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besänne TteFkE
lusschnitt ause liner Deesen Zeitung, Berlin
24. MAl 191Borgasaiusgabe
rom:
Im Verlag von S. Fischer, hier, ist die erste
Werke“ von
Abteilung d
r „Gesammelten
Nutte Siumfaßt die er¬
zählenden Schriften. Schnitzler ist nicht ein Dra¬
matiker, der nebenbei Novellen schreibt; oder ein
Erzähler, der dann und wann ein Drama verfaßt;
sonbern der Dramatiker und der Erzähler in ihm
halten sich im gleichen Rang, sowohl was den Wert
als was die Fruchtbarkeit der Produktion anlangt.
Der Grundklang fast aller Erzählungen Schnitzlers
ist Liebe; er ist ein Frauenlob der viel Böses
von den Frauen weiß. Keiner hat wie Schnitzler
das Lied von der Untreue der Frau gesungen, von
der plumpen, verräterischen Untreue und von der
zarten, selbstzerstörerischen, die nur eine reinere Treue
sucht als die bürgerliche. Soziale Themen klangen
nur gelegentlich in seinen Erzählungen an, bis sie
nun im „Weg ins Freie“, die Macht erlangten und
Libeggeschichten zu einem großen Gesellschaffsgemälde.
des heutigen Wiens erweilerten und vertieften.
Ausschnitt auß:
han
Leiziger Neueste Nachris
vom:
ZRn
Eiga Wohrbrauf Ceitin.
Schnitzlers Prosa.
Artur Schnitzler: „Erzählende Schriften“. Gesammelte Werke,
Band“
Tscher, Verlin.
Arthur Schnitzlers Prosa stenengleich geschlossenere künst¬
lerische Einheit dar, als der bunt überkuppelte, von mannigfacher Zeit,
mannigsachen Problemen und Menschenbildnissen schimmernde Bau
seiner Dramen. Im Gesamtwerk seiner „Erzählenden Schriften“
die jetzt, um den Fünfziger Schnitzler zu ehren, bei S. Fischer, Berlin,
erschienen sind — ist Band an Band alles aufgereiht, woran sich der
Gefeierte, sern der Bühne, die ihm die stärksten Erfolge schenkte, mit
seinem Können seit mehr als zwei Jahrzehnten versuchte: die leichte,
spielend hingeworfene, zum Schluß scharf pointierte Novellette, deren
Art und Meisterschaft an Maupassaut erinnert, die psychologische
Studie, deren unerbittliche Beobachtung an die besten Russen denken!
läßt, und der breite, vielverschlungene Roman endlich, der ohne jede
literarische Erinnerung Schnitzler den Weg zur vollen dichterischen
Freiheit, zur edelsten künstlerischen Ueberlegenheit wies. Sie alle wer¬
den, stärker als die Dramen, zur Einheit durch einen Schatten, durch
eine Helligkeit: Wien ist in, Wien ist über dieser Prosa, — seine Sonne
und seine Melancholie.
Im Drama überslog er mitunter die Landgrenze. Beatricens
Bologneser Renaissaneebüidnis lockte ihn, im „Grünen Kakadu“ hat er
die Männer, die Frauen, die ## en Damen und Herren der Revolu¬
tion die im ersten grellen Frammenschein die Guillotine erspähen
mochten, in kühner Groteste gezeichnet, dem abenteuerlichen Doktor!
Paracelsus folgte er in das Mittelalter deutscher Städte. Seine Prosa
bleibt in Wien. Die Menschen und das Kolorit. Sie bewegen sich
alle zwischen Stephansturm und Kahlenberg. Ob sich ein stiller, nach¬
denklicher Baron durch allerlei inneren Erlebnis, mitten durch eigene
und fremde Probleme, ja durch miterschaute Rassenkämpfe und somit
durch ein ganzes Panorama des neuen, modernen Wien zu persönlicher
Lebenssicherheit, zu persönlicher Erfahrungsweisheit und Abklärung
durchringt, oder ob er in irgendeiner Skizze von einer kleinen, schein¬
bar belanglosen Episode, von einem Intermezzo erzählt, worin offenbar
ein plumper Zufell, ein Ungefähr der äußeren Handlung ein Ende setzt.
Ueberall steht er am Wegrand, still, nachdenklich und lauscht ... Stu¬
diert die Lebenspassanten ... Manchmal erzählt er dann von einem
breiten, hundertfältig bewegten Gemälde, worauf sich Hauptpersonen
das Leben der
und Statisten vor dem klaren Ende des einen
andern geht immer weiter: stets schildert Schnitzler eigentlich nur, wie
das Leben immer wieder weiter geht — fast zu verwirren drohen:
Manchmal von einem stillen Spinnen und
„Der Weg ins Freie“
Weben von Lebensstimmungen, brennenden Wünschen und dann un¬
Und oft ist's¬
gesprochenem Verzichten: „Frau Berta Garlan“...
auch nur das Leuchten in die krause Seele just eines einzelnen, der ihn
interessiert, wie er so harmlos vor sich her mitten durchs Leben mar¬
Zählt man alle seine Helden einzeln
schiert: „Leutnant Gustl“
auf, — sie alle sind, sie alle bleiben wienerische Menschen. Die einen
mit dem leisen, genießerischen Lächeln, die andern mit der zynischen
Schärfe, alle mit bestimmter Weichheit, bestimmter Lässigkeit, die
meisten ein wenig schwach, irgendwie im Zusammenhang mit der
Stadtkultur, in deren Atem sie großwüchsen, fast alle voll Liebens¬
In den Dra¬
würdigkeit und ein wenig müde, ein wenig blasie:t ...
men trägt manch' Antlitz, das unter fremdem, italienischem, franzö¬
sischem Himmel lächelt oder weint, einen übertragenen Zug, einen ver¬
wehten Hauch von der Donau. Die Gesichter in Schnitzlers Prosa
zeigen nur wienerische Züge. Sie alle machen, daß die Seele Wiens
in dieser Prosa gefangen und geborgen ist.
Die Stadt schimmert aus ihr: mit dämmerigen Stimmungen, mit
den umflorten Straßen, mit den lachenden Auen, die ihre nahen Höhen
kränzen, mit der heimlichen Schwermut, die aus den besten, edelsten
Walzern der Strauß und Lanner klingt. Die Stadt und ihre Menschen
werden zu einer unlösbaren Gesamtheit. Sie haben das gleiche Sich¬
gehenlassen, die gleiche Passivität voll Anmut. Das harmlose und das
tronische Spiel der Menschen mit dem Leben kann nur in dieser Stadt
gespielt werden. Schattierungen sind da, vom Vorstadtmädel, das er
entdeckte, bis zur Dame der großen Gesellschaft, vom Grandseigneur bis
zum Kaffeehauslumpen, der aus dem Heiligsten sich einen gemütlichen,
herzlosen Spaß macht. Dennoch sind alle aufs engste verwandt, durch
Zunge, Haltung, Atmosphäre: Wiener
Schnitzlers Kraft kommt hinzu, um sie über das Lokale weit empor¬
zuheben. Es ist mir ein bestimmtes, national angefärbtes Gewand,
in dem seine Menschen einherschreiten. Ihren Inhalt trägt der Dichter
kühn ins Menschliche hinauf, das alle bindet, alle angeht. Er hat zwei
Melodien, die nordwärts und südwärts von Wien nicht anders klingen,
als an der Donau, zwei Melodien, die überall locken und betören, wenn
nur ein Künstler sie anschlägt: die Lieder von der Liebe und vom
Und zwischen beiden toht das Leben seine Abenteuer aus...
Tode
Die kleinste Schnitzlerische Skitze ist nicht um der Handlung willen ge¬
schrieben, nicht um die „Technil“ zu zeigen, in der er freilich ein Virtnose 1“
im seinsten Sinn des Wortes ist. Immer strömt die Melodie plötzlich
überreich aus dem Innern. Man erinnere sich der novellistischen Klei¬
nigkeit, da eine Dame mit ihrem Liebhaber durch das nächtliche Gelände
an der Donau hinfährt, da ihr Wagen stürzt, der Geliebte jählings
stirbt und offenbar ein Zufall eine gleichgültige Episode, einen novel¬
listischen Einfall, mit dem jeder andere vielleicht sich begnügen würde,
Preßt der
grotesk abschließt. Aber Schnitzler setzt jetzt erst ein ...
geängsteten Frau, die den toten Freund im Straßengraben im Stich
läßt, weil Zelbst die Leiche noch sie vor dem Gatten, vor der Welt!
Lder man denke an
besänne TteFkE
lusschnitt ause liner Deesen Zeitung, Berlin
24. MAl 191Borgasaiusgabe
rom:
Im Verlag von S. Fischer, hier, ist die erste
Werke“ von
Abteilung d
r „Gesammelten
Nutte Siumfaßt die er¬
zählenden Schriften. Schnitzler ist nicht ein Dra¬
matiker, der nebenbei Novellen schreibt; oder ein
Erzähler, der dann und wann ein Drama verfaßt;
sonbern der Dramatiker und der Erzähler in ihm
halten sich im gleichen Rang, sowohl was den Wert
als was die Fruchtbarkeit der Produktion anlangt.
Der Grundklang fast aller Erzählungen Schnitzlers
ist Liebe; er ist ein Frauenlob der viel Böses
von den Frauen weiß. Keiner hat wie Schnitzler
das Lied von der Untreue der Frau gesungen, von
der plumpen, verräterischen Untreue und von der
zarten, selbstzerstörerischen, die nur eine reinere Treue
sucht als die bürgerliche. Soziale Themen klangen
nur gelegentlich in seinen Erzählungen an, bis sie
nun im „Weg ins Freie“, die Macht erlangten und
Libeggeschichten zu einem großen Gesellschaffsgemälde.
des heutigen Wiens erweilerten und vertieften.
Ausschnitt auß:
han
Leiziger Neueste Nachris
vom:
ZRn
Eiga Wohrbrauf Ceitin.
Schnitzlers Prosa.
Artur Schnitzler: „Erzählende Schriften“. Gesammelte Werke,
Band“
Tscher, Verlin.
Arthur Schnitzlers Prosa stenengleich geschlossenere künst¬
lerische Einheit dar, als der bunt überkuppelte, von mannigfacher Zeit,
mannigsachen Problemen und Menschenbildnissen schimmernde Bau
seiner Dramen. Im Gesamtwerk seiner „Erzählenden Schriften“
die jetzt, um den Fünfziger Schnitzler zu ehren, bei S. Fischer, Berlin,
erschienen sind — ist Band an Band alles aufgereiht, woran sich der
Gefeierte, sern der Bühne, die ihm die stärksten Erfolge schenkte, mit
seinem Können seit mehr als zwei Jahrzehnten versuchte: die leichte,
spielend hingeworfene, zum Schluß scharf pointierte Novellette, deren
Art und Meisterschaft an Maupassaut erinnert, die psychologische
Studie, deren unerbittliche Beobachtung an die besten Russen denken!
läßt, und der breite, vielverschlungene Roman endlich, der ohne jede
literarische Erinnerung Schnitzler den Weg zur vollen dichterischen
Freiheit, zur edelsten künstlerischen Ueberlegenheit wies. Sie alle wer¬
den, stärker als die Dramen, zur Einheit durch einen Schatten, durch
eine Helligkeit: Wien ist in, Wien ist über dieser Prosa, — seine Sonne
und seine Melancholie.
Im Drama überslog er mitunter die Landgrenze. Beatricens
Bologneser Renaissaneebüidnis lockte ihn, im „Grünen Kakadu“ hat er
die Männer, die Frauen, die ## en Damen und Herren der Revolu¬
tion die im ersten grellen Frammenschein die Guillotine erspähen
mochten, in kühner Groteste gezeichnet, dem abenteuerlichen Doktor!
Paracelsus folgte er in das Mittelalter deutscher Städte. Seine Prosa
bleibt in Wien. Die Menschen und das Kolorit. Sie bewegen sich
alle zwischen Stephansturm und Kahlenberg. Ob sich ein stiller, nach¬
denklicher Baron durch allerlei inneren Erlebnis, mitten durch eigene
und fremde Probleme, ja durch miterschaute Rassenkämpfe und somit
durch ein ganzes Panorama des neuen, modernen Wien zu persönlicher
Lebenssicherheit, zu persönlicher Erfahrungsweisheit und Abklärung
durchringt, oder ob er in irgendeiner Skizze von einer kleinen, schein¬
bar belanglosen Episode, von einem Intermezzo erzählt, worin offenbar
ein plumper Zufell, ein Ungefähr der äußeren Handlung ein Ende setzt.
Ueberall steht er am Wegrand, still, nachdenklich und lauscht ... Stu¬
diert die Lebenspassanten ... Manchmal erzählt er dann von einem
breiten, hundertfältig bewegten Gemälde, worauf sich Hauptpersonen
das Leben der
und Statisten vor dem klaren Ende des einen
andern geht immer weiter: stets schildert Schnitzler eigentlich nur, wie
das Leben immer wieder weiter geht — fast zu verwirren drohen:
Manchmal von einem stillen Spinnen und
„Der Weg ins Freie“
Weben von Lebensstimmungen, brennenden Wünschen und dann un¬
Und oft ist's¬
gesprochenem Verzichten: „Frau Berta Garlan“...
auch nur das Leuchten in die krause Seele just eines einzelnen, der ihn
interessiert, wie er so harmlos vor sich her mitten durchs Leben mar¬
Zählt man alle seine Helden einzeln
schiert: „Leutnant Gustl“
auf, — sie alle sind, sie alle bleiben wienerische Menschen. Die einen
mit dem leisen, genießerischen Lächeln, die andern mit der zynischen
Schärfe, alle mit bestimmter Weichheit, bestimmter Lässigkeit, die
meisten ein wenig schwach, irgendwie im Zusammenhang mit der
Stadtkultur, in deren Atem sie großwüchsen, fast alle voll Liebens¬
In den Dra¬
würdigkeit und ein wenig müde, ein wenig blasie:t ...
men trägt manch' Antlitz, das unter fremdem, italienischem, franzö¬
sischem Himmel lächelt oder weint, einen übertragenen Zug, einen ver¬
wehten Hauch von der Donau. Die Gesichter in Schnitzlers Prosa
zeigen nur wienerische Züge. Sie alle machen, daß die Seele Wiens
in dieser Prosa gefangen und geborgen ist.
Die Stadt schimmert aus ihr: mit dämmerigen Stimmungen, mit
den umflorten Straßen, mit den lachenden Auen, die ihre nahen Höhen
kränzen, mit der heimlichen Schwermut, die aus den besten, edelsten
Walzern der Strauß und Lanner klingt. Die Stadt und ihre Menschen
werden zu einer unlösbaren Gesamtheit. Sie haben das gleiche Sich¬
gehenlassen, die gleiche Passivität voll Anmut. Das harmlose und das
tronische Spiel der Menschen mit dem Leben kann nur in dieser Stadt
gespielt werden. Schattierungen sind da, vom Vorstadtmädel, das er
entdeckte, bis zur Dame der großen Gesellschaft, vom Grandseigneur bis
zum Kaffeehauslumpen, der aus dem Heiligsten sich einen gemütlichen,
herzlosen Spaß macht. Dennoch sind alle aufs engste verwandt, durch
Zunge, Haltung, Atmosphäre: Wiener
Schnitzlers Kraft kommt hinzu, um sie über das Lokale weit empor¬
zuheben. Es ist mir ein bestimmtes, national angefärbtes Gewand,
in dem seine Menschen einherschreiten. Ihren Inhalt trägt der Dichter
kühn ins Menschliche hinauf, das alle bindet, alle angeht. Er hat zwei
Melodien, die nordwärts und südwärts von Wien nicht anders klingen,
als an der Donau, zwei Melodien, die überall locken und betören, wenn
nur ein Künstler sie anschlägt: die Lieder von der Liebe und vom
Und zwischen beiden toht das Leben seine Abenteuer aus...
Tode
Die kleinste Schnitzlerische Skitze ist nicht um der Handlung willen ge¬
schrieben, nicht um die „Technil“ zu zeigen, in der er freilich ein Virtnose 1“
im seinsten Sinn des Wortes ist. Immer strömt die Melodie plötzlich
überreich aus dem Innern. Man erinnere sich der novellistischen Klei¬
nigkeit, da eine Dame mit ihrem Liebhaber durch das nächtliche Gelände
an der Donau hinfährt, da ihr Wagen stürzt, der Geliebte jählings
stirbt und offenbar ein Zufall eine gleichgültige Episode, einen novel¬
listischen Einfall, mit dem jeder andere vielleicht sich begnügen würde,
Preßt der
grotesk abschließt. Aber Schnitzler setzt jetzt erst ein ...
geängsteten Frau, die den toten Freund im Straßengraben im Stich
läßt, weil Zelbst die Leiche noch sie vor dem Gatten, vor der Welt!
Lder man denke an