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2. Die griechische Taenzerin
Seite 436.
Nr. 203.
Beilage zur Augemeinen Zeitung.
wie er zu sagen beliebt, an den Kopf greift und fragt: Wie
nicht findet. Er beruhigt sich damit, daß sie einer großen
Sache dient: „Sie wollte Mutter werden. Dazu hatte er ihr
ist es möglich, daß solches Geschreibsel gedruckt und einer
Bibliothek moderner deutscher Autoren einverleibt werden
verholfen.“ Sehr unerquicklich wie der Stoff ist auch die
kann, die durch Schnitzler so verheißungsvoll inauguriert
Darstellung. Die Sprache ist unklar, unbeholfen, gesucht, ab¬
gequält und gezwungen.
wurde? Womöglich noch peinlicher als die Lektüre der
„Nonne“ ist die des gewundenen und in endlosen Wieder¬
Der vierte Band enthält „Die Kunstreise nach Hüngel¬
holungen sich ergehenden Monologs „Die Andere“, in dem
dorf“ von Otto Ernst. Wir haben es hier mit einer präch¬
er sein Liebesleben mit dem Mikroskop betrachtet und unnach¬
tigen, von Menschenkenntnis und Lebensklugheit durchwehten,
sichtig zerfasert, sich in der Schilderung der Qualen der weibi¬
Geist und Gemüt erquickenden Humoreske zu tun. Sie führt
schen Liebe und der in der männlichen Liebe beschlossenen
uns aus dem Reiche der Romantik zum vollsaftigen, warm
Ruhe nicht genug tun kann. Zur Charakteristik Schlafs sei
pulsierenden Leben zurück, sie atmet frischen Erdgeruch, die
nur ein Passus aus seiner ermüdenden Beichte hervorgehoben:
Gestalten sind plastisch herausgearbeitet, interessante Streif¬
„In Torheit hatte ich geliebt. Sicher und gewiß in Torheit.
lichter auf Land und Leute sind eingeflochten, und nicht zum
Nun ja: das alles muß also sein; dieses Sichsuchen, dieses
wenigsten wird die Humoreske dadurch gewürzt, daß der Dich¬
Tasten und Sich=erfühlen zweier dunkler We#ten, dessen letzte
ter sich in Erinnerungen an die goldene Zeit der Kindheit
uns wahrste Mitteilungen nicht im gesprochenen Wort sind
sonnt. Bis zu den fernsten Hügeln und Wolken fliegen die
und über jedes gesprochene Wort. Diese hundertfältigen Be¬
flatternden Tauben der Erinnerung fort und kommen zurück
rührungen, diese Küsse und Umarmungen; ihre zehrende
auf leuchtenden Flügeln, mit grünen Knospen und Blättern
Glut, ihr Sichgeben, Sichergießen; aber ach, vor allem ihr
im Schnabel. Erbaulich ist Ernsts Geißelung gewisser „sozia¬
Sichverstehenwollen! Ihr Spiel, ihr Tändeln, ihre Grausam¬
ler Schmarren“ welche er folgendermaßen charaktersiert:
keiten; ihr steter unruhiger, wechselnder Rhythmus; ach, und
„Frau und Kinder krank, der Mann im Zuchthaus — schreck¬
seine Eifersucht, sein Mißtrauen, seine Ermüdungen und
lich. Der edle Dichter drückt sich im letzten Vers eine Träne
Ueberdrüsse: Bis? Bis es dann
der andere und die
aus den Augen und möchte Christus sein.“ Und er fügt hin¬
andere ist; bis sie füreinander hervortreten in Klarheit und
zu: „Die größte Kanaille hat jetzt „Mitleid mit den Ent¬
Ruhe zum Ernst und zur Stete des Selbstbesitzes und der
erbten“; es ist heutzutage gestattet. Und die Enterbten be¬
Zeugungen.“ Es muß indes zu seiner Ehre gesagt werden,
danken ssich so schönstens dafür!“ Eine überaus feine Prä¬
daß er auf dem besten Wege zur Selbsterkenntnis zu sein
gung ist es, daß jener Armeleutpoesie das Protoplasma fehlt.
scheint; denn er gibt sich keiner Täuschung darüber hin, daß
Ueberaus wohltuend ist Ernsts Goethe=Enthusiasmus. Er
der Gebrauch poetischer Symbole eine Jähigkeit voraussetzt,
hat leider recht, wenn er den Kunstreisenden sagen läßt:
die er nicht „vermag“. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß
„Die Leute haben Goethe gar nicht, die Deutschen haben
er zuweilen tiefsinnig wird. Er muß eine mächtige Phantasie
Für das Volk sind seine Gedichte
ihn noch gar nicht.
*
besitzen, über eine gewaltige Ideenassoziation verfügen, wenn
Man muß das Blut aus diesem Goethe¬
noch unentdeckt.
ihn das festtägliche Treiben in einer der schönsten Verkehrs¬
schen Riesenherzen, die tausend schwellenden, klingenden
adern des Berliner Westens, das ihn „mit dem Zwang irgend
Bäche, man muß sie den Leuten unmittelbar in die
einer heimlichen magnetischen Affinität in diesen gemeinsamen
Adern leiten — durch Transfusion,“ durch die Sinnlichkeit,
Trance bringen“ will, zur Politeia Platons, zum mindesten
die Gegenständlichkeit des Vortrags. Das Herz geht uns auf,
aber zu der von Hegels Gnaden hinüberleitet, das glänzende
wenn er diese an einigen Beispielen illustriert. Treffend ist
Saturnal im elegantesten Berliner Viertel ihn wie das „Zeit¬
die Bemerkung, daß man bei dem Worte „himmlisch“ in
alter des gerechtfertigten Hegelianismus“ anmutet.
Goethes Versen:
Gern flüchten wir von Schlafs Seelenwühlerei zu Anton
Mich ergreift, ich weiß nicht wie,
v. Perfall, der in der kernigen, wahrhaft poetischen Er¬
Himmlisches Behagen
zählung „Er lebt von seiner Frau“ die alle Bedenken über¬
fluiende alles opfernde Liebe zweier Vollblutnaturen schil¬
auf den Tisch schlagen muß, daß die Gläser tanzen. „Dies
dert, eine Liebe von der Art, wie sie der Held der Erzählung
ist gar nicht anders zu denken. Ich kann mir diese Verse
nicht einmal lautlos wiederholen, ohne wenigstens in die
oft über Trümmer und Brandstätten, sie versengt alles mit
Luft zu hauen, wenn ich keinen Tisch habe.“
ihrer Glut, sie ist kein milder Genius, kein schalkhafter Knabe
Im fünften Bande wartet uns Felix Salten mit der
mit Bogen und Pfeil, es ist ein Kampf, ein wilder Kampf,
Novelle „Der Schrei der Liebe“ auf, einer erotischen Erzäh¬
die ganze Natur stöhnt und ächzt in ihm. Das ist in meinen
lung, die jedoch keineswegs zur lüsternen Zote herabsinkt und
Augen keine Liebe, die Rücksichten kennt, erwägt im Kampfe
in ein sinniges Märchen von den Meerfrauen ausklingt, die
um die Geliebte.“ Eine solche Liebe altert nie, sie bleibt
von einer Anzahl beherzter Männer niedergerungen wurden,
ewig jung, nicht einmal ihr erster Blütenstaub verwischt sich
so daß sie endlich halten mußten, was ihr lockendes Singen
im rauhen Leben, und die Kinder einer solchen Liebe tragen
solange verheißen hatte, wobei sie einen Schrei ausstießen,
den Stempel ihrer Abkunft in ihrem rosigen Wesen. Wie
in dem sich ihre wilde, nun aber gebändigte Seele löste. Un¬
Königskinder ragen sie empor über die Kinder der kalten
angenehm fallen uns einige Sprachhärten auf, wie „Sein
Pflicht mit dem matten Blick, dem matten Herzen. Jawohl,
erster Gruß in der Heimat ist des Königs Eigen“, „Was er
er lebt von seiner Frau, er wird durch sie zur Arbeit geboren,
jetzt vom Schrei der Liebe sprach, so muß erwähnt werden“.
sie weckt ihn zu neuem Leben, entzündet in ihm den Glauben
und „Ihm war, als lege er die Jahre seiner Jugend, zu Erz
an sich selbst, entfesselt in ihm die Wollust des Schaffens, sie
erstarrt, klein geworden und nicht mehr zu ihm gehörig, bei¬
teilt ihm Geist von ihrem Geiste mit, daß es ihn „überkommt“.
seite".
und er das Gleichnis von den feurigen Zungen des Pfingst¬
Für Otto Julius Bierbaums „Kunst“ bin ich glück¬
festes zu würdigen weiß. — In dem „Sprung im Glase“
licherweise noch nicht reif, daher ich den sechsten Band mit
entrollt uns Perfall ein erschütterndes Bild von den schreck¬
Stillschweigen übergehen könnte. Hier wäre Schweigen
lichen Verheerungen, die der häßliche Aberglauben im Men¬
Gold; es ist mir jedoch Herzenssache, die Bemerkung nicht
schenleben anrichtet, und er entpuppt sich als ein weiser, mit
zu unterdrücken, daß, wer sich so an dem Publikum versün¬
den Verhältnissen rechnender, sich der kranken, verfinsterten
digt, daß er ihm das Märchen „Das höllische Automobil“
Seele anpassender Bekämpfer jenes unseligen Wahns.
und den „Mutigen Revierförster“ zu präsentieren wagt, auf
Der neunte Band enthält Erzählungen von Siegfried
der tiefsten Stufe der Dekadenz angelangt ist und das Recht
Trebitsch. Die Titelnovelle „Das verkaufte Lächeln“
verwirkt hat, ernst genommen und zu den deutschen Autoren
leidet an manchen Unwahrscheinlichkeiten. Es ist schwer an¬
gerechnet zu werden.
zunehmen, daß Amanda bei der Hochzeit ihres Vaters als
Will man wissen, wie eine Handlung nicht entwickelt
Kranzeljungfrau fungiert, daß die Schwester ihrer verstorbenen
werden darf und welcher Form sich ein Schriftsteller nicht
Mutter aus der Stadt kommt, um der Vermählungsfeier des
bedienen darf, dann greife man zu dem siebenten Bande.
Witvers beizuwohnen, und daß Amanda nach den seelischen
Was Johannes Schlaf hier bietet, ist so konfus, unklar und
Mißhandlungen, die sie im Hause der Tante erfuhr, sich still
verschwommen und so weitschweifig, breitspurig und unter
aller Kritik salopp dargestellt, daß man sich „nachdenksam“, die Liebkosungen eines Fremden gefallen, sich von ihm auf
e echenstra
—
2. Die griechische Taenzerin
Seite 436.
Nr. 203.
Beilage zur Augemeinen Zeitung.
wie er zu sagen beliebt, an den Kopf greift und fragt: Wie
nicht findet. Er beruhigt sich damit, daß sie einer großen
Sache dient: „Sie wollte Mutter werden. Dazu hatte er ihr
ist es möglich, daß solches Geschreibsel gedruckt und einer
Bibliothek moderner deutscher Autoren einverleibt werden
verholfen.“ Sehr unerquicklich wie der Stoff ist auch die
kann, die durch Schnitzler so verheißungsvoll inauguriert
Darstellung. Die Sprache ist unklar, unbeholfen, gesucht, ab¬
gequält und gezwungen.
wurde? Womöglich noch peinlicher als die Lektüre der
„Nonne“ ist die des gewundenen und in endlosen Wieder¬
Der vierte Band enthält „Die Kunstreise nach Hüngel¬
holungen sich ergehenden Monologs „Die Andere“, in dem
dorf“ von Otto Ernst. Wir haben es hier mit einer präch¬
er sein Liebesleben mit dem Mikroskop betrachtet und unnach¬
tigen, von Menschenkenntnis und Lebensklugheit durchwehten,
sichtig zerfasert, sich in der Schilderung der Qualen der weibi¬
Geist und Gemüt erquickenden Humoreske zu tun. Sie führt
schen Liebe und der in der männlichen Liebe beschlossenen
uns aus dem Reiche der Romantik zum vollsaftigen, warm
Ruhe nicht genug tun kann. Zur Charakteristik Schlafs sei
pulsierenden Leben zurück, sie atmet frischen Erdgeruch, die
nur ein Passus aus seiner ermüdenden Beichte hervorgehoben:
Gestalten sind plastisch herausgearbeitet, interessante Streif¬
„In Torheit hatte ich geliebt. Sicher und gewiß in Torheit.
lichter auf Land und Leute sind eingeflochten, und nicht zum
Nun ja: das alles muß also sein; dieses Sichsuchen, dieses
wenigsten wird die Humoreske dadurch gewürzt, daß der Dich¬
Tasten und Sich=erfühlen zweier dunkler We#ten, dessen letzte
ter sich in Erinnerungen an die goldene Zeit der Kindheit
uns wahrste Mitteilungen nicht im gesprochenen Wort sind
sonnt. Bis zu den fernsten Hügeln und Wolken fliegen die
und über jedes gesprochene Wort. Diese hundertfältigen Be¬
flatternden Tauben der Erinnerung fort und kommen zurück
rührungen, diese Küsse und Umarmungen; ihre zehrende
auf leuchtenden Flügeln, mit grünen Knospen und Blättern
Glut, ihr Sichgeben, Sichergießen; aber ach, vor allem ihr
im Schnabel. Erbaulich ist Ernsts Geißelung gewisser „sozia¬
Sichverstehenwollen! Ihr Spiel, ihr Tändeln, ihre Grausam¬
ler Schmarren“ welche er folgendermaßen charaktersiert:
keiten; ihr steter unruhiger, wechselnder Rhythmus; ach, und
„Frau und Kinder krank, der Mann im Zuchthaus — schreck¬
seine Eifersucht, sein Mißtrauen, seine Ermüdungen und
lich. Der edle Dichter drückt sich im letzten Vers eine Träne
Ueberdrüsse: Bis? Bis es dann
der andere und die
aus den Augen und möchte Christus sein.“ Und er fügt hin¬
andere ist; bis sie füreinander hervortreten in Klarheit und
zu: „Die größte Kanaille hat jetzt „Mitleid mit den Ent¬
Ruhe zum Ernst und zur Stete des Selbstbesitzes und der
erbten“; es ist heutzutage gestattet. Und die Enterbten be¬
Zeugungen.“ Es muß indes zu seiner Ehre gesagt werden,
danken ssich so schönstens dafür!“ Eine überaus feine Prä¬
daß er auf dem besten Wege zur Selbsterkenntnis zu sein
gung ist es, daß jener Armeleutpoesie das Protoplasma fehlt.
scheint; denn er gibt sich keiner Täuschung darüber hin, daß
Ueberaus wohltuend ist Ernsts Goethe=Enthusiasmus. Er
der Gebrauch poetischer Symbole eine Jähigkeit voraussetzt,
hat leider recht, wenn er den Kunstreisenden sagen läßt:
die er nicht „vermag“. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß
„Die Leute haben Goethe gar nicht, die Deutschen haben
er zuweilen tiefsinnig wird. Er muß eine mächtige Phantasie
Für das Volk sind seine Gedichte
ihn noch gar nicht.
*
besitzen, über eine gewaltige Ideenassoziation verfügen, wenn
Man muß das Blut aus diesem Goethe¬
noch unentdeckt.
ihn das festtägliche Treiben in einer der schönsten Verkehrs¬
schen Riesenherzen, die tausend schwellenden, klingenden
adern des Berliner Westens, das ihn „mit dem Zwang irgend
Bäche, man muß sie den Leuten unmittelbar in die
einer heimlichen magnetischen Affinität in diesen gemeinsamen
Adern leiten — durch Transfusion,“ durch die Sinnlichkeit,
Trance bringen“ will, zur Politeia Platons, zum mindesten
die Gegenständlichkeit des Vortrags. Das Herz geht uns auf,
aber zu der von Hegels Gnaden hinüberleitet, das glänzende
wenn er diese an einigen Beispielen illustriert. Treffend ist
Saturnal im elegantesten Berliner Viertel ihn wie das „Zeit¬
die Bemerkung, daß man bei dem Worte „himmlisch“ in
alter des gerechtfertigten Hegelianismus“ anmutet.
Goethes Versen:
Gern flüchten wir von Schlafs Seelenwühlerei zu Anton
Mich ergreift, ich weiß nicht wie,
v. Perfall, der in der kernigen, wahrhaft poetischen Er¬
Himmlisches Behagen
zählung „Er lebt von seiner Frau“ die alle Bedenken über¬
fluiende alles opfernde Liebe zweier Vollblutnaturen schil¬
auf den Tisch schlagen muß, daß die Gläser tanzen. „Dies
dert, eine Liebe von der Art, wie sie der Held der Erzählung
ist gar nicht anders zu denken. Ich kann mir diese Verse
nicht einmal lautlos wiederholen, ohne wenigstens in die
oft über Trümmer und Brandstätten, sie versengt alles mit
Luft zu hauen, wenn ich keinen Tisch habe.“
ihrer Glut, sie ist kein milder Genius, kein schalkhafter Knabe
Im fünften Bande wartet uns Felix Salten mit der
mit Bogen und Pfeil, es ist ein Kampf, ein wilder Kampf,
Novelle „Der Schrei der Liebe“ auf, einer erotischen Erzäh¬
die ganze Natur stöhnt und ächzt in ihm. Das ist in meinen
lung, die jedoch keineswegs zur lüsternen Zote herabsinkt und
Augen keine Liebe, die Rücksichten kennt, erwägt im Kampfe
in ein sinniges Märchen von den Meerfrauen ausklingt, die
um die Geliebte.“ Eine solche Liebe altert nie, sie bleibt
von einer Anzahl beherzter Männer niedergerungen wurden,
ewig jung, nicht einmal ihr erster Blütenstaub verwischt sich
so daß sie endlich halten mußten, was ihr lockendes Singen
im rauhen Leben, und die Kinder einer solchen Liebe tragen
solange verheißen hatte, wobei sie einen Schrei ausstießen,
den Stempel ihrer Abkunft in ihrem rosigen Wesen. Wie
in dem sich ihre wilde, nun aber gebändigte Seele löste. Un¬
Königskinder ragen sie empor über die Kinder der kalten
angenehm fallen uns einige Sprachhärten auf, wie „Sein
Pflicht mit dem matten Blick, dem matten Herzen. Jawohl,
erster Gruß in der Heimat ist des Königs Eigen“, „Was er
er lebt von seiner Frau, er wird durch sie zur Arbeit geboren,
jetzt vom Schrei der Liebe sprach, so muß erwähnt werden“.
sie weckt ihn zu neuem Leben, entzündet in ihm den Glauben
und „Ihm war, als lege er die Jahre seiner Jugend, zu Erz
an sich selbst, entfesselt in ihm die Wollust des Schaffens, sie
erstarrt, klein geworden und nicht mehr zu ihm gehörig, bei¬
teilt ihm Geist von ihrem Geiste mit, daß es ihn „überkommt“.
seite".
und er das Gleichnis von den feurigen Zungen des Pfingst¬
Für Otto Julius Bierbaums „Kunst“ bin ich glück¬
festes zu würdigen weiß. — In dem „Sprung im Glase“
licherweise noch nicht reif, daher ich den sechsten Band mit
entrollt uns Perfall ein erschütterndes Bild von den schreck¬
Stillschweigen übergehen könnte. Hier wäre Schweigen
lichen Verheerungen, die der häßliche Aberglauben im Men¬
Gold; es ist mir jedoch Herzenssache, die Bemerkung nicht
schenleben anrichtet, und er entpuppt sich als ein weiser, mit
zu unterdrücken, daß, wer sich so an dem Publikum versün¬
den Verhältnissen rechnender, sich der kranken, verfinsterten
digt, daß er ihm das Märchen „Das höllische Automobil“
Seele anpassender Bekämpfer jenes unseligen Wahns.
und den „Mutigen Revierförster“ zu präsentieren wagt, auf
Der neunte Band enthält Erzählungen von Siegfried
der tiefsten Stufe der Dekadenz angelangt ist und das Recht
Trebitsch. Die Titelnovelle „Das verkaufte Lächeln“
verwirkt hat, ernst genommen und zu den deutschen Autoren
leidet an manchen Unwahrscheinlichkeiten. Es ist schwer an¬
gerechnet zu werden.
zunehmen, daß Amanda bei der Hochzeit ihres Vaters als
Will man wissen, wie eine Handlung nicht entwickelt
Kranzeljungfrau fungiert, daß die Schwester ihrer verstorbenen
werden darf und welcher Form sich ein Schriftsteller nicht
Mutter aus der Stadt kommt, um der Vermählungsfeier des
bedienen darf, dann greife man zu dem siebenten Bande.
Witvers beizuwohnen, und daß Amanda nach den seelischen
Was Johannes Schlaf hier bietet, ist so konfus, unklar und
Mißhandlungen, die sie im Hause der Tante erfuhr, sich still
verschwommen und so weitschweifig, breitspurig und unter
aller Kritik salopp dargestellt, daß man sich „nachdenksam“, die Liebkosungen eines Fremden gefallen, sich von ihm auf
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