VI, Allgemeine Besprechungen 1, Hans Benzmann, Seite 13

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Panphlets, Offbrints
— Arthur Schnitzler.
Berlin. —
Fritz für eine Andere gefallen sei, da durchrasen alle Schmerzen der
Schlichtheit, daß sie die Geltung
Eifersucht, der Enttäuschung, der Verzweiflung ihre geängstigte und
zu einem wohlvertrauten, halb¬
gepeinigte Seele. Sie fragt in wirren Sätzen dies und jenes, sie schreit
s unsere Träume in Volksgestalten
ihre Qual heraus; Wahnsinn und Klarheit und der Drang, nun auch
los hingegebene Gestalt, die innig
das Bitterste durchzukosten, streiten um ihre Seele. In höchster Ver¬
in der leisesten Regung Mädchen
zweiflung stürzt sie hinaus. Meines Erachtens ist diese Schlußscene
die herbere Schönheit früher und
nur ein wenig zu lang, zu abgerundet. Ich schließe mich aber nicht
soll man neben ihr heut nennen?
jenen Kritikern an, die da meinen, Christine erwäge zuletzt das Unrecht,
ngen moderner Dichter sind, gegen
das ihr der Geliebte gethan habe, allzuviel sie reflectire. Schnitzler
mitelbar.“ Diese Gestalt fanden
kennt die Natur des Mädchens und des Weibes besser als seine Kritiker.
hgedeutet.
Hier hat nicht nur eine Gefühlsexplosion, sondern auch eine Wesensver¬
Fritz Lobheimer hat ein Liebes¬
änderung stattgefunden. In einem Moment ist in diesem Mädchen das
Während dessen lernt er Christine
Weib erwacht, dessen Würde verletzt ist. In solchen Momenten höchster
ar kennen. Immer mehr bezaubert
Anspannung aller Empfindungen bekämpfen sich Wahnsinn und der Drang,
mis. Aus einer „Liebelei“ wird eine
Alles, auch das Letzte zu erfahren, in unserer Seele. Das Stück ist in jeder
sh, daß ihm nun das wahre Glück
Beziehung ein vollendetes Kunstwerk.
5 Verhängniß herein. Der betrogene
Das Drama „Freiwild“ ist wie „Das Märchen“ ein Thesenstück.
rn. Fritz wird im Duell erschossen.
Es behandelt den „Ehrbegriff“ und die „Duellfrage“. Ein österreichischer
ste für eine Andere in den Tod ge¬
Offizier wird von einem Civilisten geohrfeigt, weil er eine Schauspielerin,
ohne daß sie davon erfuhr, stürzt sie
die dieser liebt, beleidigt hat. Natürlich fordert der Oberlieutenant den
neu: aber die Behandlung des alten
Maler. Dieser verweigert das Duell, er erklärt, daß er einen Buben ge¬
Sie zeigt den Dichter als modernen
züchtigt habe. Der Offizier muß, falls er keine Genugthuung erhält, den
keidet und der gerade in seiner vor¬
Dienst quittiren. In seiner Verzweiflung schießt er den Gegner auf offener
igemein lebenswahr wirkt. Wir er¬
Straße nieder. Abgesehen davon, daß durch das Ueberwiegen des Ideellen
stattfinden wird, und dann, daß es
dieses Schauspiel an künstlerischem Werthe niedriger steht als die „Liebelei“,
frecherische Gattin nicht selbst in irgend
zeigt sich Schnitzler auch in diesem Stücke als hochbegabter Künstler, als voll¬
indig hinter der Bühne bleibt, ist ein
endeter Dramatiker. Wir merken fast gar Nichts von einer Construction.
an Scene zieht stimmungstief, in sich
Prächtige lebendige Menschen sind es, die wir vor uns sehen. In den
den wir nicht eine todte Stelle. Der
ersten Scenen wird uns das lustige Leben, das Treiben einer kleinen
stem Tempo, in seiner steten Spannung.
Theatergesellschaft und der Verkehr derselben mit Offizieren und Dandys
dier will er keine Ideen, Wahrheiten
geschildert. Das sind alles Figuren, wie sie das Leben eckig und glatt ge¬
r vernehmen wir nicht pathetische oder
schnitzt hat. Noch hören wir das lustige Geplauder zwischen den Buschkaden,
leben, hier sprechen lebendige Menschen
an der Theaterthür, — da plötzlich gerathen die beiden Männer aneinander,
der Christine gezeichnet, eine prachtvolle
die grelle Lohe des Hasses und der Leidenschaft flammt auf, und nun con¬
lsiker, ein lebenserfahrener, sein Kind
centrirt sich die Handlung: Aus dem Getändel, aus dem lustigen Treiben
l sind die letzten Scenen. Der alte
wächst eine Tragödie empor, ein Schicksal, das nicht mehr zu bannen ist.
s Duells erfahren, und nun will er die
Wie ein Dämon verfolgt die angethane Schmach den Offizier. Athemlos
Peise mittheilen. Er beginnt damit, in
folgen wir den Ereignissen, bis die Katastrophe eintritt. Seltsam, daß dieser
flungen Herrn“ als ein vorübergehendes
feste Charakter, Rönning, der Gegner des Offiziers, keinen Ausweg fand.
er Offenbarung der liebenden Mädchen¬
Er hatte beschlossen, mit der Geliebten den Ort zu verlassen, da hört er, daß
hie etwas Dunkles, das man ihr verbirgt.
der Gegner ihm auflauere. Sein Trotz erwacht, er will nicht feige sein -
Theodor ist schwarz gekleidet. Und
dieser Eutschluß entspricht einigermaßen diesem starken Charakter — er
ser Kunst hat der Dichter den Ausbruch
bleibt und läuft dem Feinde vor die Pistole.
Als Christine dann noch erfährt, daß
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