V, Textsammlungen 3, Dämmerseelen. Novellen, Seite 10

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3. Dachnerseelen
Telephon 12801.
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D l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Fopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Kom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
VOnallenangete ohne Gewänr.)

Ausschnitt aus:
Leipziger Abendzeitung, Leipzig
55
3 4 1907
E vom:
gleichen Veglag ist erschienen: Dämmerseelen,
Novellen von Artä#¬
Artur Schnitzler
t schne eigene Kunst und icht feder mag sie gomtieren.
Aber das Publikum, für das er diese neuen Sachen ge¬
schriebs hat, wird sie gerne lesen und seines Lieblings
neuestess Werk freundlich aufnehmen. Die erste Novolle:
Das
hick
des Freiherrn von Leisen¬
bößg,dist typisch für den ganzen Mann: Ich meine
Schnitzler und seine Welt: Die Untreue des Weibes,
charakterlose Männer und drum herum ein bißchen Welt
und eine starke Dosis Sentimentalität. In der zweiten:
Weissagung, feiert der Aberglaube und der
Möstizismus fröhliche Orgien. Es wird niemand ein¬
faslen wollen, das unsichtbare Walten geheimnisvoller
Kräfte zu leugnen, aher #ier ist denn doch des Guten
etwas zu viel getan. Ein ganz verrücktes Ding ist die
letzte Geschichie: Andreas Thamevers letzter
Brief. Er fängt folgendermaßen an: Keineswegs kann
ich weiterleben. Denn so lange ich lebe, würden die
Leute höhnen, und niemand sähe die Wahrheit ein. Die
Wahrheit aber ist, daß mir meine Frau treu war. Ich
schwöre es bei allem, was mir heilig ist, und ich besiegle
es durch meinen Tod.
Schnitzlers Weiber sind
hysterische oder pathologische oder sonstige Frauenzimmer
und seine Männer degenerierte Waschlappen. Das ist.
feine Welt. K
st auch eine Welt. Es muß eben
auch solche Käuze geben.
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Telephon 12801.
P Mnmm HreTrSsnnune
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
E hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
2 Ausschnitt aus:
E. 4. :907 St. Petershurgar 7-itumne
& Hrtbur Schnitzlere
Neuer Novellenband.
Es gibt Schriftsteller — man kann in diesem Falle
ogar „Geister“ sagen —, denen es an Biegsamkeit fehlt.
Alles andere ist vorhanden: der lebhafte Wunsch, die
tarke Veranlagung, — aber was die Elastizität an¬
betrifft, da hapert's. Sind es sonst nur Gewaltmen¬
ichen, die, obwohl an ihr Ich gebannt, Dissonanzen zu
überwinden, ihrer Unbefriedigtheit immer neuen Aus¬
druck, eine metallen klingende Stimme zu geben wissen,
so dringen sie durch. „Wahre Prinzen aus Genie¬
lanb“ pflegen daher auf die andern, die Hilflosen, im
Vollgefühl ihrer überlegenen Kraft, höhnisch herabzu¬
blicken. In der Verworrenheit jener anderen wohnt
aber nicht jauchzendes elastisches Leben genug, damit
aus ihren wilden Wünschen eine Welt entstehen könne.
Dies ist der Unterschied zwischen einem Hebbel oder
Dostojewski und analogen gärenden Talenten, deren
Heimlichkeiten und Begabungen sich nicht zu einem
sprachlichen Erzeugnis von suggestiver Gewalt krystalli¬
sieren können. Das Publikum weiß gewöhnlich von
solchen Unglücklichen nichts, oder ahnt zum mindesten
nicht ihre Seelenqualen, während es begeistert einer
dritten Gattung nachläuft: den Oberflächlichen, die
mühelos gebären, den Routiniers, den Künstlern der
guten Stube, die eben nur die Leichtflüssigkeit, die jour¬
nalistisch geschulte leichte Hand ihr eigen nennen; —
den Banalen.
Am glücklichsten unter den Autoren sind aber ohne
Zweifel diejenigen, die ein schönes, mit Maß tiefes,
bis zu einem gewissen Grade reiches Talent mi einer
virtuosen Technik verbinden. Zu allen Zeiten hat es
soiche nicht eben in das Bereich des Genialischen ragende,
aber Ignadete Menschen gegeben; unter den heutigen
weiß h niemand glücklicher zu preisen, als den Wiener
Dichter Arthur Schnitzler. Man verstehe mich:
interessant sein und ein gutes Gewissen haben, dem
Publikum und der Kritik zum Vergnügen gereichen,
ja, kann's denn was Schöneres geben? — Wahrlich,
ihm muß ich den goldenen Apfel reichen.
Von drei Namen, die man mit Vorliebe zusammen¬
bringt, — die beiden andern sind Maupassant und
Tschechow — ist Schnitzler nicht der am stärksten leuch¬
tende. Maupassant ziert schon beinahe das Diadem
der Unsterblichkeit; Tschechow, an technischem Raffine¬
ment hinter dem Franzosen und Deutschen zurückstehend,
übertrifft sie an Herzlichkeit und Ursprünglichkeit. Jnl
Arthur Schnitzler kreuzen sich etliche alte Kulturen: ers#
ist Jude, Wiener, deutscher Dichter, Medicus practicus!
und noch einiges weniger Erklärliche, — sicher durch
Feuer, Wasser und kupferne Röhren gegangen. Dann#
ist er der einzige von den Dreien, der unter uns weilt.
Ab und zu denke ich, wenn ich Arthur Schnitzler lese,
an die klugen, weltmännischen französischen Schrift¬
steller des 18. Jahrhunderts: an Crébillon den Jüngern
zumal, der vor 150 Jahren von den Verirrungen des
Herzens und des Geistes und von seltsamen Sofas sprach!
und dessen Narien leider kein Heldenbuch nennt. Vor
diesem Crébillon, dem ich übr gens nur nachsagen kann,
daß er ein ganz außergewöhnlicher Menschen= und ins¬
besondere Frauenkenner war und daß ohne ihn Herr
Schnitzler gewissermaßen nicht existieren würde, hat
unser Dichter eins voraus: Gemüt. Auch er erzählt
etwa in derselben ansprechenden, graziösen, reifen Weise,
auch etwas unlprisch, ein wenig trocken. Aber Wiener
Blut pulsiert hier, Wiener Duft liegt auf diesen Seiten.
Sicher ist Schnitzler der markanteste und zugleich für:
die Leute draußen im Reich und überall bedeutsamste,
der universalste Wiener Schriftsteller. Hugo von Hof¬
literarisch“,