V, Textsammlungen 3, Dämmerseelen. Novellen, Seite 42

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3. esSeelen
beesrsess2 Neues vom Büchertisch. B8888884 489
oder minder den Charakter interessanter
werdenden Melodien von Euryante und

Feuilletons tragen, u. a. der „Bergsturz“
Oberon tönten, der eine gewisse poetische
und „Eine Katastrophe“ hervor. Hier würde
Begabung hatte und in einer von mächtigen
selbst eine minder lebendige Darstellung uns
künstlerischen Eindrücken bewegten Umgebung
zu fesseln vermögen. Feiner und glänzender
aufgewachsen war, widmete sich nicht wie
noch offenbart sich das Schilderungsvermö¬
sein Bruder der Kunst, noch schlug er die
gen des warm empfindenden Mannes in der
übliche juristische Laufbahn ein, sondern warf
„Kurierfahrt von Paris nach London“ aus
sich begeistert auf das Eisenbahnwesen zu
dem Jahre 1855. Da ist eigen Geschautes
einer Zeit, da es in Deutschland noch fast
#farbensatt wiedergegeben, besonders in den
GLLI
wenigen Sätzen über die Seefahrt. Neben¬
bei will ich noch bemerken, daß mein Laien¬
verstand sich baß wunderte, daß schon da¬
mals, vor mehr als 50 Jahren, diese Kuriere
die deutsche Meile in acht Minuten fuhren.
Warum sind wir dann heut so stolz?
Von den übrigen Skizzen erwähne ich:
„Eine Brücke in 18 Tagen“, „Im Hause
Robert Stephensons“, „Eine Winternacht auf
der Lokomotive“ „Sturm auf den Schienen“.
„Eine Monstreleistung der Maschinenindu¬
strie“ — nicht, um gerade diese Feuilletons
besonders hervorzuheben, sondern damit sich
der Leser nach ihren Titeln einen Begriff
von dem Inhalt des Werkes machen kann.
Es wäre nicht übel, wenn wir dieses Buch
aus der Welt der Arbeit in die Hände un¬
serer Knaben legten.
Nur vermittels eines Wortwitzes der
mit dem Begriff „Techniker“ spielt, könnte
man von Mar Eyth und Max Maria von
Weber eine Brücke zu Arthur Schnitzler
schlagen, dem eleganten, überlegenen Wiener,
der alle Mittel der Kunst sicher beherrscht.
„Dämmerseelen“ heißt sein neues No¬
vellenbuch (Berlin, S. Fischer). Es inter¬
wer hätte anderes erwartet?
essiert stark
Es läßt am Ende etwas leer — wen er¬
staunt das? Arthur Schnitzler ist ja nie der
Mann des vollen Herzens gewesen. Immer
nur ein kluger, feiner, rechnender Künstler.
Die reinen tumben Toren, die blutechten
Poeten erscheinen neben ihm leicht täppisch
und ungelenk. Sie haben Liebe oder Haß
oder draufgehenden Zorn, wo Schnitzler ein
fein ironisches Lächeln, ein Zucken der Mund¬
winkel, eine elegante Handbewegung hat.
Er balanciert mit einer Sicherheit, die man
ganz gewiß auch nicht unterschätzen soll, auf
schmalem Grat, und man weiß niemals recht
bei ihm, wo die Kunst aufhört und das
Raffinement anfängt. Er ist halt ein Kul¬
tur= und kein Naturdichter. Ein typischer
Wiener. Nicht so fein wie Hofmannsthal;
noch weniger ein kalter Macher wie Felir
Salten, etwa in der Mitte zwischen beiden
stehend: ein kluger, leise ironischer Künstler.
Aber so lange noch Natur und Herz den
Dichter machen und nicht Kultur und Kopf,
so lange soll mir auch keiner vorreden, daß
diese jungwiener Schule irgendwie einen
echten Gewinn für unsere Dichtung abwerfen
könnte. Unter der ganzen Jugend der
Kaiserstadt an der Donau sind nur zwei echte
„Naturen“: die Baronin Handel=Mazzetti,
die „Jesse und Maria“ schrieb, und Karl
Ginzkey, der Lyriker .
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