VI, Allgemeine Besprechungen 1, Friedrich Düsel Dramatische Rundschau, Seite 8

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1. Panphlets offprints
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Dramatische Rundschau.
im unklaren ist. Der Freund hilft ihr wohl Gefühl, das, wie aus Herzenstiefen kommend,
er dieses Wenige
kollegial in die rote Robe der Professorin, aber den ebenen Fluß der Gedanken durchpulst. Es
pfinden für einen
als es gilt, ein Eheweib zu wählen, bleiben scheint, als habe eigenstes schmerzlich=glückliches
hr von Handwerk
seine Augen an der reizenden Mädchenaumut Erleben etwas von seinem Herzblut in diesen
ein Mensch von
ihren jüngeren Schwester Bettina haften, deren Akt hineinströmen lassen, und deshalb gehen von
stten im Betruge“
ihm wirklich leise Schauer aus, die an unser
hausmütterliches Seelchen vom Hauche des ge¬
8 Wertes verliert.
Innerstes rühren. Nur schade, daß sie sich aus
lehrten Hauses vollständig unberührt geblieben
ren Künstler und
dem Vorausgehenden nicht organisch herleiten las¬
ist. Indes das junge Paar gen Padua in sein
Wenn wir Toten
sen, und daß sie die innere Struktur des Stückes
neues Heim zieht, bleibt die gelehrte Novella,
für diesen schlich¬
eher zerbrechen als folgerichtig fortsetzen und ab¬
um das Glück ihres Lebens betrogen, einsam
then in gewissem
schließen. Trotzdem, denk' ich, sollten wir uns sol¬
bei ihren juristischen Büchern zurück. Schlösse
aber Schnitzler,
cher Werke, die mit so viel liebevoller Sorgsam¬
das Drama hier, wie man sich nach seiner An¬
igenen Augen ge¬
keit, Behutsamkeit und tüchtigem Können gearbei¬
lage und seinem Tone fast vermuten möchte, so
as Wunder, das
tet sind, im Interesse unserers Theaters freuen.
wäre es eine Komödie geworden, die einer
Verwaiste, dem
Sie kommen ihm verständnisvoll entgegen, ohne
satirischen Spitze gegen die Gelehrsamkeitsge¬
iten, geht nicht
sich ihm liebedienerisch zu unterwerfen; sie regen
lüste der Frau nicht entbehrt hätte. Aber aus
mit ihm, dem
mit ihrer bunten Fülle die Zuhörer an, ohne
dem Schwanke von der gefoppten Professorin
er von ihnen ha
rohen Instinkten der schaulustigen Menge zu
sollte ein ernstes Schauspiel werden, das von
ofür er leben
frönen; sie wehren, was vielleicht ihr Haupt¬
dem einzelnen Falle zu allgemein menschlicher
eiden innerlic
verdienst ist, dem weiteren Umsichgreifen der skru¬
Bedeutung emporsteigt. So ward den drei ersten
pellosen Effektstücke, die ohne ihr Dazwischenkom¬
Akten ein vierter hinzugefügi, der mit den vor¬
Licht, wen
men sich noch weit anmaßender in der Publikums¬
ausgehenden nur lose verknüpft erscheint und
is, das Trau
eigentlich ein ganz neues
zur E
Thema aufnimmt. Leider
selb
ückes
ist Zeit und Raum zu
stande — das
er die Me¬
knapp, um es wirklich zu
gestalten; sonst könnte die¬
tunde, eh'
ses zweite Drama die ei¬
ins auf ...
was tändelnde Grazie des
Lien der Ge¬
ersten leicht auch drama¬
ch nicht ver¬
tisch in Schatten stellen,
eganzen ver¬
wie es sie dem Gedan¬
nifernung von
ken= und Stimmungsgehalt
zum Nach¬
nach tatsächlich in Schatten
Künstlermen¬
stellt. Der letzte Aufzug
Genüssen des
spielt zehn Jahre später:
eradezu an
Sangiorgio kommt zum
Von Lud¬
Besuch bei der einsamen
in Schauspiel
verbitterten Novella und
be bei J. G.
gesteht ihr, wie an der
Burgtheater
Seite der kleingeistigen,
man das nicht
spießbürgerlichen Bettina
ichter um das
auch sein einst so flug¬
tto bemüht hat.

stolzer Sinn zu Neste ge¬
= und Frauen¬


krochen sei. Wie Novella
es dreizehn¬
bei ihren Büchern, so hat

#ir nicht
5
auch er bei seinem Haus¬

echts¬
S
mütterchen nur eitel Ent¬
der
1
0
täuschung und Bitternis

erfahren. So klein und
wenig renaissancehaft zwei

#

Geister sein mögen, die sich

durch eine Herzensirrung
die Zügel ihrer Persönlich¬
keit uld Selbstbestimmung
aus den Händen winden
lassen, in diesem letzten
Jenny Groß in der Titelrolle des Lustspiels „Maria Theresia“
Akte spricht doch ein ech¬
von Franz von Schönthan.
ter Dichter zu uns. Ich
denke dabei viel weniger
an die Sprache und die Verse, die sich hier über gunst sonnen würden, als sie es ohnedies tun.
die bei Fulda selbstverständliche Glätte und Sau= Gewiß ist einem Fulda die Bühne kein heiliger
berkeit zu oft schönen und edlen Bildern erheben, Boden, der zu „etwas Höherem“ geweiht werden
als an die warme Empfindung und das echte müßte, sondern nur ein willkommener Tummelplatz