V, Textsammlungen 3, Dämmerseelen. Novellen, Seite 9

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Dachherseelen
Telephon 12801.
Mnste Beerstnnn
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I, österr. behördi. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
□ in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
E hagen, London, Niadrid, Mailand, Minncapolis. New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(aueliehangabe ohne Gewähr,
* Aussohnift,
Währisch-, Schlosischer

·.MR 1.1907
Corrospokdont, Brann
E vom:
Vom Büchermarkte.
(Arthur Schnitzler „Dämmerseelen“.) Novellen.
Berlin 19
— Wenn man genauer hin¬
horchte, konnte man schon in einigen der letzten
Stücke Schnitzlers — man denke an „Die Frau mit
dem Dolche“ und den „Tapferen Cassian“ — mystische
Untertöne mitschwingen hören. Töne aus einer über¬
fnnlichen Region, zu melodischen Akkorden vereint,
dominieren in diesen fünf Novellen, die uns deutlich
zeigen, in welchen Gedankenkreisen das gegenwärtige
Schaffen des Wiener Meisters sich bewegte. Dämo¬
nische Motive sind in wienerische und tirolische Ge¬
genden hinein versetzt. Eine ganz eigenartige, spirle¬
erische Grazie offenbart sich hier, ein leichtes, amü¬
santes Getändel mit menschlichen Schicksalen, ein
verblüffendes Fangballspiel mit Menschen und
Lannen. Und Mensch und Landschaft ergänzen ein¬
ander doch so reizvoll. Liest man zum Beispiel „Das
neue Lied“, die wagemutigste dieser Novellen, dann
glaubt man die würzige Luft des Kahl###ges ein¬
Zzuatmen, sieht die rebenbekränzten Hüt ings um
Wien, hört ein Schrammelquartett seine lustigen
Weisen spielen und lebt ein Stückchen Vorstadtro¬
mantik mit. Aus dem seltsam=vertranten Geiste der

lten Kaiserstadt an der Donau scheinen diese wun¬
Hersamen Novellen geboren und sie muten wie die
Meize Wiens selbst wie liebliche Pastellbilder an.
F.
G w esch. vener—.
———
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
2 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
Nagen, London, Madrid, Mailand, Minnespolls, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
Kuellesangabe ehne Oevahr.
Ausschnitt aus:
annoverscher Courier
□NR1 190
vom
comsc ist.
Gern wird man den Novellen, die Arthur Schnitz¬
ler unter dem Titel „Dän merseelen##

seine Aufmerksamkeit zuwenden. Nicht, als ob sie alle Meister¬
werke wären. Sie sind es, das erste Stück „Das Schicksal des
Freiherrn von Leisenbogh“ ausgenommen, nicht, aber sie sind
alle in so vornehmem, anregendem Ton erzählt, daß sie den
gebildeten Leser sofort festzuhalten wissen. In den meisten
der Novellen treibt irgend ein Geheimnis, ein mystisches Ver¬
hängnis, ein verderblicher Aberglaube sein Spiel. Sehr ernst
ist es Schnitzler mit diesen okkulten Feagen freilich nicht
ewesen. Seine Mystik ist oft nichts anderes als eine Mesti¬
'fikation, und selbst der zweiten Novelle, die ganz auf der
Basis okkulter Zusammenhänge sieht, ist durch die Häufung
der Wunderlichkeiten am Schlusse eigentlich die Spitze abge¬
brochen; ernst kann man sie kaum mehr nehmen. Auf Aus¬
heute an tieferen Erkenntnissen darf man daher bei Schnitz¬
ler nicht rechnen. Er ist anspruchslos, will unterhalten, nur
unterhalten, und es wird ihm niemand abstreiten wollen, daß
er dies Ziel in geschmackvollster Weise verfole und es auch
erreicht.
Telephon 12601.
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Se Snmn
Sen

□ l. österr. behürdl. konz. Uetergehmen für Zeitungs-Aesschmitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
2
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minncapolis, New-Vo. K,
0 Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Oeellenangabe ohne Gewahr.
& Ausschnittaüfgg lanzeiger fr Hamburg-Altona
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Harebig#
E vom: 7· APR1907
Gette 19
Dämmerseelen.
Novellen von Arthur Schninler
S. Fischer, Verlag, Berlin.
Ein seltsames Buch, ganz aus der Stimmung geboren, die der
Wiener Dichter auch in seinen letzten Dramen vom Gegenständ¬
lichen zum Uebersinnlichen treibt. Der nicht den klaren, heller
Tag liebt, sondern sich grüblerisch hinter die dunklen Vorhäng
mystischer Reflexionen zurückzieht und dort geheimnisvollen Rätsel
nachsinnt. An solchen Retseln gehen die passiven Helden diese
Novelenzyklus zugri## Irgendein Unnennbares, aus
schnurten Tiefe der heimnisvollen Stammendes, dringt jä
auf sie ein, packt sie und wirft sie um so sicherer von de¬
Lebensbühne, weil sie alle — Duldernaturen, keine Krastmenschen —
sich dem zerpressenden Druck des finsteren Geschickes nicht zu
entziehen vermögen. Schnitzler vartiert hier in einer leise tastenden
Diktion und einer kühl-nervösen Ausdrucksform die an Jakob
Wassermanns letzte, gespenstische Novellenphantasien mahnt, in
Grunde gewiß nur sein altes Lieblingsmotiv, das die Zusammen¬
hänge zwischen Tod und Loben deutlicher aufhellen möchte. Aber
seine Schilderungswege begleiten hier nicht die Hinterbliebenen über
ihre durch das Ableben eines teuren Menschen verwirrten ferneren
Lebensschritte. Der Sterbende selbst ist das Objekt, dessen letzte
Schicksale die Hand dieses versonnenen Seelenarztes jetzt seziert.
Dessen Daseinsschluß er nicht als spontanes, aber wohlbegreifliches
Ereignis betrachtet wissen möchte, sondern als letztes Glied an
einer umfangreichen, von geheimnisvollen Mächter geschmiedeten
Kette.
tsonderbar, daß gerade dieser Mediziner — Artur
Schnitzler kommt ja aus diesem so skeptischen Berufe — der mo¬
dischen Auffassung von der Absurdität des Todes, der Auffassung,
die zum Tode wie zum Tanze schreiten läßt, nicht geneigt
ist. Daß er vielmehr den Todesgeist mit Ehrfurcht als etwas Ueber¬
lebens roßes Gewaltiges grüßt, wie die Alten es taten.
Dienas Bild des Nicht=Ausweichenkönnens — man sieht es beim
Lesen förmlich fiziert vor sich, wie eine schwarz gekleidete, ernste
Gestait mit bissen Zügen einem Menschen still nachschreitet, un¬
entwegt und ohne von seiner Spur zu weichen: dieses Bil wird
in der Novelle „Die Weissagung“ am deutlichsten gegeben. Ein
junger Leutnant hat da in einem jüdischen Chiromanten den Ver¬
künder seines Schicksals erlebt. Besser den Verkünder einer Szene
seines Schicksals. Der Jude hat vorher mit seinen mystischen
Manövern, die sichtlich mehr sind, als Alfanzereien, das ganze
Offizierskasino rebellisch gemacht. Dann steht er mit dem kleinen
Offizier im schwarzen Kasernenhof, und in der Abenkäuft prägt
sich vor den Augen des Jünglings ein Bild aus, das ein Motiv
seiner Zukunft darstellt. Der junge Aristokrat will diesem End¬
punkt seines Lebens aus dem Wege geyen. Aber sein Mühen ist
zweckws. Und man folgt mit erregten Sinnen, die gern das
Abstrakte, Irregale leugnen möchten und sich doch dieser starken
Schilderungskunst ergeben müssen, den eifervollen Bestrebungen
des Erzählungshelden, sein Schicksal selbst zu machen: den Griffen,
mit welchen ihn die Norne immer wieder auf die Linie der
vorgeschriebenen Bahn zurückreißt, zu entrinnen. Bis er — in¬
mitten einer leichten, Feserlschaftlichen Veranstaltung — da endet,
wo er sich einst, unter dem Einflusse jenes Zaulerers, enden
sah. In jener Situation, die ihm die Zeremonie des Zauberers
zeigte
Die Wirkungen solcher naturgemäß mehr artistischen als un¬
mittelbar künstlerischen Erzählungsversuche steigert Schnitzler gern,
indem er der tragisch-transzendentalen Pointe einen grotesken
Ausklang anheftet, der aber die Wucht dieser satalistischen Welt¬
anschauung niemals schmälert, sie im Gegenteil noch grausamer,
brutaler, entsetzlicher erscheinen läßt. Da zeigt die kleine Epi¬
sode „Die Fremde“ einen armen Burschen, der sein geistiges, see¬
lisches und materielles Ich der Neigung zu einer halbirren, sosönen
Frau opfert — man denkt an Katharina aus des Dichters letztem
Drama „Der Ruf des Lebens“ —
und der, bevor er ruiniert zur
Pistole greift, ihr mit den Resten seiner Habe den Bronzeabguß
eines Standbildes kauft, vor dessen Original er sie verzückt vor
kurzer Zeit gefunden hat. Und neben dieser beklagenswerten Ma¬