V, Textsammlungen 18, Die kleine Komödie, Seite 8

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18. Die kleine Kon die box 35/11
OBSERVER'
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Volksteitur
vom:
Ein paar Bücher.
Romane und Novellen.
Der beträchtliche literarische Nachlaß
Artur Schnitzlers harrt noch seiner Ver¬
öffentlichung. Inzwischen ist bei S. Fischer in
Berlin ein Sammelband kürzerer Novellen
„Die kleine Komödie“ erschienen, die,
zum Großteil aus alten Zeitschriften und
Zeitungen stammend, bisher noch in keines
seiner Bücher Eingang gefunden hatten und
zudem miteinander gemeinsam haben, aus
der Frühzeit des Dichters zu stammen. Der
„OBSERVER
junge, noch nicht dreißigjährige Schnitzler
I. österr. behördl. konzessioniertes
spricht zu uns, und mit ihm auch eine Zeit,
die uns fast historisch anmutet und die dann
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
wenige Jahre später im „Anatol“ und der
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„Liebelei“ ihren dokumentarisch=künstlerischen
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Ausdruck gefunden hat. Viele der Probleme,
die in den späteren Werken Schnitzlers wieder¬
kehren, haben hier ihre erste, mitunter nur
Ausschnitt aus:
Formung erhalten. Die jungen Wiener Lebe¬
männer, nichtstuerisch, blasiert, übersättigt,
und das süße Mädel aus der Vorstadt spielen
aiers ARRLAh
eine große Rolle, besonders in der Titel¬
novelle, die dies uns heute nur mehr schwer
verständliche Milieu in einen amüsanten
Briefwechsel faßt. Jener Dreiklang von
24 DEZ. 1930
„Liebe, Spiel und Tod“, der das Gesamt¬
werk des Dichters beherrscht, tönt hier in
seiner romantisch=düsteren Wehmut schon
vernehmlich auf und verstummt nur selten in
Der Büchertisch.
den Skizzen, denen die sorglose Hingabe an
Arthur Schnitzler, Die kleine Komödie. Novel¬
den Tag und seine Freuden eine hellere
len ans der Frühzeit. Mit einem Nachwort von Otto
Schattierung verleiht. Es bietet stets einen
F. Schinnerer. (Berlin, S. Fischer.) Reizvolle Schau:
großen Genuß, die frühen, schon vergessenen
der Vollendete gleichsam in seinem künstlerischen Noviziat,
der Eleve mit allen, noch knabenhaft und keimend ver=oder verschollenen Arbeiten eines Dichters
hüllten und verheißenden Sichten, Schwingungen, Schwe=kennenzulernen. Bei Schnitzler besonders,
bungen... ein Frühgarten, dessen krokusheller Märzen¬
grund doch geheim den hohen Sommer kündet, die
Apfelreife, den Oktobertau. Beinah jedes entscheidende
Motiv des späteren Schnitzler=Schaffens klingt hier schon
auf, unsicherer oder bereits kräftiger angeschlagen. Tod
und Liebe, Eros und Thanatos in ihrem Verflochten¬
sein, Seligkeit, durchschauert vom Hauch des Vergäng¬
lichen, und dieser Hauch als weh=süße Würze, die leichte,
weiche Versilberung um Antlitz und Seele, die gütig¬
ironische Erkenntnis, der unnennbare Gartenatemflor der
Grünungen und Gründe Wiens — all dies ist gleichsam
morgendlich erwachend da. Wie auch schon hier, leise
oder tiefer geklärt, der reine, kühle Spiegel der Worte
schimmert. Mängel gewiß an vielen Stellen, Mängel,
wenn man die Gebilde an den fertigen Kunstwerken
mißt. Doch die Freunde Schnitzlers, deren Zahl desto
erheblicher wächst, je unzweifelhafter dieser ganze Bereich
österreichischer Dichtung einem Versunkenen angehört —
sie werden, aus menschlicher wie aus künstlerischer Anteil¬
nahme, dies Zeugnis eines Beginnenden den Gaben des
Dr. Paul Rossi.
Fertigen zugesellen.
denn man sieht hier den Keim seiner Be¬
gabung, die sich bis zu seinen letzten Werken
mit einer nahezu hartnäckigen Leidenschaft
treu geblieben ist. Der altgewordene Schnitzler,
wie er von uns schied, ist nicht viel anders
als der jung gewesene, er wuchs an Reife
und Größe, an Stärke seiner Kompositionen,
Wesens ist der gleiche geblieben; in den
kleinen Arbeiten dieses Bandes sind zart und
fein alle die Linien vorgezogen, innerhalb
deren sich dann das Werk seines Lebens ent¬
wickelt hat.