V, Textsammlungen 18, Die kleine Komödie, Seite 6

18. Die Kleine Konoedie box 35/11
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„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Gresdner Neueete Gechrlahten
vom:
-8 OEz. 1932
an denen dieses Leben, er weiß, er fühlt das, genau ] zwischen Echt und Unecht keinen Unter
Erinnerung an Schnitzler
Von den Architekten der Stadterweit#
so reich ist wie an Qual. Sein Trieb, Erkenntnisse zu
wurden Antike, Gotik, Renaissance als
gewinnen, fesselt ihn an die Wissenschaft, tiefes Er¬
terunganse
gebraucht. In der Literatur bewundert
barmen zieht ihn an die Krankenbetten, dazu schüttelt
Die Gestalt Artbur Schnitzlers, in diesem Buch
Ebers, Julius Wolf, Friedrich Halm.
ihn der Widerwille gegen aufgezwungene Pflichten
hat sie wieder leibhaftige Gegenwart. Ohnehin bleibt
Zeit hörte ich jetzt noch in mittleren
reißt ihn leidenschaftliche Sehnsucht, Phantasie und
des schwer zu tragen, wie plötzlich er dem Leben
Amerikgs, wo sich schöngeistige Zirkel vo
Einfallsreichtum mit fort zu seiner einzig wahren
eine
entrissen wurde. Da bietet „
Erdensendung.
Halm als vor den höchsten Gipfeln der
Komödie“, von S. Fischer herausgebracht, zwar
anbetend verbeugen. Das beweist die
keinen Trost, aber den stets erwünschten Anlaß, mit
jener billigen goldschnittumschimmerten
Nur ganz wenige Freunde hat er unter den
dem Dichter wieder einmal zusammen etliche gute
die übrigens durch den Kitschgeschmack
Aerzten. Wenn Altersgenossen, Studienkollegen von
Stunden zu verbringen. Lebendige Stunden, würde
Unterstützung erhalten. Emile Zola, der
ihm reden, schmunzeln sie nachsichtig oder spöttisch,
Schnitzler sagen. Denn unter dem Titel „Die kleine
Zeitalters, galt für einen verdammensn
über seine literarischen Bestrebungen. Im Kreis der
der im Schmutz wühlt, Guy de Ma#
Komödie“ sind Novellen aus der frühen Jugend
Familie sieht er besorgte, ängstliche Mienen, hört
Meister kurzer Novellen, für einen Erz#
Schnitzlers mit Novellen aus der Zeit seiner Meister¬
liebevolle Ermahnungen. Er nimmt das geduldig hin,
schaft vereinigt. Anfang und Ende eines Daseins von
riger Geschichten. Tolstoi, Dostojew
trägt auch die mißbilligende Schärfe des Vaters ge¬
ernster Arbeit an sich selbst, Anfang und Ende eines
kaum gelesen. Henrik Ibsens Dramen
duldig. Aber der Zustand ist keineswegs angenehm.
Bombenattentate. Lieber Himmel, wie
Daseins, das ganz erfüllt, das hell durchleuchtet war
Adolf Sonnenthal, dem Hause des Professors Schnitz¬
Schn
Literaturrevolutionäre beschimpft.
von edelstem, reinstem Menschentum. Und von er¬
ler eng befreundet, stützt die Opposition gegen Arthurs
zu den jungen Dichtern, die den Ver##
schütternder Tragik.
Schriftstellerei, ipricht mit dem seither hinlänglich
Ceinnerungen werden wach beim Lesen der ersten
meisten ausgesetzt waren, gehört auch zu
populär gewordenen Brief ein geradezu vernichtendes
Führern, die sich mit den Gegnern gan
Novellen. Mit dreiundzwanzig Jahren schrieb er die
Später bekehrt sich
Urteil: „Gar kein Talent!“
einandersetzten. Es gab heftige 2
kurze Geschichte „Welch eine Melodie“. Schnitzlers
beständige Zweisel sind darin schon sehr rege, sein] Sonnenthal herzlich zu Arthur Schnitzler, spielt in
bei denen aber Schnitzler stets
„Liebelei“ den alten Weyring. Doch der Vater
Grenzen der Höflichkeit wahrte
beständiges Suchen nach dem Geheimnis und nach der
Schnitzlers erlebt den Erfolg des Sohnes nicht mehr.
ron
worten schlagfertig, ja oft genu
Verknüpfungen. Die Essenzen, aus
Ein jäher Tod rafft ihn hinweg, kurz vor der
vernichtend waren. Polemisiert.
che Substanz sich herstellt, sind da
Premiere von „Liebelei“.
in öffentlichen Erklärungen, ha
rhanden wie später. Das beweist die
einziges Mal. Heftig konnte er
Bis dahin sind noch etliche Jahre zu durchmessen.
ein
Genies“ die entstand, als Schnitzler
Künstler, die er verehrte, beschit
Arthur Schnitzler glänzt in der großbürgerlichen
war. Sein Hang zur Parabel zeigt
lich gegen Angriffe, die ihm
Wiener Gesellschaft, deren Frauen und Mädchen ihn
ng still lächelnd mit den Nichtigkeiten,
galten, war Arthur Schnitzler
verhätscheln, deren Männer ihn verhöhnen. Er geht
chätzten Wichtigkeiten des Ruhmes, des
an sein ganzes Leben hindurch
dem ärztlichen Beruf nach, der ihn peinigt. Und er
spielen.
findlichsein entsprang keineswegs
atmet befreit wenn er mit einem geliebten Mädchen
junger Arzt, ganz eingefangen in das
Im Gegenteil, es schien eigentlich
beisammen ist, oder wenn er musiziert, oder in an¬
der Medizin, in den Spitalsdienst, nachher
nicht er selbst für sich oder mit die
regendem Gespräch mit jungen Schriftstellern. Da
lichten eines Assistenten, erzählt Schnitzler
sönlichen Eitelkeit an diesem emp
schließt er sich auf. Da bricht der große Ernst, bricht
gesprächsweise viel von den Schrecknissen der
beteiligt war. Ihn verletzte das D
die beschwingte Heiterkeit seines Wesens hervor. In
le, von dem niederschmetternden Eindruck,
der Redaktion der Zeitschrift „An der schönen blauen
kundigen Unverstandes, dreister
immer wieder an den Betten Sterbender emp¬
Donau“ sitzt Paul Goldmann und leistet der
blinder Parteiwut in die Angelegenheit
rspricht davon, um sein gequältes Herz zu
literarischen Revolution, die zum vollen Ausbruch ge¬
Die moralisierende Heuchelei, die
ern.Das wird jedesmal ergreifend deutlich.
langt ist, nach Kräften Vorschub. Als einer der ersten
sprüchen erkühnte, schnitt mit grellem ##
Die Medizin als Wissenschaft lockt ihn, bezaubert ihn
erkennt er das Dichtertum Schnitzlers, versteht und
freies Menschentum, in seinen ehrfürchti
ogar gelegentlich. Doch als Praxis stößt sie ihn ab.
bewundert die funkelnden Geistesgaben dieses jungen
haften Künstlersinn, wie etwa sein musikal
Durch die ärztliche Praxis liegt der Menschheit ganzer
unter Tellerkratzen gelitten hätte.
Menschen. Merkwürdig erscheint heute diese ferne
Jammer vor ihm ausgebreitet. Er sieht furchtbare
Zeit der Anfänge, die sich dem letzten Ausklingen einer
Leiden, Verzweiflung. letzte Angst, er kennt die
In vielen Novellen, die dieser nachge
Epigonendichtung mengt, um sie bald gänzlich ab¬
Grenzen, an denen Hilfe endigt, kennt die Glorie
zulösen. Merkwürdig und fast erheiternd die Kämpfe,
jetzt bringt, sterben die Hauptpersonen ob
grober Aerzte, die Kläglichkeit der Stümper, die
die gewissermaßen in der Morgendämmerung mit
Menschen, die durch ihren Hingang da
Machenschaften unbedenklicher Streber. Und er ist in
Hauptpersonen vom Grund auf verwand
allem nächtlichen Spuk geführt werden mußten. Der
seinem innersten Wesen ein Poet, er trägt ein heißes
Verlangen nach Schönheit, nach Glanz und Freude,I herrschende Geschmack war verweichlicht, konnte allen Novellen, ganz wenige ausgenomt
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