VI, Allgemeine Besprechungen 1, Kronfeld, Seite 20

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1. Panphlets Offpris
Sonne ist schon hinter Bergen,
Dunkler Abend wird es bald,
Trabe, Rösslein, zu dem Häuschen,
Zu dem Häuschen hinter'm Wald.“
Wie meisterhaft Albert die Form beherrscht, zeigt sich in der Wieder¬
gabe der Sonetten Jan Kollar's; von einer derselben mögen hier die
Schlusstrophen folgen. Der Dichter kehrt in die Heimat zurück und begrüsst
die „Muttersprache“:
„Dreimal glücklich dieses Schatzes Erben,
Ihr Besitzer alten Vätergutes,
Darin Kraft und Zartheit im Verbande!
Eins will meine Freude bald verderben;
Viele Menschen haben in dem schönen Lande
Zungen wohl, doch wenig Herzensblutes.“
Noch seien aus den Epigrammen Celakovsky’'s zwei in Albert’scher
Uebersetrang mitgetheilt:
„Das Stiefmütterchen.
Bin ein Blümchen gering, im Jahre das erste, das letzte,
Hausfrau, wache du so: erste und letzte im Haus.“
„Die Reseda.
Rose ist Liebeszeichen, der Freundschaft Blume — Reseda.
Mir sind die Rosen verwelkt, blühe du, Blümchen, mir lang.“
Den zweiten Band der Albert’schen Sammlung bildet eine Anthologie
aus Jaroslav Vrchlicky. Dieser Dichter ist seit Jahren ein Liebling des
deutschen Publicums, einzelne seiner zahlreichen Werke gehören zu den grossen,
unsterblichen Ereignissen in der Weltliteratur. Albert gebürt neben Friedrich
Adler und anderen das grosse Verdienst, uns diesen ersten Stern am Dichter¬
himmel gewissermassen näher gerückt zu haben. Als Lyriker steht Vrchlicky
neben Goethe, als geistvoller Uebersetzer — er hat Schiller’s „Wilhelm
Tell“, Goethe's „Faust“, Dante und anderes seinem Volke geschenkt — neben
Rückert; dabei verfügt er über eine sehr bedeutende dramatische Begabung, die
an scharfer Charakteristik und philosophischer Sprache an Hebbel erinnert,
über eine modern-social angehauchte Prosa.
Der dritte und vierte Band der Albert’schen Sammlung würdigt
jüngere böhmische Dichter und bringt als köstlichen Beschluss „Volkslieder“.
Diese duftigsten Blüten der Menschenseele sind im allgemeinen kaum zu über¬
setzen; wie sehr Albert der Lösung dieses schönen und schwierigen Problems
nahe kam, sei zum Schlusse an einem Beispiele angedeutet.
Das Mädchenkind ist seit dem zweiten Lebensjahre verwaist; da sie älter
wird, erfährt sie, dass die Mutter auf dem Friedhofe ruhe. Sie läuft hin,
„Wollt’ mit der Nadel klein
Ausgraben Mütterlein.“
Die Mutter schickt sie heim, zur „Anderen“.
„Ach, die ist nicht so zart
Wie ihr es, Mutter, war’t.
Das Brot reicht sie mir stumm
Und dreht es dreimal um.
Ihr gab’t mir Butterbrot
Und war't vor Freude roth.“
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Die todte Mi
nächsten Morgen
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öffentlichte
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