬
c. h.
Beatriee“ durch äußeren Mißerfolg verleidet ward?
liche Lösungen birgt. Ein Mord geschieht, ein jähes Abbrechen
der Handlung, die im Roman weiterfließt: Alfred vergistet die
Adolf Sommerfeld: Frankreichs Ende im Jahre
kranke Geliebte, die in der Schiffskajüte an seiner Seite schläft.
Den unentdeckten Mörder läßt eine im menschlichen Sinn höhere
192* Ein Zukunftsbild. Verlag Continent G. m. b. H., Berlin.
Gerechtigkeit den Tod im Duell finden. Wie eine nach dem Natur¬
In Frankreich sind verschiedene Broschüren erschienen, die sich
gesetz sich vollziehende chemische Verbindung von Elementen läßt
mit dem Zukunftskriege beschäftigen und in phantesievoller Weise
Schnitzler den Entschluß zum Morde in seinem Helden zusammen¬
den Untergang des Deutschen Reiches ausmalen. In geistvoller
wachsen. Die einzelnen Hemmungen zur Tat verflüchtigen sich,
Weise hat A. Sommerfeld eine Parodie auf diese Art Schriften
Affekte der Liebe gehen unmerklich in Haß über, man könnte die
verfaßt, indem er die Vernichtung Frankreiche vom deutschen
Analyse der Empfindung auf dem gleichen Wege zurück verfolgen,
Standpunkt aus schildert. Dies ist jedenfalls die beste Antwort
folgerichtig, ohne innere Störung und doch mit dem Bewußtsein,
auf die französische Revanche=Literatur, wirksamer, als eine ernste
daß ein Lufthauch, ein einzelner Antrieb dem seelischen Prozeß
Widerlegung. Wer sich eine vergnügte Stunde bereiten und ein¬
eine andere Wendung geben könnte. Warum Alfreds und seiner
mal herzlich lachen will, lese diese Schilderung des Zukunfts¬
Geliebten Schicksal anders verläuft als das Georgs von Wergen¬
krieges, bei dem auch der Luftkrieg eine große Rolle spielt. „Ein
thin, den Grund ahnen wir nicht; der Dichter fügte es so, und
Artillerieleutnant Nuglisch, Nachkomme des allgemein beliebten
wir glauben ihm.
Parfümeriefabrikanten gleichen Namens, hatte eine Stinkbombe
Einen Einakter Schnitzlers, „Die letzten Masken“, wendet die
erfunden, die den Luftkrieg illusorisch machte. Dieses aus einem
Novelle „Der Tod des Junggesellen“ aus der versöhnen¬
Lanzierrohr abgefeuerte, in eine längliche Blechkapsel einge¬
den Ironie des Todes in die rücksichtslosere des Lebens. Die letzte
schlossene und einem Torpedo nachgebildete chemische Präparat
Begegnung zwischen einem armen Sterbenden und seinem glück¬
vergiftete nach dem Platzen der Umhüllung die Luft in weitem
licheren Freunde hatte das Drama entschleiert, der Sterbende
In
Umkreise und tötete die Fahrzeugführer auf der Stelle.“
wollte noch einmal dem anderen ins Gesicht schreien, daß er seine
ähnlicher Weise sind auch die übrigen Teile des Buches gehalten.
Frau besessen hat, und bringt's doch nicht fertig, wie sie sich gegen¬
Und das genügt.
überstehen. Auch der tote Junggeselle der Erzählung hatte seine
fünf Freunde ans Krankenlager rufen lassen, die Freunde, deren
Frauen ihm angehörten als seine Geliebten, seine Dirnen und
Hannah Lewin=Dorsch: Die Technik in der Arzeit
Göttinnen. Wer weiß, ob ihm, den Lebenden gegenüber, nicht die
und auf primitiven Kulturstufen. Verlag von J. H. W.
Zunge versagt hätte, wie dem sterbenden Rademann in den „letzten
Dietz, Nachf., Stuttgart.
Masken“? Seine Handschrift im Nachlaß tut ihm den letzten
Bei dem heutigen hochentwickelten Stand der Technik ist es
Wunsch, und er hat seinen Willen doch so wenig den anderen ein¬
ganz besonders interessant, den Blick in längst vergangene Zeiten
gedrückt wie sein Genosse im Drama. Denn die Freunde, die stehen
zurückschweifen zu lassen, um zu sehen, aus welchen einfachen An¬
schon in den 50er Jahren, die lassen nicht mehr Weib und Kind
fängen sie sich entwickelt hat. Nichts ist geeigneter, uns den Wert
im Stich, wie einer mit 30 oder 35, um ins Ungewisse hinaus¬
und die Fortschritte unserer heutigen Technik so recht zu zeigen,
zustürmen, und verzeihen gern. Das verkündet einer, der selbst
als gerade dieser Anfang technischer Betätigung — beweist er uns
eben 50 zählt — lächelt er ironisch über sich selbst? „So lang' Du
doch, wie trotz aller Hemmnisse und Schwierigkeiten der Geist des
dies nicht hast, dieses Stirb und Werde, bist Du nur ein trüber
Menschen aus den primitivsten Hilfsmitteln Dinge zu gestalten
Gast auf der dunkeln Erde!“ Goethes Wort ist in keinem anderen
wußte, die ihm seine damalige #istenz erheblich erleichterten.
Dichter jemals so lebendig geworden, als in dem Wiener Arzt,
Ueber die Technik der Urzeit ist ja verhältnismäßig wenig in
der erkannt hat, wie gleichgültig alles andere erscheint, wenn man
weitere Kreise gedrungen, was schon aus dem Grunde zu be¬
von einem frischen Begräbnis kommt, und wieder im göttlichen
dauern ist, weil gerade sie mehr als spätere Errungenschaften zu
Leichtsinn einer Frauenlaune alles aufs Spiel setzt.
zeigen vermag, wie der Mensch im Kampf mit den Elementen und
Eine Frauenlaune markiert artig die Schicksalsgewalt über
mit seinen zahlreichen Feinden dank der in ihm schlummernden
den Helden der Novelle „Der tote Gabriel“. Ferdinand
Intelligenz sich durchzusetzen verstand, obschon alle diese Elemente
hat seinen Freund Gabriel mit der berühmten Schauspielerin
und Feinde kräftiger und mächtiger waren als er. Das kleine
Wilhelmine betrogen, einer vertrauten Gestalt aus dem „Reigen“.
Werk gibt, ohne allzu sehr in Einzelheiten einzugehen, einen
Gabriel, der sich darüber selbst den Tod gab, ward aber von Irene
hübschen und leicht verständlichen Ueberblick über die Technik des
heiß geliebt. Irenes Laune heißt sie nach einem Balle in Fer¬
Urmenschen, der infolge der klaren Art der Darstellung eine an¬
dinands Gesellschaft die große Schauspielerin aufsuchen. Es wird
an.
dem armen Ferdinand angst und bange, wie er bei dieser Be- genehme und lehrreiche Lektüre darbietet.