V, Textsammlungen 3, Dämmerseelen. Novellen, Seite 5

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3. Dachderseelen
Jedes Einschlages von irgend etwas, was geheimnis= bergen können, das ihn
777, Literaturbiatt. 77.
geworden war. Und da h
voll erscheinen könnte, aber entbehrt „Das neue Lied“.
hatte sie leise entfernt, und
Freilich ist das unter den fünf Geschichten der „Dämmer¬
und auf den Schrot gestieg
seelen“ die, die ich am liebsten habe. Aber nicht darum,
Ein neues Buch von Arthur Schnitzler.
weil sie nichts enthält, was geheimnisvoll anmutet; denn
lief, und war hinabgesprun
Berlin 1907. S. Fischer. Das Buch enthält auch zwei in der
warum sollte das Geheimnisvolle nicht genau so Gegen¬
Mit einigen zarten St
„Neuen Freien Presse“ erschienene Novellen.
stand der Kunst sein können, wie das, was völlig klar
nur in den Gedanken
vor uns liegt? Nein, sie ist mir darum die liebste, weil
andern, diese Ereignisse und
0) a. Von Max Burckhard.
ich sie eben für die schönste halte. Und sie führt uns zu¬
in des Mädchens Seele
„Dämmerseelen“, so lautet der Titel einer Sammlung
gleich eine Gestalt vor, an der wir, wie sie vor uns aus
haben müssen, bis sich en
von Novellen Arthur Schnitzlers, die eben erschienen ist.
den Wechselreden und Gedanken dreier Menschen empor¬
von Glück, mit dem ihr sti
Solche „Namen“ für ein Buch, das vereinigt, was einer
wächst, so recht des Dichters eigenes Wachstum messen
hätte, als trügerisch erwies.
aus verschiedenen Stimmungen heraus im Laufe von
können. Das ist die Volkssängerin Maria Ladenbauer,
eines Charakters und
genannt die „weiße Amsel“.
Jahren neben größern Werken noch geschrieben hat, be¬
aus spätet. Reden und
reiten manchmal schwere Sorgen. Nicht dem Dichter, der
zeigt sich uns Schnitzlers
Mit dem „süßen Mädel“ hat ja Schnitzler an¬
leicht ein leichtes Band findet, das er um den Strauß
endung. Und wie verste
gefangen. Und für manche, die nicht sehen wollen und
von Blüten schlingt, die er nun zusammenrafst. Auch
jedem Dichter gerne eine bestimmte Aufgabe andichten, Strichen Figuren zu zeichn
nicht dem Leser, der sich einfach an dem Schönen freut,
mit der sie ihn ein für allemal abgetan haben möchten, vor uns stehen.
das ihm geboten wird. Wohl aber dem klugen Rechen¬
Da ist zum Beispiel
sitzt er noch immer kosend bei dem „süßen Mädel“. Und
meister, der die Titel zählt und nun auch zu dem Titel,
Breiteneder. Der sagt nur
die Marie hat ja auch als „süßes Mädel“ angefangen
der über dem Ganzen schwebt, eine eigene Geschichte haben
mit der Marie nie ganz re
und war es noch, wie sie sich mit dem Karl Breiteneder
möchte, eine Geschichte, die, weil sie nicht am Anfang und
einmal jung gewesen, aber
eingelassen hat und dann die zwei an schönen Sommertagen
nicht am Schlusse steht, wenigstens als gemeinsamer Saft
Mädeln hab' ich doch nie
lachend Hand in Hand durch Wald und Wiesen gezogen
aus den einzelnen Erzählungen herausrinnen soll. Ja,
immer zu viel auf mich
sind. Und der erste war er ja auch nicht gewesen, der
solch einem klugen Rechenmeister kann es geschehen, daß
mehr zu reden, als ose
Karl, denn da war schon einer gewesen, der früher ihr
er über dem Suchen nach der einen Geschichte, die ihm
dic
Buch über ihn sa
Liebhaber gewesen war, und zu dem sie dann zu Karls
fehlt, die andern verliert, die er hat.
aufgedunsenen Sp## mor
Zeiten immer „Sie" und „Herr“ gesagt hatte. Aber was
uns gebracht werden. Und
So erklärt es sich vielleicht, daß man hören und
ist aus diesem „süßen Mädel“ geworden, als das Leid
lesen konnte, Schnitzler sei mit seinem neuen Buche unter
über sie kam! Als schwere Krankheit sie hinwarf — und
als sie dann erblindete. Und sich nun in den Tagen der
die „Mystiker“ gegangen. Ich meine, wer die Linie vor
daß er sich immer kor#
Trübsal der von ihr fern hielt, der mit ihr so viele
Augen behält, in der Schnitzlers Entwicklung sich bisher,
eine Zigarre gibt, und de
Stunden des Glücks und der Freude verbracht hatte.
frei aussteigend, bewegt hat, kann auf solch einen Ge¬
stets mit halb geschlossenen
anderweitig versagt bin.“
danken überhaupt schwer kommen. Bringen einen aber der
Nicht aus Schlechtigkeit war er ausgeblieben. Ach
Und dann natürlich
geheimnißvoll klingende Gesamtiitel und der Inhalt der nein. So sind wir Menschen ja gar nicht. Wir haben
helfen, das Garn seiner
einen oder der andern Erzählung darauf, so müßte er meist nur so ein weiches Herz, daß wir die fliehen
doch hieran gleich wieder durch die Form irre werden, die
Coupletdichter Rebay, der
müssen, die ein schmerzliches Schicksal getroffen hat. Und
der Dichter seinem Stoff gegeben hat. Das einemal spricht
dann war der Tag gekommen, wo sie wieder in dem
geworden ist, gar nichts
kleinen Wirtshausgarten das Podium hatte besteigen und
er mit so düsterm Ernst, daß dieser Ernst allein fast
Stimme nur noch schöner
grotesk wirkt, umsomehr, da der Erzähler nicht einen
ihre Lieder hatte singen können. Und eines, das von
gekannt hat, die blind gen
Augenblick mit einer Wimper zuct und auch dort, wo er
ihrer Erblindung handelte, das war eigens für sie
hat, und der sich jetzt im
in tragische Begebenheiten skurrile Züge mischt, nicht durch
„gedichtet" worden. Zuerst hatte sie wie einstens gesungen:
das Ganze nichts kann —
die leifeste Bewegung die schaurige Starrheit seiner
„Heut' geh' ich mit mein' Schatz aufs Land“ und dann
gar nicht entschuldig
Mienen löst oder mildert. So in der „Weissagung“. Das
war das „neue Lied“ gekommen, worin sie klagt, daß
während sie krank war,
anderemal aber sitzt dem Dichter ganz offenbar der Schalk
Glück und Liebe ihr jetzt so fern sind. Und ihren Schatz,
hat, ihr bei ihrem Wied¬
im Nacken, und je ernstere Miene jener macht, desto heller
den Karl, hatte ein Zufall auch unter die Zuhörer
gesagt hat: „Der Herr Br
lacht diesem das Gesicht — und uns mit ihm. Mögen
gebracht, und danach, da waren sie alle beisammen¬
Latern' ist er gestanden
wir nun den Schalk schon vom ersten Augenblicke an ge¬
gesessen, wie einst, und wenn sie jetzt auch zu ihm „Sie“
halten.“
wahren, wie in „Andreas Thameyers letztem Brief“ oder
und „Herr“ gesagt hatte, so hatte sie doch, wie sie
Was die Werke Schn
ihn erst zum Schlusse hinter dem Dichter emporsteigen
neben ihm saß, einmal leicht seine Hand berührt und am meisten vielleicht sein.
sehen, wie in der „Fremden“ und dem „Schicksal des gestreichelt, und er, er hätte ihr so gern etwas Liebes und Kunst, mit der er ein ganz
Freiherrn v. Leisenbohg“.
Tröstendes gesagt, aber er hatte das Grauen nicht ver¬ Stimmung aufzubguen u