V, Textsammlungen 5, Masken und Wunder. Novellen, Seite 44

asker
und Nunder
——
„ 0 Socknonn, St. Peiers¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt GusE NER ABENOPOGT
30 10. 1312
vom:
(„Masken und Wunder.“ Novellen von Artur
nlerVerlag S. Fischer, Berlin 1912.) Einen
Band Novellen gab der Dichter seinen Verehrern und
Freunden zu Dank für die Sympathiebezeigungen zu seinem
fünfzigsten Geburtstage. Die Außerlichkeit eines solchen
Gedenktages verlockt wider Willen, nach den Spuren der
nun gefeierten Reife zu forschen. Sind die neuen Novellen
auch richtige Literatur eines Fünfzigjährigen? Merkt man
die gebotene „Abklärung“? Die goldene Harmonie eines
Dichter=Herbstes? Mit solch schulmäßiger Psychologie kommt
man nun allerdings dem feinsten, raffiniertesten Psycho¬
logen unter den modernen deutschen Dichtern nicht
bei! In diesem Buche sind Masken und Wunder einer
jugendlichen Seele, eines frisch pulsenden Herzens,
freilich auch die Masken und Wunder eines weise und still
gewordenen Gemütes, eines gern ins Innere schauenden
Geistes. Entsinnt man sich der herben, herbstelnden Nach¬
denklichkeit selbst in den allerersten Werken Schnitzlers, so
wird man ihn als Fünfziger höchstens dunkler, sinnender
gehaltener nennen dürsen. Eher hat man den Eindruck, daß
er sich anschickt, die Jugend zu verabschieden, als daß die
Jugend von ihm scheidet. Aus des Dichters letzten No¬
vellen spricht einer, der mit Befriedigung und innerer Er¬
wärmung, nicht als Beute trüber Stimmung hinter die
Masken und Wunder des Lebens blickt. Mit Ausnahme
der symbolischen Erzählung „Die Hirtenflöte“ dürften
sie ja im Lebenswerke Schnitzlers keinen sonderlich
bedeutsamen Platz einnehmen; missen möchte man sie aber
nicht, wenngleich sie nicht mehr als Arabesken der großen
Arbeiten sind. Auch in ihnen ruht sein Wesen, seine Art.
„Die Hirtenflöte“ ist eine Dichtung, wie sie an Wendungen
eines Dichterseins entstehen; das ist eine Bergschau auf das
in Reflexion getauchte Leben. Weit greift der Gang der
Begebenheiten aus, um recht viel Lebensfülle in das dich¬
terische Bild zu spannen. Alles in dieser Erzählung
eines Frauenschicksals ist zu Aktion gemacht; nicht
in einem Satz wird reflektiert, das Ganze aber
ist ein einziges in Reflexion gehülltes geistiges Be¬
kenntnis; von der Realität abgehoben, wie die Glocke im
Märchensee. Im stilisierten Gewand eines symbolischen
Märchens spielt sich darin das Leben einer jungen, nach
dem Inhalte des Daseins drängenden Frau ab. Aus der
Idylle eines einfältigen Hirtenlebens reißt sie der Strom
des Schicksals in die wilden Leidenschaften, in die heißen
Stürme eines Fürstengeschickes, eines Volksaufstandes;
bald auf des Lebens Höhen gestellt, bald der
brutalen Gemeinheit der Masse hingeworfen, durchwandelt
sie die ersehnten Sensationen des Daseins. Am Ende kehrt
sie bei einem Philosophen ein, der das Leben überwunden
hat, ohne auch dort Ruhe, Einkehr zu finden. „Die Hirten¬
flöte“ ist eine recht negative Sache, eine Absage
an das Leben. Auch die anderen Erzählungen, Novellen
und die Unwirklichkeit bis zu Phantasmagorien steigernden
Stücke sind nachdenklicher, dunkler in ihrer Färbung, lang¬
samer in ihrem Herzschlag als die ohnehin ein bischen
todesschwere Schnitzlersche Tragik. Ein echtes Schnitzlersches
Capriccio vom Tod ist das höhnische Genrestückchen „Der
Tod des Junggesellen“ — Balladen vom Tod und #
Sterben sind „Der Mörder", „Der tote Gabriel",
„Das Tagebuch der Redegonda“. ... Alt ist *
der elegante, mondaine Anatol noch nicht, aber seine
spielerische Erotik, seine kleinen Wiener Sentimente sind¬
von Faustscher Einkehr begleitet; Don Juans Herbst ziehts:
auf; ein geheimnisvoller Zug trolbt ihn, der Dinge
symbolische Bedeutung zu ergründen 1.“ R. Holzer.
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burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
3 U. S#·WARTS, BERLIN
vom:
Novellen.
Es liegen eine Reihe Novellenbände vor, deren Stimmung und.
Inhalt schon aus dem Generalnenner, dem Kennwort des Titel¬
blattes zu erraten ist. Fedor Ssologub gibt seinen Er¬
Ladyschnikow,
zählungen den Sammelnamen Schatten. (J.
Berlin.) Es sind vier Geschichten beschattet mit Weh, Gram, Leiden
und Tod. Sie handeln hauptsächlich von Kin ern, ihrem Verhältnis
zu den Eltern, insbesondere zur Mutter, und zeigen Muttersorgen
und Kinderleid, die Tragik junger Herzen, ihre Verwirrungen und
Verirrungen, die Dämonen, die schicksalsbestimmend mit Krallen in
das Glück greifen und enden zumeist mit einem krassen Akkord, der
die elegische Melodie von den Lebensnöten der gepeinigten Menschen
schrill beschließt. Ssologub hat sich mit der Grübelsucht russischer
Schriftsteller eingebohrt in die „Schatten“ des Lebens und läßt
keine Sonne über seine beklemmenden Geschichten hinhuschen. Sein
Buch zeigt in jeder Stizze den heißen Aiem des Miterlebens, ich
möchte sagen die Suhjektivität des Dichters, während sich Artur
in seinem neuesten Novellenband Masken und
scher=Berlin) in einer an ihm bisher unbekannten
Objektivität präsentiert. Sein Stil isi ruhiger geworden, beinahe
streng. abgeklärt, ins Klassische hinüberspielend. Er zeigt Menschen
junter Masken, wie die Maske fällt oder hinter der Maske Leiden¬
schaften wühlen. Aber er schildert diese Leisenschaften gleichsam aus:
lder Ferne, als Chronist, so daß auch über diesem Buche, obwohl
glühendes Begehren und zehrender Schmerz darin aufflammen, auch
zdie alte Schnitzlersche Ironie in gebändigter Form aufzuckt, eine ge¬
Idämpfte Stimmung lagert. Mystisches ist verflochten mit alltäglichen
[Geschehnissen, immer aber ist es das Weib, das seine Seele als Ver¬
führerin, Beglückerin oder Opfer über die Vorsinge ausstrahln
Mo Scinlent- 01