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1. Pamphlets, offprints
Studie unter dem Titel: „Ovid’s Verbannung“ (1898). Heitler ein feiner
Kenner der classischen Literatur, erörtert hier das Verhältnis Ovid’s zu
Kaiser Augustus.
Auf seiner Suche nach einem verlässlichen Sänger seiner Thaten fiel der Blick
des Kaisers auf Ovid, der Verse machen konnte wie nur einer, der allgemeine
Bildung besass und der beim Volke sehr beliebt war. „Ovid dichtete, wie man in
Rom liebte“ sagt Heitler. Seine „Kunst zu lieben“, seine Liebeselegien ergötzten
den Herrscher und waren gewiss nicht — wie einige Forscher angenommen haben
die Ursache der Verbannung. Die „Ars amandi“ ist den römischen Sitten ent¬
Schönen buhlten, keusch nur die Nichtbegehrte war, wie in Ovid nachzulesen ist.
An diesen Minnesänger ergieng der Ruf, Augustus’ Thaten zu besingen. Und
weil Ovid, wie Heitler unzweifelhaft nachweist, nicht der Sänger des Fürsten
sein wollte, wurde er verbannt. Diese Verbannung war der Racheact einer gekränkten
Eigenliebe! Das erklärt auch die Grausamkeit und Unerbittlichkeit gegen den heiteren
Sohn der Musen. Während andere Verbannte in Ueppigkeit schwelgten, wurde ihm
das schlechteste Exil zutheil. In dem ungastlichen Tomi muss er seine Tage traurig
und krank beschliessen. „Matt und abgeschlagen ist immer mein Körper; seitdem
ich nach dem Pontus gekommen, quälen mich Schlaflosigkeit und schreckhafte Träume
und mundet mir nicht die Speise .., und lange liegt im Magen die träge Last...
Schweres Heimwen
Doch mehr als der kranke Körper ist krank die Seele.“
quält ihn: „Vor meinen Augen schweben umher die Häuser, die Stadt und die
Plätze, und es tauchen auf die Erlebnisse, die sich an die Orte knüpfen.“ Tomi hat
fortwährend die Angriffe wilder Horden zu bestehen; der alte Ovid muss gerüstet
zur Bewachung des Mauerwerkes ausrücken; „Sobald von der Warte der Wächter
das Nahen des Feindes anzeigt, lege ich sogleich mit zitternder Hand die Waffen
an.“ Ovid’s Klagen und Thränen wollen nicht aufhören. Dieses Jammerns wegen
ist er vielfach verurtheilt worden. Heitler, der Arzt, nimmt in einer bescheidenen
Fussnote den Dichter gegen diese Angriffe in Schutz: Ovid war in Tomi krank,
psychisch und körperlich schwer krank; die Sehnsucht nach Rom, die Entbehrungen,
das böse Klima, die traurige Umgebung, die Angst um das Leben, die fortwährende
Seelenpein erzeugten bei ihm schwere neurasthenische Zustände. Die Neurasthenie
ist keine Erkrankung der Neuzeit, sie kam schon im Alterthume vor und hat in
Ovid einen classischen Darsteller gefunden.
So lautet die wissenschaftliche Diagnose und ihre Begründung für Ovid's
Zustand.
Dr. Josef Steinbach (geb. am 3. Jänner 1850 in Fünfkirchen) ver¬
öffentlichte „Heimatsklänge“ (1882), eine Uebersetzung der Gedichte von
J. Kiss (1886) und unter dem Titel „Eigenes und Fremdes“ (1888) eigene
Poesien und Uebersetzungen dreier Erzählungen von Petöfi ferner „Jehova“,
eine Erzählung in Versen (1887). Von seinen stimmungsvollen Versen seien
hier die erste und letzte Strophe aus der „Resignation“ (Wiener Almanach,
1892) mitgetheilt.
„Gnadenmilder Augenschimmer,
Süsser, warmer Sonnenschein,
Strahle, strahle in die Trümmer
Meines Glückes tief hinein!
Rosen! Ach vorbei für immer!...
Schlinge Epheu um mein Zelt,
Dass er mir die letzten Trümmer
Einst’gen Glück’s zusammenhält!“ —
22
„Herbstlic
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1. Pamphlets, offprints
Studie unter dem Titel: „Ovid’s Verbannung“ (1898). Heitler ein feiner
Kenner der classischen Literatur, erörtert hier das Verhältnis Ovid’s zu
Kaiser Augustus.
Auf seiner Suche nach einem verlässlichen Sänger seiner Thaten fiel der Blick
des Kaisers auf Ovid, der Verse machen konnte wie nur einer, der allgemeine
Bildung besass und der beim Volke sehr beliebt war. „Ovid dichtete, wie man in
Rom liebte“ sagt Heitler. Seine „Kunst zu lieben“, seine Liebeselegien ergötzten
den Herrscher und waren gewiss nicht — wie einige Forscher angenommen haben
die Ursache der Verbannung. Die „Ars amandi“ ist den römischen Sitten ent¬
Schönen buhlten, keusch nur die Nichtbegehrte war, wie in Ovid nachzulesen ist.
An diesen Minnesänger ergieng der Ruf, Augustus’ Thaten zu besingen. Und
weil Ovid, wie Heitler unzweifelhaft nachweist, nicht der Sänger des Fürsten
sein wollte, wurde er verbannt. Diese Verbannung war der Racheact einer gekränkten
Eigenliebe! Das erklärt auch die Grausamkeit und Unerbittlichkeit gegen den heiteren
Sohn der Musen. Während andere Verbannte in Ueppigkeit schwelgten, wurde ihm
das schlechteste Exil zutheil. In dem ungastlichen Tomi muss er seine Tage traurig
und krank beschliessen. „Matt und abgeschlagen ist immer mein Körper; seitdem
ich nach dem Pontus gekommen, quälen mich Schlaflosigkeit und schreckhafte Träume
und mundet mir nicht die Speise .., und lange liegt im Magen die träge Last...
Schweres Heimwen
Doch mehr als der kranke Körper ist krank die Seele.“
quält ihn: „Vor meinen Augen schweben umher die Häuser, die Stadt und die
Plätze, und es tauchen auf die Erlebnisse, die sich an die Orte knüpfen.“ Tomi hat
fortwährend die Angriffe wilder Horden zu bestehen; der alte Ovid muss gerüstet
zur Bewachung des Mauerwerkes ausrücken; „Sobald von der Warte der Wächter
das Nahen des Feindes anzeigt, lege ich sogleich mit zitternder Hand die Waffen
an.“ Ovid’s Klagen und Thränen wollen nicht aufhören. Dieses Jammerns wegen
ist er vielfach verurtheilt worden. Heitler, der Arzt, nimmt in einer bescheidenen
Fussnote den Dichter gegen diese Angriffe in Schutz: Ovid war in Tomi krank,
psychisch und körperlich schwer krank; die Sehnsucht nach Rom, die Entbehrungen,
das böse Klima, die traurige Umgebung, die Angst um das Leben, die fortwährende
Seelenpein erzeugten bei ihm schwere neurasthenische Zustände. Die Neurasthenie
ist keine Erkrankung der Neuzeit, sie kam schon im Alterthume vor und hat in
Ovid einen classischen Darsteller gefunden.
So lautet die wissenschaftliche Diagnose und ihre Begründung für Ovid's
Zustand.
Dr. Josef Steinbach (geb. am 3. Jänner 1850 in Fünfkirchen) ver¬
öffentlichte „Heimatsklänge“ (1882), eine Uebersetzung der Gedichte von
J. Kiss (1886) und unter dem Titel „Eigenes und Fremdes“ (1888) eigene
Poesien und Uebersetzungen dreier Erzählungen von Petöfi ferner „Jehova“,
eine Erzählung in Versen (1887). Von seinen stimmungsvollen Versen seien
hier die erste und letzte Strophe aus der „Resignation“ (Wiener Almanach,
1892) mitgetheilt.
„Gnadenmilder Augenschimmer,
Süsser, warmer Sonnenschein,
Strahle, strahle in die Trümmer
Meines Glückes tief hinein!
Rosen! Ach vorbei für immer!...
Schlinge Epheu um mein Zelt,
Dass er mir die letzten Trümmer
Einst’gen Glück’s zusammenhält!“ —
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„Herbstlic