VI, Allgemeine Besprechungen 1, Kronfeld, Seite 18


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Panphlets, Ooffprints
Ich will zu meiner Füsse Staub ihn seh'n,
Den Ubermüthigen, der mir an diesem
Glorwürd’gen Schlachtentag, wie keiner noch,
Das kriegerische Hochgefühl verwirrt.
Ins Schlachtgetümmel stürzen will ich mich,
Wo der Hohnlächelnde mein harrt, und ihn
Mir überwinden, oder leben nicht!“
Der sterbende Achilleus berührt ihre Wange und bittet um sein Leben, sie
jedoch zerrt ihm die Rüstung vom Leibe und schlägt den Zahn in seine weisse Brust,
„Sie und die Hunde, die wetteifernden,
Oxus und Sphynx den Zahn in seine rechte,
In seine linke sie; — als ich erschien,
Troff Blut von Mund und Händen ihr herab.“
Sehr bedeutend und kühn ist die Art, wie Penthesilea sich an der Leiche
ihres Geliebten geberdet.
„Küsst' ich ihn todt?
Nicht? Küsst’ ich nicht? Zerrissen wirklich? Sprecht!
So war es ein Versehen. Küsse, Bisse,
Das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt.
Kann schon das eine für das andere greifen.
Du Armster aller Menschen, du vergibst mir!
Ich habe mich, bei Diana! bloss versprochen,
Weil ich der raschen Lippe Herr nicht bin;
Doch jetzt sag' ich dir deutlich wie ich’s meinte:
Dies, du Geliebter, war’s, und weiter nichts.“
(Sie küsst ihn.)
Krafft-Ebing’s Studien auf diesem Gebiete sind von grossem Wert.
Sie tragen bei, eine Reihe von Menschen, deren Handlungen uns entsetzen,
nicht als Verbrecher, sondern als Kranke zu betrachten und zu behandeln.
Selbstverständlich gibt es von diesen Perversionen bis zum normalen Liebesleben
Ubergänge genug, wenn wir auch dem Dichter nicht zustimmen, dass Liebe allein
schon Wahnsinn, Liebeswahnsinn also ein Pleonasmus sei. Das Gesetz der Vererbung
ist eines der tyrannischesten und — verbreitetsten. Ihm unterliegen Geschlechter,
Menschen, welche sich aus geistigen Defecten und Perversionen nicht emancipieren
können, welche sterben, wenn sie lieben.
Dr. Moriz Brée (geb. am 23. April 1842 zu Prossnitz) schrieb folgende
dramatische Werke: „Liebesprobe“, Lustspiel (1857); „Verfehmt“, Volksstück
(1875); „Gleich und Gleich“ Schauspiel, „Zwischen zwei Stühlen“, Lustspiel
(1879); „Schwache Stunden“, Schwank, „Leichter Sinn“ Schwank (1889):
„Wildlinge“, Zeitbild (1894); „Genovefa“ Schauspiel (1897). — Ferner gab
Brée den Roman: „Wo die letzten Häuser stehen“ (1891) und mehrere
Novellen heraus. Er dichtet auch zierliche Verse, von denen hier eine Probe
mitgetheilt sei: