VI, Allgemeine Besprechungen 1, Kronfeld, Seite 10

Panphlets

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offprints
Als alte Leute gründen sie den eigenen Herd:
„Es ist nicht Wonne der Liebe, dass sie nun jauchzen und beben,
Nein, nur dass am eigenen Herd die eigenen Pfühle sich heben:
Nur Gott ist ihr Herr, der die Sterne beruft zu leuchten, wenn's nachtel,
Den Knecht, der die Kette zerbricht, mit seligem Auge betrachtet.“
Dr. Gerhard von Breuning (geb. am 28. August 1813, gest. 1896 in
Wien) war Directionsmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde und schrieb ein
wichtiges Buch über Beethoven: „Aus dem Schwarzspanierhause“ (1874).
Dr. Arnold Hirsch (geb. am 11. Juni 1815 in Horic) schrieb unter dem
Pseudonym „Egynhard Quelle“ Novellen, das Lustspiel „Der Familien¬
diplomat“ (1858), „Zu jung und zu alt“, „Blanca von Bourbon“, ferner bear¬
beitete er französische Theaterstücke.
Doc. Dr. Wilhelm Schlesinger (geb. zu Pressbg 1815, gest. am
19. März 1899 in Wien) war schöngeistig vielfach thätig und schrieb mit
geistreicher Feder Feuilletons für die „Neue Freie Presse“
Der Anatom Hofrath Prof. Dr. Karl Langer (geb. am 15. April 1819
zu Wien, gest. 1888 daselbst) hat wichtige Untersuchungen über Malerei
und Plastik geliefert. Seine Arbeiten über die anatomischen Kenntnisse des
Leonardo da Vinci, über die Proportionen antiker Bildwerke haben auf
Kunstakademien und in Ateliers nur Gutes gestiftet und sein „anatomischer
Excurs“: „Leibesform und Gewandung“ (1878) sollte von den Sitten- und
Historienmalern mit Fleiss studiert werden.
Der vielseitigste Physiologe und einer der erfolgreichsten Forscher der
Neuzeit, Hofrath Professor Dr. Ernst Brücke (geb. am 6. Juni 1819 zu Berlin,
gest. am 7. Jänner 1892 zu Wien), hat sich wiederholt und mit glücklichem
Erfolge Untersuchungen über die schönen Künste gewidmet. Die „Bruchstücke
aus der Theorie der bildenden Künste“ enthalten eine Fülle der geistreichsten
Bemerkungen, seine Untersuchungen über die Physiologie der Sprache sind von
grundlegender Bedeutung, seine Bemerkungen über das deutsche Versmass
sollten von unseren, den alten Olymp stürmenden Dichterjünglingen sehr,
sehr genau gelesen werden. Köstlich ist, wie Brücke sogar den Verskünstler
Platen eines groben Fehlers überführt. Dieser sagt von „Hermann und
Dorothea“:
„Holpricht ist der Hexameter zwar, doch wird das Gedicht stets
Bleiben der Stolz Deutschlands, bleiben die Perle der Kunst.“
Hiebei verunglückt Platen selbst an dem Pentameter! Sehr schön
weist Brücke nach, dass eine Incongruenz des Accentes von künstlerischer
Wirkung sein könne. So tritt im „Erlkönig“ mit der wachsenden Erregung in
der Handlung eine Verschiebung des Accentes ein. Wir lesen zuerst „Erlkönig“
als Scheindaktylus und dann „Erlkönig hat mir ein Leides gethan!“ wobei
das Wort mit der ersten und dritten Silbe in der Arsis steht. Und doch wird
hier niemand die Incongruenz des Accentes missen wollen.
Alte Liebe rostet nicht. Wo der jugendliche Brücke den Verknüpfungs¬
punkt zwischen Kunst und Wissenschaft gefunden, dort baut er als ehrwürdiger
Greis weiter. Er verzichtet für eine Weile auf sein medicinisches Lesepublicum
und schreibt über „Schönheit und Fehler der menschlichen Gestalt“ für
Künstler und Kunstfreunde (1891). „Alles, mit Ausnahme eines Theiles der
lebenden Künstler, ist einig darüber, dass die bildenden Künste von ihrer
früheren Höhe herabgesunken sind, die Malerei noch mehr als die Plastik.
Nirgends sieht man dies deutlicher, als in der grossen Schatzkammer der Kunst,
in Italien.“ Die italienische Malerei theilt Brücke in 4 Epochen ein: 1. Er¬
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