V, Textsammlungen 7, Gesammelte Werke, Seite 23

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in Berlin, Basel, I „dapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
nach
Ausschnitt Labziger Kuseseee Rachrichten
vom: 17. UKfag
E1912
Jammelwerke.
Schnitzl##sDram=Gesammelte Werke. Die Theaterstücke. Ver¬
lag S. Fischer, Berlin. — Arthur Schnitzlers Prosawerk, das in drei
Bänden zu des Dichters fünfzigstem Geburtstag vor wenigen Mona¬
ten erschien, schließt sich jetzt die vierbändige Gesamtausgabe seiner
Dramen — „Die Theaterstücke“ — im gleichen Verlage an. Von den
zweiundzwanzig Werken, die seit 1889 in des Dichters Werkstatt ent¬
standen, ist kaum eines unaufgeführt geblieben, und neben Schnitzlers
frühberühmtem Zyklus „Der grüne Kakadu“, „Parazelsus“ und „Die
Gefährtin“, neben seinem größten Erfolge „Die Liebelei“ wird man
in der rampenfernen Ruhe des Buches sich der mannigfach leuchtenden
Schönheiten freuen können, die da und dort die Bühne — wie z. B. im
„Schleier der Beatrice“ trotz der Bewegtheit der Massen, trotz der
Lebendigkeit der Gestalten — doch nicht ganz zu erschließen oder gar
im ganzen Gehalte abzuklären vermag. Die Aufreihung der einzelnen
Dramengruppen scheint mir weniger streug chronologisch, als nach
inneren Zusammenhängen und Verwandtschaften gewählt zu sein.
Das äußere Gewand, in das auch die Dramen gehüllt wurden, ent¬
spricht genau dem Kleid der „Erzählenden Schriften“ Schnitzlers. Helle,
sehr geschmackvolle mittelstarke Leinenbände, große, klare Lateinschrift.
Den Abschluß dieser vorläufigen „Gesamtausgabe“ machen „Komtesse
Mizzi“, „Das weite Land“ und der in der Wiener Burg aus der Taufe
gehobene „Junge Medardus“. Alle drei Dramen stammen aus dem


sitngsten handen Zastreint. Mlit den Prolsabinden aeisch oie Pranem
nicht nur das Bild von Schnitzlers künstlerischem Können, auch sein
Fleiß kann sich sehen lassen: sieben stattliche Bände aus wenig mehr
als zwei Jahrzehnten scheint immerhin der dichterischen Arbeit und
Geschenke genug.
K. F. N.
Biographisches.
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en.
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quelienangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Nieue Freie Presse, Wien
vom: 27.06110—0
Literarische Notizen.
[„Die Theaterstücke von Artur Schnitzler
in vier Bänden.“ Zweite Abteilung der gesammetten
Werke. Berlin, 1912, S. Fischer Verlag.] Mit einem wunder¬
lichen Gefühl von traulicher Ehrfurcht und heiterer Genug¬
tuung greisen wir nach diesen vier Bänden. Wieviele Stunden
verrauschten Genusses, seelischer Vibration, durchstürmter
Jugend werden damit aufs neue in uns lebendig! Unablässig
ist dieser Artur Schnitzler, wohin immer wir uns wenden
mochten, im Geiste neben uns einhergeschritten, befeuernd oder
beschwichtigend, in träumender Schwermut oder mit spott¬
bereitem Lächeln. Und wir sind ihm mehr schuldig geworden,
als wir selber gewußt haben. Es ist etwas Eigenes um das
Miterleben, auch wenn es aus bescheidener Ferne geschicht.
Man nimmt es anfangs hin wie etwas Selbstverständliches,
ja wie etwas Unerhebliches. Wir alle wollen ja Aehnliches.
Da ist Einer mehr, er spricht aus, was unser viele denken.
Nur freilich in einem besonderen Ton, in einem Ton, der auf¬
horchen macht. Und aus dem Aufhorchen wächst plötzlich die
Ergriffenheit. Der Tag kommt, wo diese Stimme nicht mehr
als eine vereinzelte erklingt, wo etwas wie das gesammelte
Wühlen und Wollen der Zeit aus ihr hervorschlägt; wo die
einzelne klagende oder scherzende Geige sich in ein dröhnendes,
in Wirbeln mitfortreißendes Orchester verwandelt. Und jetzt
wissen wirt hier ist ein repräsentativer Mann. Das geschah
uns mit Schnitzler bei der „Liebelei“ und später beim „Schleier
der Beatrice“ nachdem wir zuvor bei „Anatol“ uns brüderlich¬
nachbarlich ergötzt oder beim „Grünen Kakadu“, diesem ewigen
kleinen Meisterstück, mit neuen hohen Kunstansprüchen erfüllt
hatten. Draußen wurde noch immer weiter gekämpft, oft mit
hitzigem Haß und mit heuchlerischem Hohn. Wir, in unseren
stillen Literatenstuben, aber wußten, daß alle Aufregung
nichts mehr ändern konnte, daß die Schlacht bereits ent
schieden war. Der Name Schnitzler war nicht mehr wegzu¬
wischen, er war eingeschrieben ins Antlitz unserer Zeit. Das
stand fest, noch bevor das alte Jahrhundert seinen letzten
rasselnden Uhrenschlag tat. Das neue Jahrhundert, ob es
wollte oder nicht, es mußte die Wirkung in die Breite, die
Popularität, den Ruhm bringen. Und dies alles ist bei
Schnitzler pünktlich eingetroffen, darin gab es für den Ein¬
geweihten keine Ueberraschungen. Die Ueberraschungen lagen
lediglich in des Dichters und Dramatikers eigenstem Wachstum.
Nicht, als ob es hier grelle Umschläge oder leidenschaftliche
Selbstwidersprüche gegeben hätte. Es ging vielmehr alles
seinen geregelten und organischen Weg. Aber Schnitzler hätte
ja nicht der Dichter sein müssen, der er ist, wenn er nicht
trotzdem, im Kleinen und Feinen, immer seltsame und auf¬
stachelnde Ueberraschungen für uns bereitgehalten hätte — und
seien sie auch von der stillsten und leisesten Art, wie etwa
im „Einsamen Weg“, diesem Drama der wehmütig=gefaßten
Lebensskepsis, oder in dem jüngst erlebten „Weiten Land“
das mehr von uns allen aussagte, als wir oft selber Wort
haben wollen. So ging Schnitzler neben uns her und wir
neben ihm und die Zeit wuchs mit ihm und er mit der Zeit
„Anspürbar aufs innigste zusammen. Natürlich gab es immer
noch mancherlei Widerspruch. Stets glauben ja die Zeit¬
genossen, sie müßten ihre Dichter eigentlich noch etwas anders
machen, als sie sind. Sie fühlen sich bald gehemmt, bald ge¬
ärgert, bald enttäuscht. Aber sie kehren zu ihren Erkorenen
und Wortführern immer wieder zurück. Sobald der Name
Schnitzler erklingt, ist es, als beginne irgend eine heimliche
Wiener Geige in unserem Blut zu summen. Und wir können
gar nicht anders, wir müssen ihr lauschen. Das klingt so ver¬
traut, so verführerisch, so berückend, so aufstachelnd. Und stets
kommen immer noch neue Weisen. Wer weiß, was in diesem
Dichter noch alles schlummert, was alles noch aufwachen und
sich erheben will. Sicher ist es noch Vieles und Ueberraschen¬
des. Und so nehmen wir diese vier Dramenbände hin, nicht
wie etwas Abschließendes, wenn auch in sich Abgeschlossenes,
sondern wie ein Aufschließen neuer Pforten, durch die wir
einst alle mit dem Dichter zu wandern gedenken.F. S-s.