VI, Allgemeine Besprechungen 1, Hans Benzmann, Seite 10

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1 Panphlets, Offprints
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— Hans Benzmann in Berlin. —
tiefsten erscheint uns dieser Typus in der Christine der „Liebelei“. Die
Ehebruchsliebe bildet das stete Thema in der Novellensammlung: „Die Frau
des Weisen.“
Uebrigens wird man bei Schnitzler nirgends ein lüsternes Wort finden,
nirgends streift er auch nur mit einer Andeutung das Gemeine. Auch ver¬
hüllt er das Schamlose nicht, damit wir es desto deutlicher erkennen. Er
hat eine kindliche, naive Freude am bunten Liebesspiel, und in der Dar¬
stellung zeigt er eine Zartheit, eine Vornehmheit, die beinahe Keuschheit ist.
Seine Helden empfinden die Sünde nicht als Sünde, sie grübeln nicht über
die Nichtigkeit des Lebens nach, sondern nur über das Wesen ihrer augen¬
blicklichen Liebe, über die Melancholie der Stunde. So gehen ihnen wohl alle
Illusionen verloren, aber sie haben immer wieder neue vorräthig. Das ist
das Wesen der Lebewelt Schnitzlers, dieser wienerischen Decadence. Sie
weiß Nichts von Decadence, sie lebt mit Grazie und Anmuth, und der
Dichter beweint sie nicht, er belächelt sie, und er formt aus diesem feinen
Thon Figuren, die von ihrer Zerbrechlichkeit Nichts wissen, die wie Schäfer
und Schäferinnen sich lieben, und wie Kinder in Märchen und Illusionen
leben
Als ein Anderer erscheint uns der Dichter in dem dreiactigen Schau¬
spiel: „Das Märchen. Ich weiß nicht, ob der Dichter dieses Stück
früher, als die Anatolscenen schrieb. Jedenfalls ist es nur eine Talent¬
probe. Es ist ein Thesenstück, in welchem das Leben selbst die Wahrheit
einer Idee beweisen soll. Schnitzler scheint mir, als er dieses Stück schrieb,
noch zu wenig Künstler gewesen zu sein, um schwere Ideen logisch ent¬
wickeln und figürlich consequent gestalten zu können. Sein Talent weist
ihn meines Erachtens überhaupt in das Reich des Thatsächlichen, nicht in
das des Doctrinären. Er muß dem Leben folgen, er darf es nicht leiten.
Ideen verleiten ihn leicht dazu, Charaktere zu entwickeln, die seinem Wesen
fremd sind. In solchen Fällen wird ihn seine Psychologie oft im Stiche
lassen. Immer ist er Künstler genug, so daß uns auch in diesem Falle
nicht Alles construirt erscheint, aber man merkt überall die Mühe, die
der Dichter hatte. Der Dialog schleppt im „Märchen“, und die Menschen
bewegen sich wie Schemen. Schnitzler darf überhaupt nicht viele Menschen
auf die Bühne bringen. Sie wissen wirklich nicht, was sie auf der Bühne
sollen, diese ganzen Familien, diese Gruppen und Parteien. Der einzig
gelungene Charakter im „Märchen“ ist die Liebende, die Schauspielerin
Fanny Theren. Das Thema hatte der Dichter in einer der Anatolscenen
schon berührt. Hier im „Märchen“ ward es nicht Leben, es blieb graue
Theorie. Der Träger der Idee ist der Künstler Fedor Denner. Dieser
will das „Märchen von den Gefallenen“ beseitigen. Aber an sich selbst
muß er erfahren, daß wir trotz aller Ehrlichkeit unserer Ueberzeugung und
unseres Wollens über die dunklen Punkte im Leben der Geliebten nicht
hinwegkommen. Es ist wahr, der Gesellschaftsmensch ist ein Feigling und
Arthur Schn
ein Halber, und der moderne, seinen A
zeig sich in seinen Handlungen ost all
Denner ist kein Schwächling. Sein Au
zengt uns von der Lauterkeit seiner (
eines Charatters. Auch wird die der
Empfinden Zaunps für den Geliebten von
Kraft geschildert, daß es mir unertlätlichs
und scher austretender Mann, ein ganzer
würdige Weib im Stiche lassen kaml
Haupicharaters scheint mir dennach in
Die übrigen Schwächen des Stückes, die
Schleppen des Dialozs erwähnte ich schon.
As ein vollendeter Dramatiker erscheif
Schanspiel: „Liebelei“. Das Stück hat
nacht. Er, der bisher nur in den Wien
Shre genoß, wurde auf einmal ein Liebling
in diesem Stück erscheinen neben den Wicl
Ans dem „Anatol“ ist das Stück in arscg
Hanpicharatere treten wieder der Liehalern
Freund ist hier aber ebenfalls Liebhater,
anpfindenden, von seinem Gewissen geplagten.
auch nicht herzlose, aber serupelloss. Die 3
gemner und Theodor Kaiser. Der Dichter
eheichuiß als „unge Leute“. Ihnen geges
Coristine Weiring und Mizi Schlager. Erster
Weirng, der Violnspieler am Josephstädter 7
der Dicter als „Rodistin“, Sie ist das shm
des „Verhältnit“ comme I kaut. Sie nicht
, sie amtir sch mit ihm, sie gest mit¬
Der wenn er sie verlassen wird, wird siepie
emn, damn wird sie sich fassen und sich nach
Amnstune ist eine der wunderlieblichsten Mädchef
densche Poele geschafen hut. Sie ist das den
unaht hat man sie neden Halbes Annchen a
hat sich der Dichter die Liebe seines Volkes erober
liebende Mädchen mit der reinen, ungetrübten
Dee wird ihr, muß ihr zum Verhängnitz wen
von der Welt, sie nimmt Alles so ernst. Aus
in Heren die Liehe zn einer nunderhann
der sohldert sie mit Pagssrun in dem oben anf
mehr als ein süßes Mädl. Diese blasse Violinspie
geliebt hat und eine tiefe, unüberwindbar tiefe
umigschwermüthigen Meuschen — Frit — fatten
Nord und Süd. IXXXVI. 227.
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