V, Textsammlungen 7, Gesammelte Werke, Seite 9

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Gesannsite Nerke
Schaffens festen Boden unter den Füßen gehabt, nur
ein kurzes Schwanken, dann war das Aufwärts¬
suchen vorbei. Seine Werke koordinierten sich. Alle
tragen sie sein Eigentliches. Darum sind sie einander
alle ähnlich. Doch niemals dieselben. Schnitzler
plagiiert sich nicht, rekapituliert nicht. Aber er ver¬
steht es, die elementarsten menschlichen Probleme in
vielfältigen Bildern zu varsieren und zu spiegeln.
Und die großen Kontraste Leben und Tod in stets
neuer Plastik zu meißeln. Dafür greift er das
Vorhandene, das Da=sein, zum Vorwurf. Indem er
erzählt oder gestaltet, wie er es sieht, erlebt, erleidet,
d. h. unkünstlich, mit einer fabelhaft simplen Technik,
macht er sich zum Meister. Und er sieht alles. Jede
Frage reizt seine Forschung. In erster Linie
Probleme aus dem Gesellschaftsleben, dem er ein
wenig näher steht. Er umzirkelt das Wesen der
Erotik, sicher und graziös wie Maupassant, vielleicht
sogar noch souveräner. Er kämpft mit der Hydra
der konventionellen Lüge. Er unterstreicht die
schädlichen Institutionen der Gesellschaft. Und in
jedem einzelnen Werk herrscht die Kraft seiner
künstlerisch seinen klaren Formengebung. Das ist
im Dramatischen so, wie es im Epischen ist.
burg, Toronto.
Dann: manche Kritik möchte Schnitzler in ein
(Orellepangabe ohnes Gerähr.)
Schema pressen und seinem Werk einen allgemein
gültigen Stempel aufdrücken. Er bekommt Bei¬
Ausschnitt aus gerbung, Bromen
namen wie: der Wiener, der Dichter des „süßen
Mädels“. Sind diese wirklich treffende Bezeichnun¬
vom: 1
g###fnr einen Arthur Schnitzler?
Zugegeben: seine Dichtungen spielen im Wiener
Milien; Wiener Akzent liegt auf Wort, Ton, Nüance,
Schnitzlers Werke.“
Geste; Wienerisch ist die Stimmung. Aber man
unterschätzt Schnitzler und kennt ihn schlecht, wenn
Arthu= Sch#ler Gesämmelte Werke.
Erste Abteilung: Die erzählenden Schriften. In drei
man den lokalen Kolorit als Grundfarbe ansieht.
Bänden. Verlag S. Fischer in Berlin.
Mag er im einzelnen Wiener bleiben: er ist groß
Arthur Schnitzlers „Gesammelte Werke“ be¬
genug, um im Hohlspiegel eines Milieus das
ginnen zu erscheinen. Das könnte uns veranlassen,
Typische zu sammeln, das anderswo gleichermaßen
einmal sein literarisches Profil zu konturieren.
gilt wie in Wien.
Leicht ist es nicht. Denn es fehlt bei Schnitzler
Ferner: Arthur Schnitzler in einer einzelnen
etwas: die Steigerung, die Entwickelung, die sinus¬
Figur seiner Werke erschöpfen zu wollen ist — zum
loder cosinus-Kurve des Werdeprozesses. Und dann
mindesten — gewagt. Anatol, Leutnant Gustl, Herr
des Hauptwerk. Oder richtiger: ein Werk, das die von Sala sind nicht weniger typisch für Schnitzler
Summa aller seiner Wesenszüge vereinigt, das im lals etwa Christine, das „süße Mädel“. Und so ist
tiefsten Grunde charakteristisch für ihn ist. Arthur eigentlich jede Figur ganz Schnitzler, voll wunder¬
Schnitzler hat von Anbeginn seines literarischent barer Beobachtung, voll Schen gegen Härte und voll
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