mnerseelen box 35/7
3. Daem!
„Die ängstliche Dodo“ ist sozusagen ein zu ge¬
un verknüpft mit den geheimnisvollen Beziehun= Ruhe plaudert er diese Affären wohlerzogen..
schmackvolles Buch. Sie zeigt eine derart de¬
en der Menschen zu einander, die, ohne es zuMenschen aus, die alle viel zu korrekt für eine
stillierte Kultur, daß ihr beim Raffinieren auch
Leidenschaft sind Er hat den schönen Gleichmut
vollen oder auch nur zu wissen, Schicksale ent¬
jede Leidenschaft, jede Kraft vorher ausgepreßt
des Erzählers, der sich Zeit läßt, weil er weiß,
cheiden.
ward. Rosa, nicht blutrot.... Vollblütigkeit ist
Das schlägt ein bißchen ins Uebersinnliche hin= daß man ihm zuhört. Es ist etwas Suggestives
überhaupt keine Krankheit unserer Wiener Dich¬
ber — ein Gebiet, das auch die Novelle „Die in seiner Sicherheit, freilich auch einige Selbstge¬
ter. Doch tut man wohl, von jedem Baume
fälligkeit, die empfindlichere Geüter hie und da
Fremde betritt, und das in der letzten Erzählung
seine Früchte zu verlangen. (Es ist das Wesen
verletzt. Wie man sich in der Gesellschaft verlobt
mit feiner Lustigkeit wieder mit dem Realen ver¬
der „scharfen“ Kritik, triumphierend festzustellen,
oder — noch lieber — wie man dort Verlobungen
inigt wird. Allein der Zufall ist für den Mystiker
daß der Kirschbaum keine Ananas trägt.) Und da
Schnitzler kein plumper Geselle er ist vielmehr ausweicht, schildert er mit viel Witz und ebenso¬
darf man wohl sagen daß unsere Bäume tadellos
in unbekannter Gott, dessen Fäden unsere Augen viel Behagen. Als rechter Feuilletonist pflückt er
gepflegt sind und wohlschmeckende Früchte tragen.
dabei alle Einfälle und Pointen und putzt damit
nicht zu sehen, bloß zu ahnen vermögen. Solche
Schnitzler wurzelt tiefer und reicht höher, Auern¬
seine Novellen auf. Nur in einer Erzählung,
unkle Dinge fließen vor uns in einem durch¬
heimers Blätter sind zierlicher zurechtgeschnitten.
„dem Abenteuer der Unterlehrerin“ wird er
sichtigen, reinen Stil vorüber — in ein fremdes
ganz schlicht, und da merkt man auf einmal, daß Nug=sind die Früchte dieser Ernte auf den Markt
Pand. Aber es tut wohl, die Hand eines Dichters
der lächelnde Amüseur auch ein Dichter ist. Einl gekommen, möge sich Publikus daran delektieren.
u spüren, der uns von plumper Tatsächlichkeit
Dr. Ludwig Bauer.
Nichts — bei einer alten Jungfer ist Einquartie¬
fortführt in das Reich der Phantasie, allwo es
rung — wird plötzlich sehr bedeutend, denn das
—
wunderbare Einwirkungen, Verknüpfungen und
Fenster einer armen Seele tut sich auf, ihre lächgt¬
Beziehungen gibt. Zufall ist ja schließlich bloß
liche, rührende, verratene Sehnsucht greift ans
in Verlegenheitswort. Neben seiner anonymen
Herz. Und dann wird man wohl aufmerksamer,
Gewalt macht sich der Mensch besonders winzig.
sieht auch bei den anderen Erzählungen genauer
Schnitzler wird nicht müde, dies Mißverhältnis
hin und bemerkt erstaunt, daß der Dichter überall
ronisch auszudeuten. Die Sachlichkeit, mit der
zu finden ist, nur hinter einer koketten Anmut
r solche von einem Schicksal befallene Existenzen
versteckt. Es fällt ihm ganz ungewöhnlich viel
erfaßt, hat einen wissenschaftlichen Ernst, der mit
ein, er beobachtet intensiv und er hat eine glück¬
der Phantastik jener Vorgänge reizvoll kon¬
liche Unmittelbarkeit der Anschauung, die ihm
strastiert. Ebenso ist die Hilflosigkeit dieser ver¬
Vergleiche gibt, die ins Schwarze treffen. Nur
ratenen, sehnsüchtigen Menschen ein Lieblings¬
— die Welt, die er sieht, ist klein ihre Gefühle
motiv des Dichters. Sie werden von den Frauen,
winzig, und sie leidet daran, daß sie sich sehr
für die sie allein existieren, pünktlich verlassen —
wichtig nimmt. Diesen Respekt teilt auch ihr
die anderen, die nichts opfern, die sie nicht lieben,
Dichter. Sicher plaudert er charmant — aber
sind eben deshalb die Stärkeren. Das Thema
das sind eben seine zwei Gebrechen, daß er bloß
wird immer wieder variiert. Man denke an des
plaudert und daß er es immer weiß, wie
Freiherrn v. Leisenbohg sonderbares Schicksal.
charmant er plaudert. Er regt sich nicht auf. Das
Ohne es zu wissen, sterben jene Männer immer
wäre wohl auch unschicklich. ... Er hat, das merkt
zu Gunsten ihrer Nebenbuhler.
man an allen seinen sorgsam gearbeiteten No¬
Von irgendwelchen transzendentalen Gedanken
vellen und auch an seinen Feuilletons — die
ist Raoul Auernheimer auch in seiner
Grenzen sind da kaum merklich —, außerordent¬
neuesten Novellensammlung*) sehr weit entfernt.
lich viel Gefühl für Form, sehr geringes Urteil
Er steht immer in dieser Welt, und zwar nicht
für Inhalt. Das „Wie“ ist raffiniert, das „Was“
dort, wo sie tief, nicht dort, wo sie hoch, sondern
meist kaum der Rede wert. Auch darin repräsen¬
dort, wo sie amüsant ist. Da führt er denn einige
tiert der begabteste Schriftsteller der „Gesell¬
mondäne Anekdoten mit tadellos sitzenden Pointen
schaft“ diese selbst. Mit Recht ist er bei ihr so
vor; seine Novellistik ist augenblicklick die best an¬
beliebt. Denn er hat es für sie aufgegeben, ein
gezogene in deutschen Landen. Mit lächelnder
Dichter zu sein. Wobei er auch geliebt würde.
Womit kann man den Ruhm abkaufen? Mit
„Die ängstliche Dodo.“ Verlag von Egon
Popularität,
Fleischel & Co., Berlin, 1907.
3. Daem!
„Die ängstliche Dodo“ ist sozusagen ein zu ge¬
un verknüpft mit den geheimnisvollen Beziehun= Ruhe plaudert er diese Affären wohlerzogen..
schmackvolles Buch. Sie zeigt eine derart de¬
en der Menschen zu einander, die, ohne es zuMenschen aus, die alle viel zu korrekt für eine
stillierte Kultur, daß ihr beim Raffinieren auch
Leidenschaft sind Er hat den schönen Gleichmut
vollen oder auch nur zu wissen, Schicksale ent¬
jede Leidenschaft, jede Kraft vorher ausgepreßt
des Erzählers, der sich Zeit läßt, weil er weiß,
cheiden.
ward. Rosa, nicht blutrot.... Vollblütigkeit ist
Das schlägt ein bißchen ins Uebersinnliche hin= daß man ihm zuhört. Es ist etwas Suggestives
überhaupt keine Krankheit unserer Wiener Dich¬
ber — ein Gebiet, das auch die Novelle „Die in seiner Sicherheit, freilich auch einige Selbstge¬
ter. Doch tut man wohl, von jedem Baume
fälligkeit, die empfindlichere Geüter hie und da
Fremde betritt, und das in der letzten Erzählung
seine Früchte zu verlangen. (Es ist das Wesen
verletzt. Wie man sich in der Gesellschaft verlobt
mit feiner Lustigkeit wieder mit dem Realen ver¬
der „scharfen“ Kritik, triumphierend festzustellen,
oder — noch lieber — wie man dort Verlobungen
inigt wird. Allein der Zufall ist für den Mystiker
daß der Kirschbaum keine Ananas trägt.) Und da
Schnitzler kein plumper Geselle er ist vielmehr ausweicht, schildert er mit viel Witz und ebenso¬
darf man wohl sagen daß unsere Bäume tadellos
in unbekannter Gott, dessen Fäden unsere Augen viel Behagen. Als rechter Feuilletonist pflückt er
gepflegt sind und wohlschmeckende Früchte tragen.
dabei alle Einfälle und Pointen und putzt damit
nicht zu sehen, bloß zu ahnen vermögen. Solche
Schnitzler wurzelt tiefer und reicht höher, Auern¬
seine Novellen auf. Nur in einer Erzählung,
unkle Dinge fließen vor uns in einem durch¬
heimers Blätter sind zierlicher zurechtgeschnitten.
„dem Abenteuer der Unterlehrerin“ wird er
sichtigen, reinen Stil vorüber — in ein fremdes
ganz schlicht, und da merkt man auf einmal, daß Nug=sind die Früchte dieser Ernte auf den Markt
Pand. Aber es tut wohl, die Hand eines Dichters
der lächelnde Amüseur auch ein Dichter ist. Einl gekommen, möge sich Publikus daran delektieren.
u spüren, der uns von plumper Tatsächlichkeit
Dr. Ludwig Bauer.
Nichts — bei einer alten Jungfer ist Einquartie¬
fortführt in das Reich der Phantasie, allwo es
rung — wird plötzlich sehr bedeutend, denn das
—
wunderbare Einwirkungen, Verknüpfungen und
Fenster einer armen Seele tut sich auf, ihre lächgt¬
Beziehungen gibt. Zufall ist ja schließlich bloß
liche, rührende, verratene Sehnsucht greift ans
in Verlegenheitswort. Neben seiner anonymen
Herz. Und dann wird man wohl aufmerksamer,
Gewalt macht sich der Mensch besonders winzig.
sieht auch bei den anderen Erzählungen genauer
Schnitzler wird nicht müde, dies Mißverhältnis
hin und bemerkt erstaunt, daß der Dichter überall
ronisch auszudeuten. Die Sachlichkeit, mit der
zu finden ist, nur hinter einer koketten Anmut
r solche von einem Schicksal befallene Existenzen
versteckt. Es fällt ihm ganz ungewöhnlich viel
erfaßt, hat einen wissenschaftlichen Ernst, der mit
ein, er beobachtet intensiv und er hat eine glück¬
der Phantastik jener Vorgänge reizvoll kon¬
liche Unmittelbarkeit der Anschauung, die ihm
strastiert. Ebenso ist die Hilflosigkeit dieser ver¬
Vergleiche gibt, die ins Schwarze treffen. Nur
ratenen, sehnsüchtigen Menschen ein Lieblings¬
— die Welt, die er sieht, ist klein ihre Gefühle
motiv des Dichters. Sie werden von den Frauen,
winzig, und sie leidet daran, daß sie sich sehr
für die sie allein existieren, pünktlich verlassen —
wichtig nimmt. Diesen Respekt teilt auch ihr
die anderen, die nichts opfern, die sie nicht lieben,
Dichter. Sicher plaudert er charmant — aber
sind eben deshalb die Stärkeren. Das Thema
das sind eben seine zwei Gebrechen, daß er bloß
wird immer wieder variiert. Man denke an des
plaudert und daß er es immer weiß, wie
Freiherrn v. Leisenbohg sonderbares Schicksal.
charmant er plaudert. Er regt sich nicht auf. Das
Ohne es zu wissen, sterben jene Männer immer
wäre wohl auch unschicklich. ... Er hat, das merkt
zu Gunsten ihrer Nebenbuhler.
man an allen seinen sorgsam gearbeiteten No¬
Von irgendwelchen transzendentalen Gedanken
vellen und auch an seinen Feuilletons — die
ist Raoul Auernheimer auch in seiner
Grenzen sind da kaum merklich —, außerordent¬
neuesten Novellensammlung*) sehr weit entfernt.
lich viel Gefühl für Form, sehr geringes Urteil
Er steht immer in dieser Welt, und zwar nicht
für Inhalt. Das „Wie“ ist raffiniert, das „Was“
dort, wo sie tief, nicht dort, wo sie hoch, sondern
meist kaum der Rede wert. Auch darin repräsen¬
dort, wo sie amüsant ist. Da führt er denn einige
tiert der begabteste Schriftsteller der „Gesell¬
mondäne Anekdoten mit tadellos sitzenden Pointen
schaft“ diese selbst. Mit Recht ist er bei ihr so
vor; seine Novellistik ist augenblicklick die best an¬
beliebt. Denn er hat es für sie aufgegeben, ein
gezogene in deutschen Landen. Mit lächelnder
Dichter zu sein. Wobei er auch geliebt würde.
Womit kann man den Ruhm abkaufen? Mit
„Die ängstliche Dodo.“ Verlag von Egon
Popularität,
Fleischel & Co., Berlin, 1907.