VI, Allgemeine Besprechungen 1, Friedrich Düsel Dramatische Rundschau, Seite 4


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1. Panphlets offbrints
Wid
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üsel: Dramatische Rundschau.
und der „Braut von Mem#a“ ist nicht auf zeichen dafür. Daß Arthur Schnitzler, der
dem streng dramatischen Wege geblieben, den Wiener, sich zu ihnen gesellen werde, konnte nach
seine „Räuber“ und seine „Kabale und Liebe“, seiner Renaissancedichtung „Der Schleier der Bea¬
triee“ nicht mehr zweifelhaft sein. In seiner
ihm vorgezeichnet zu haben schienen. Als die
jüngsten Dichtung, dem fünfaktigen Schauspiel
„Braut von Messina“ in Weimar zum erstenmal
„Der einsame Weg“ ist dieser Übergang voll¬
aufgeführt wurde, meinte Goethe, „der theatra¬
zogen. Vollzogen zum Schaden des Dramatikers,
lische Boden wäre durch diese Erscheinung zu
denn das Drama erfuhr bei seiner Erstaufführung
etwas Höherem eingeweiht worden.“ Zu etwas
im „Deutschen Theater“ zu Berlin eine unzweifel¬
Höherem — das Wort ist bezeichnend. Noch
hafte Ablehnung; vollzogen zum Vorteil des
immer haben die feineren Geister am Ande da¬
Dichters, denn dieser, der trotz aller Bühnen¬
nach gestrebt, die dramatische Bühne iber sich
selbst zu erhöhen, sei es nun zum Typischen, zum erfolge von jeher als Novellist und Lyriker Tie¬
feres und Feineres gab
Symbolischen, zum Phi¬
denn als Dramatiker, hat
losophischen oder zum
sich niemals reicher und
Dekorativ=Musikalischen,
reifer offenbart als in
und noch immer ist da¬
eben diesem vom Thea¬
bei das, was wir trotz
terpublikum abgelehnten
alledem als das eigent¬
„Einsamen Weg“ (Buch¬
lich und ursprünglich
ausgabe bei S. Fischer,
Dramatische ansprechen
der Haupt¬
Berlin). Damit soll das
müssen, in irgendeiner
ur des deut¬
Los, das das Schnitz¬
Weise zu kurz gekom¬
lersche Drama traf, an
die den cha¬
men. Und nicht bloß
sich nicht gescholten wer¬
Dramatikers
die deutschen, auch die
schaulich statt
den. Als Drama ist
nordischen Dichter unter
es vielmehr mit Recht
seine Emp¬
den Dramatikern der
edürfnis, sie
Neuzeit sind diesen Weg
fünf Akte haben viel zu
es für den
gegangen. Man denke
sie laut von
wenig leibhaftige Gegen¬
nur an Ibsens und an
wart, viel zu wenig sinn¬
hiet in sich
Björnsons Altersdra¬
aus.
lich anschaulich gestal¬
men, an den dramati¬
er Deutschen
tetes Augenblicksleben,
schen Epilog „Wenn wir
um von der Bühne her¬
sucht Wil¬
Toten erwachen“ oder
ab überzeugend zu uns
fühlt, daß
an „Laboremus“ und
raschere und
zu sprechen, geschweige
„Auf Storhove“ und
vor dem
denn uns seelisch zu er¬
vergegenwärtige sich, wie
greifen. Mehr wie eine
hat, oder
hier symbolisch erschaute
Spiegelung von Gescheh¬
en Lohn,
Lebenserkenntnisse oder
nissen, denn wie Ge¬
moralische Weisheits¬
schehnisse selbst, schwebt
rüchten zu
maximen dargeboten
die sogenannte „Hand¬
erklären.
werden, für die die dra¬
jar nicht
lung“ an uns vorüber;
matische Prägung ei¬
K# ehlg
heater, so¬
an gesteigerten Momen¬
gentlich nur noch zu¬
ten, in denen man die
bloß un¬
fällige Form ist.
ist eine
So wandelt hier wie dort der Zug zum Dra=, Wücht der dramctischen Energie spürt in denen
die sich
matischen sich schließlich unversehens in den Zug mlan unter ihrend Ansturm den Atem anhalten
tt. Man
möchte, bietet das Stück so gut wie gar nichts.
vom Dramatischen hinweg zu einer Dichtung,
Literatur
Der harte Griffel des Dramatikers hat sich in
die nur noch die stärkere Resonnanz der Bühsse
volver¬
den weichen Stift des Pastellmalers verwandelt;
benutzt, um ihren Gedanken, Stimmungen oder
Dichter,
wie eine absichtlich in Schleier der Erinnerung
Ahnungen einen volleren und weiteren Widerhall
gehüllte Elegie mutet uns diese mit resignierten
hen Nerv
zu sichern. Auch von unseren jüngeren Dichter¬
latischen
Gedanken über Menschenleben und Menschen¬
Dramatikern, die anfangs durch ihre realistische
ihr selbst
sterben mehr belastete als gefüllte Dichtung an.
Grundrichtung noch besonders nahe mit der Wirk¬
Das Bild des Schleiers wollen wir festhalten;
ten Mit¬
lichkeitsbühne und ihren dramatischen Forderun¬
)einem
dieses Lieblingssymbol der Schnitzlerschen Poesie
en
gen verknüpft zu sein schienen, nähert sich heute
enicht vor
begleitet uns durch die fünf Akte, vom leisen
schon mehr als einer jenem kritischen Punkte, wo
Stachel
Anfang bis zum leisen Ende. Schleier gleiten
das Dramatische sich selbst auflösen und in den
durch, wie
großen Strom der Dichtung aufgehen muß, dessen über die Dinge, und Schleier heben sich von den
chen Kreise
Wogen das Wehr zwischen Epik und Dramatik, Dingen: Erinnerungen werden lebendig, und der
bt hätte?
zwischen Dramatik und Lyrik nicht mehr ängstlich lebendige Augenblick wird Erinnerung; alles ist
egann und
zu respektieren brauchen. Die Macterlinck und gegenwärtig, und das Gegenwärtige ist vergangen.
f ich wohl
Oskar Wilde, Wedekind und — Hauptmann, der Gegenwart — was heißt das eigentlich? Ist
„Tell“
Dichter des „Armen Heinrich“ wie der „Rose das Wort, das eben verklang, nicht schon Er¬
Bernd“, sind, wenn nicht Beweise, so doch An= innerung? Der Ton, mit dem eine Melodie