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Wur
n
5. Maskender
Zeitung: Kölnische Zeitung
Ort:
Köln a. Rh.
20
Datum: S e AnSeReARAAAAAEmnAAeneranenaaneemeneeeeeenaungeren
störend wird durch eine vorteilhafte Veriobung. Er macht mit der
2 Moderne Novellen.
Geliebten eine Schiffsreise nach Indien, und unterwegs beseitigt er
So wirr und unabgeklärt die sonstigen künstlerischen Verhältnisse
sie dadurch, daß er ruhig zusieht, wie sie, die Leidende, eine von
in Deutschland gegenwärtig auch sein mögen, immer deutlicher
ihm vorbereitete Morphiumlösung einnimmt. Nach Hause zurück¬
erfüllt sich unsere schon früher gemachte Vorhersage, daß auf dem
gekehrt, muß er erfahren, daß die Braut, um derentwillen er die
Gebiete des Romans, dank seiner Unabhängigkeit von gewissen
Geliebte geopfert hat, von der Verlobung zurücktritt, dagegen aber
Einflüssen, die Dinge sich immer klarer entwickeln in dem Sinn
fordert ihn ein Herr zum Duell, der mit ihm gereist ist und die
einer Rückkehr zu alten Grundgedanken der Erzählungskunst.
Dinge, die auf dem Schiffe vor sich gingen, durchschaut hat, weil
Neue feinexe Ausarbeitungen sind der Gewinn einer gewissen
er selber jenes Mädchen liebgewonnen hatte. In diesem Duell
Durchgangszeit, die aber keine neuen Grundsätze der Erzählungs¬
fällt er. Auch die andern kleinern Geschichten sind Spiele mit dem
kunst geschäffen hat, sondern zur erprobten Weise der Väter und
etotischen Abenteuer, das überhaupt im Mittelpunkt dieser neuesten
romantischen Novellistik ste
Großväter zurückzukehren auf der ganzen Linie entschlossen zu sein
scheint. Die Neuromantiker gerade sind es, die sogar zu den alten
Formen zurückkehren, dem Abenteuerlichen, Spannenden, dem
Absonderlichen, das man vor etlichen Jahren noch in den Kreisen
der Allerweisesten verhöhnte. Der unter der Maske tieferer
Psychologie sich verbergende Lyrismus von Dichtern, denen die
Gestaltungskraft fehlte, ist in vollem Rückgang begriffen. Die
Novelle hört auf, nur formlose Skizze zu sein, und es erscheint!
wieder jene Novelle alten Stils, die zum Mittelpunkt das
absonderliche Erlebnis in seinen Folgen bringt. Und auch im
Roman hat man jetzt den Mut wieder, zu ganz abenteuerlichen
Geschehnissen zurückzugreifen. Neben diesen mehr oder minder
romantischen, aber immerhin von moderner verfeinerter Psychologie
durchsetzten Werken lebt dann in frischer Weiterentwicklung der von
unsern Astheten gänzlich verachtete realistische Gesellschaftsroman,
der ein Bild unseres großstädtischen modernen Lebens bietet.
Aus dem Kreise dieser neuen Erscheinungen greifen wir heute
Einzelheiten heraus, und wir beginnen dabei mit dem neuen Buche
eines unserer bekanntesten modernen Schriftsteller, mit der
Novellensammlung „Masken und Wunder“, die Arthur
Schnitzler im Verlag von S. Fischer erscheinen ließ. Wie
auch bei andern Schriftstellern, von denen wir in folgendem zu
reden haben, bildet erst recht bei Arthur Schnitzler die Stilkunst, die
leichtflüssige und farbig gestaltende Ausdrucksform, die sich nicht
wiedererzählen läßt, einen so wesentlichen Teil des Wertes, daß
eine nackte Wiedergabe des stofflichen Inhalts der in Rede stehenden
sechs Novellen unmöglich die Wirkungen seiner graziösen Geschichten
widerspiegeln kann. Es sind moderne Geschichten aus der Wiener
Lebemannssphäre, mehr oder minder mit dem Geruche welkender
Rosen behaftet, aber zugleich wesentlich romantischen Charakters
in dem Sinne, daß sie absonderliche Ereignisse erzählen, an die
sich keine allgemeinen moralischen oder sozialen Folgerungen
knüpfen lassen. Eröffnet wird die Sammlung mit einer Geschichte,
die eine solche romantische Stimmung anscheinend absichtsvoll
einleitet. Sie heißt: Die Hirtenflöte. Eine junge, tadellos
tugendhafte Frau lebt harmlos an der Seite ihres Gatten, der ihr
nun eines Tages die Meinung kundgibt, sie wisse ja in ihrer wohl¬
behüteten Unschuld gar nichts von den Gefahren des Lebens und
könne daher auch nicht behaupten, daß sie allen Prüfungen dieses
Lebens mit ihrer Tugend gewappnet gegenüberstehen würde. Er
macht ihr den Vorschlag, sie solle hinausziehen in die weite Welt
und solle dort ihre Tugend einmal erproben. Er würde, wie sie
auch heimkehre, sie unter allen Umständen wieder liebevoll in sein:
Haus aufnehmen. Und Dionysia zieht hinaus auf Abenteuer, die
mit einem Hirten beginnen und weiterführen zu den tollsten und
wildesten Erlebnissen. Erniedrigt, müde und zerbrochen kehrt sie
nach Jahren zum Gatten zurück, der sein Wort hält und sie
freundlich milde aufnimmt. Da faßt sie aber ein Ekel vor diesem
Mann, und sie zieht wieder ins Weite. Sie bleibt verschwunden.
Sonderbar mystisch klingt der Schluß, wonach der Gatte eines
Tages am Himmel einen irrenden Stern sah, der kam und ver¬
schwand, ohne in das Sternensystem der Wissenschaft zu passen.
Von den weitern Geschichten ist die wichtigste „Der Mörder“.
Ein junger Mann unterhält ein Liebesverhältnis, das für ihn
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5. Maskender
Zeitung: Kölnische Zeitung
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Köln a. Rh.
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störend wird durch eine vorteilhafte Veriobung. Er macht mit der
2 Moderne Novellen.
Geliebten eine Schiffsreise nach Indien, und unterwegs beseitigt er
So wirr und unabgeklärt die sonstigen künstlerischen Verhältnisse
sie dadurch, daß er ruhig zusieht, wie sie, die Leidende, eine von
in Deutschland gegenwärtig auch sein mögen, immer deutlicher
ihm vorbereitete Morphiumlösung einnimmt. Nach Hause zurück¬
erfüllt sich unsere schon früher gemachte Vorhersage, daß auf dem
gekehrt, muß er erfahren, daß die Braut, um derentwillen er die
Gebiete des Romans, dank seiner Unabhängigkeit von gewissen
Geliebte geopfert hat, von der Verlobung zurücktritt, dagegen aber
Einflüssen, die Dinge sich immer klarer entwickeln in dem Sinn
fordert ihn ein Herr zum Duell, der mit ihm gereist ist und die
einer Rückkehr zu alten Grundgedanken der Erzählungskunst.
Dinge, die auf dem Schiffe vor sich gingen, durchschaut hat, weil
Neue feinexe Ausarbeitungen sind der Gewinn einer gewissen
er selber jenes Mädchen liebgewonnen hatte. In diesem Duell
Durchgangszeit, die aber keine neuen Grundsätze der Erzählungs¬
fällt er. Auch die andern kleinern Geschichten sind Spiele mit dem
kunst geschäffen hat, sondern zur erprobten Weise der Väter und
etotischen Abenteuer, das überhaupt im Mittelpunkt dieser neuesten
romantischen Novellistik ste
Großväter zurückzukehren auf der ganzen Linie entschlossen zu sein
scheint. Die Neuromantiker gerade sind es, die sogar zu den alten
Formen zurückkehren, dem Abenteuerlichen, Spannenden, dem
Absonderlichen, das man vor etlichen Jahren noch in den Kreisen
der Allerweisesten verhöhnte. Der unter der Maske tieferer
Psychologie sich verbergende Lyrismus von Dichtern, denen die
Gestaltungskraft fehlte, ist in vollem Rückgang begriffen. Die
Novelle hört auf, nur formlose Skizze zu sein, und es erscheint!
wieder jene Novelle alten Stils, die zum Mittelpunkt das
absonderliche Erlebnis in seinen Folgen bringt. Und auch im
Roman hat man jetzt den Mut wieder, zu ganz abenteuerlichen
Geschehnissen zurückzugreifen. Neben diesen mehr oder minder
romantischen, aber immerhin von moderner verfeinerter Psychologie
durchsetzten Werken lebt dann in frischer Weiterentwicklung der von
unsern Astheten gänzlich verachtete realistische Gesellschaftsroman,
der ein Bild unseres großstädtischen modernen Lebens bietet.
Aus dem Kreise dieser neuen Erscheinungen greifen wir heute
Einzelheiten heraus, und wir beginnen dabei mit dem neuen Buche
eines unserer bekanntesten modernen Schriftsteller, mit der
Novellensammlung „Masken und Wunder“, die Arthur
Schnitzler im Verlag von S. Fischer erscheinen ließ. Wie
auch bei andern Schriftstellern, von denen wir in folgendem zu
reden haben, bildet erst recht bei Arthur Schnitzler die Stilkunst, die
leichtflüssige und farbig gestaltende Ausdrucksform, die sich nicht
wiedererzählen läßt, einen so wesentlichen Teil des Wertes, daß
eine nackte Wiedergabe des stofflichen Inhalts der in Rede stehenden
sechs Novellen unmöglich die Wirkungen seiner graziösen Geschichten
widerspiegeln kann. Es sind moderne Geschichten aus der Wiener
Lebemannssphäre, mehr oder minder mit dem Geruche welkender
Rosen behaftet, aber zugleich wesentlich romantischen Charakters
in dem Sinne, daß sie absonderliche Ereignisse erzählen, an die
sich keine allgemeinen moralischen oder sozialen Folgerungen
knüpfen lassen. Eröffnet wird die Sammlung mit einer Geschichte,
die eine solche romantische Stimmung anscheinend absichtsvoll
einleitet. Sie heißt: Die Hirtenflöte. Eine junge, tadellos
tugendhafte Frau lebt harmlos an der Seite ihres Gatten, der ihr
nun eines Tages die Meinung kundgibt, sie wisse ja in ihrer wohl¬
behüteten Unschuld gar nichts von den Gefahren des Lebens und
könne daher auch nicht behaupten, daß sie allen Prüfungen dieses
Lebens mit ihrer Tugend gewappnet gegenüberstehen würde. Er
macht ihr den Vorschlag, sie solle hinausziehen in die weite Welt
und solle dort ihre Tugend einmal erproben. Er würde, wie sie
auch heimkehre, sie unter allen Umständen wieder liebevoll in sein:
Haus aufnehmen. Und Dionysia zieht hinaus auf Abenteuer, die
mit einem Hirten beginnen und weiterführen zu den tollsten und
wildesten Erlebnissen. Erniedrigt, müde und zerbrochen kehrt sie
nach Jahren zum Gatten zurück, der sein Wort hält und sie
freundlich milde aufnimmt. Da faßt sie aber ein Ekel vor diesem
Mann, und sie zieht wieder ins Weite. Sie bleibt verschwunden.
Sonderbar mystisch klingt der Schluß, wonach der Gatte eines
Tages am Himmel einen irrenden Stern sah, der kam und ver¬
schwand, ohne in das Sternensystem der Wissenschaft zu passen.
Von den weitern Geschichten ist die wichtigste „Der Mörder“.
Ein junger Mann unterhält ein Liebesverhältnis, das für ihn