V, Textsammlungen 5, Masken und Wunder. Novellen, Seite 41

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5. Masken und Nund

Se
aßen bürgerlich hausbacken
Allenthalben ragten drohende Arme ins Fenster. Wirts¬
hausschilder. Das Licht der Schankstuben fiel verächtlich in
ntar, dann auch ordentlich.
die leere Gasse. Hell und hart klangen die einsamen Schritte;
den wunden Punkt dieser
ihr Schall lief plötzlich lautlos in die Weite. Die Häuser
zwar den Leser durch ihr:
endeten. Hier standen alte Pappeln, die versilbert glänzten,
Entschlossenheit stark betei¬
das Mondlicht ruhte weiß auf nassen Wiesen. Freundlich
n leeren Raum erzeugt, in
ernst sahen die kleinen Fenster einer dunkeln Häusermasse,
klingen will. Und es klang
die seitab lag, auf ihn. Ein im Geviert gebauter Bauernhof
d heldenhaft. Nämlich so:
ließ breit und erbgesessen die Landstraße passieren.
schmalem Band.
Er, Axel, begnügte sich also nicht damit, seinem Denken
durcheinander, zerstampfen
entschlossen ein Ende zu machen, sondern er „befahl“ ihm, zu
der Stein. Klaftertief fälli
Ende zu kommen. Das sind Akzentuierungen, die Molo liebt,
e Knie.
ohne daß man einsehen könnte, warum. Sonst aber verfügt
ner schneller und schneller.
er, wie die Stelle zeigt, über Impressionen von lyrischer Ein¬
unz Eccolo fängt einen Kie¬
dringlichkeit, die beweisen, daß er Gesehenes in Erlebtes um¬
der die Menschenlast. Franz
zuformen vermag, wenn er sich Zeit dazu nimmt.
hen, Kleinlichkeiten, die
In die Reihe dieser stürmischen Subjektivisten gehört auch
Herres Augen. Wie eine
Carl Hauptmann. Doch ist bei ihm der Fluß der Emp¬
thel“ verliert er den Schrei.
findung so stark, daß er dem Hange, ornamental auszuschwei¬
fen, nicht nachgeben kann: er erwärmt den Stoff und treibt
die wütende Faust in des
die Form von innen heraus. Er gewinnt dabei, wie seine drei
Augen jammern zu ihm
Erzählungen „Nächte“) dartun, nicht immer die „letzte“
ich gehen?“
Form, aber sie ist konstruktiv stark empfunden und kraftvoll
zurück, es ist klar in ihm,
durchgeführt. Ein so abgedroschenes Motiv wie das eines ab¬
Mit keuchender Brust und
wechslungsfreudigen Weibes, das an einen harmlosen Burschen
nn im Schutt. Sie liegen
von schwerem Blut gerät und von ihm niedergeschossen wird,
nken. Der Tod hat ge¬
bekommt bei Hauptmann doch eine richtige gesunde Lebens¬
farbe. Die Versuchung eines jungen Priesters („Ein Später
spannend. Ueberlegt man,
derer van Doorn“) entwickelt sich bei allem Tempo der Er¬
bleibt einem zuletzt nur der
zählung nicht ohne innerliche Feinheiten, und ein ganz vor¬
die überspannte Form aber
trefflicher, ja ein meisterlicher Wurf ist die Novelle „Franz
mentik auf. Die ist manch¬
Popjels Jugend“ Zwei Brüder: Eduard, der gute Engel
„Mutter, Freunde, Lebens¬
der Familie, ein künstlerisch begnadeter guter Junge; und
gt denn das? Der Mann,
Franz, der Gezeichnete, in dem das Leben phantastisch flackert
Dichters Willen und An¬
und zischt. Eine wirkliche Novelle, weil sie ein ganz proble¬
Antlitz. Er sieht dahinter
matisches Stück Leben, das noch kein ganzes geschlossenes
aber wir sehen sie nicht.
Schicksal ist, sozusagen in den Schnittpunkten seiner Entwick¬
des Ertrinkenden oder Ab¬
lung aufzeigt. Franz, der heimliche Verbrecher, der die Mut¬
n erklingt, aber das Tempo
ter bestiehlt, die Braut des Bruders verführt, und noch im
und Stein, über Lebens¬
letzten Augenblick, vor dem Versinken im Schlamm, zurück¬
einen Galopp, der kein
findet zu sich selbst — das ist ein Charakter von einer so merk¬
würdig schillernden Eindringlichkeit, wie man ihn in der Lite¬
rischer Ornamentik
ratur nur alle Jubeljahre einmal trifft. Die Gestalt ist dich¬
es Beispiel aus Molo besser
terisch visionär geschaut, bis in Seelenfalten hinein, die so noch
nicht erschlossen waren; ein unheimlicher Zauber umweht sie,
chenglocke ihre dröhnenden
wie ihn die Gestalten E. Th. A. Hoffmanns an sich tragen.
Axel Herre befahl seinem
mmen und sah auf. bereit,
*) Ernst Rowohlt, Leipzig.
Nur daß dort, wo Hoffmann sich ins Gespenstische hinein¬
phantasiert, bei Hauptmann immer noch zuverlässige seelische
Realität bestehen bleibt. Dabei vollzieht sich alles inmitten
einer bürgerlich bräven Gegenwart und wirkt nicht anders,
wie wenn eine kundige Geisterhand den Vorhang irgendwo
fortzöge, wo kaum jemand einen Vorhang vermutet hätte.
Kann es einen besseren Beweis für die dichterische Kraft ur¬
sprünglicher Gestaltung geben?
„Abwechslung ist die Seele des Lebens,“ schreibt Bis¬
marck einmal. Darum mag es nicht uninteressant sein, im
vollen Gegensatz zu diesem gesteigerten Stil und Rhythmus
der modernen Erzählung einen Poeten zu betrachten, der die
altfränkische Ruhe und Beschaulichkeit selber ist. Ich meine
den Grazer Wilhelm Fischer, dessen Roman „Der Traum
vom Golde“) eigentlich die Forderung nach der Verhalten¬
heit der epischen Affekte restlos beantwortet. Hier ist alles
still und klar und wohlgeordnet wie ein erster Schöpfungstag.
Und es ist nur gut, daß mir gerade dieses geruhsame Buch
rechtzeitig in die Hände fiel, um mich vor den kritischen Kon¬
sequenzen der eingangs betonten Anschauung zu warnen.
W. Fischer erzählt die Geschichte eines Mannes, der drauf
und dran ist, am Leben zu verzagen, bis ihn der Himmel recht¬
zeitig auf den Gedanken bringt, der Erde ihre Schätze zu
entreißen. In den steirischen Bergen steht das verlassene Berg¬
werk, das Oswald mit neuem Mute und junger Kraft angreift,
und der „Traum vori Golde“ wird greifbare Wirklichkeit. Nun
gewinnt auch die Liebe einen sicheren Heimatsboden, die Freude
der Arbeit macht Oswald vollends glücklich, und der Leser
verfällt in bange Zweifel, wie denn ein so gerechtes und wohl¬
geordnetes Dasein noch in weitere Konflikte geraten könne, die
eine Schilderung lohnen. Aber der Verfasser läßt nicht um¬
sonst zwei schöne und sinnige Frauengestalten an seinen Helden
herantreten. In einer schwülen Johannisnacht versieht er sich
denn auch, und der Himmel straft den Sünder ungesäumt durch
einen Bergsturz samt jachem Tode.
Man sagt von dieser Handlung das Beste, wenn man ihr
nachsagt, daß Adalbert Stifter sie erfunden haben könnte.
Wie denn Wilhelm Fischer überhaupt, in seiner geistigen Ge¬
samterscheinung, ein jüngerer Bruder des Hochwalddichters ist.
Einer, der es eigentlich nicht begreift, und dem es wehtut, wie
die Menschen nicht nur wacker und hochgemut handeln mögen;
dessen tiefster Herzschlag im Einklange steht mit dem erquicken¬
dem Atem der großen Natur. Hier, in der Schilderung der
Landschaftsstimmungen, in eingestreuten Mären und volkstüm¬
lichen Sagen des Gebirges, ergeht sich Fischer gern und aus¬
3) Geora Müller, München.