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Pamphlets offprints
„Wir sind alle geneigt, einen augenblicklichen Seelenzustand für dauernd zu
halten, aus einer momentanen Verstimmung in eine allgemeine pessimistische Welt¬
anschauung zu verfallen und überhaupt in den meisten Fällen falsch und ungerecht
zu generalisieren. So kommen wir dazu, über eine und dieselbe Sache die verschieden¬
sten Urtheile zu fällen, je nach der Stimmung, in der wir uns gerade befinden, Aber
die Dinge ändern sich nicht, nur die Art, wie wir sie sehen, ist immer eine andere.
Es ist daher thöricht, einer zukünftigen Stimmung vorgreifen zu wollen und
sich durch Vorsätze eine gebundene Marschroute aufzuzwingen; man verursacht sich
ganz unnütze Seelenkämpfe und verdirbt sich die Freude am Leben, denn wenn die
Vorsätze nicht eingehallen werden, verachtet man sich, was doch immerhin be¬
leidigend ist.
Und gewöhnlich werden sie nicht eingehallen!
Ich habe zum Beispiel gefunden, dass jene, die sich vorgenommen haben, nicht
zu heiraten, die sichersten Ehecandidaten sind. Diese Leute erliegen am sichersten
der Versuchung, die sie selbst mit dem Reiz des Verbotenen bekleidet haben, während
jene Glücklichen, die sich in dieser Beziehung nichts vornehmen, oft die süsse Ruhe
des Junggesellenthums unbehelligt bis an ihr seliges Ende geniessen.
Doch da gerathe ich in die Gefahr, unversehens mir das ganze Frauengeschlecht
an den Hals zu hetzen, und ich nehme mir daher vor, meine Auseinandersetzungen
zu schliessen. Diesen Vorsatz will ich einmal ausnahmsweise einhalten.“
Dr. Hermann Vinzenz Heller (geb. am 22. August 1866 zu Wien)
absolvierte 1891 die allgemeine Malerschule der Wiener Akademie der bildenden
Künste, war hierauf Specialschüler für Historienmalerei und ist derzeit Docent
für Anatomie an der Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums für Kunst
und Industrie. Von seinen Originalarbeiten heben wir hervor: Eine doppelt¬
lebensgrosse Büste „Columbus“ (aufgestellt in der Bibliothek der geographischen
Gesellschaft), eine lebensgrosse Bleistiftzeichnung „Hyrtl auf dem Todten¬
bette“ (Perchteidsdorf, 18. Juli 1894, im Besitze des städtischen Museums in
Wien): „Episode aus der kretensischen Insurrection“, Oelbild, aufgenommen in
den Cyklus: „Unsere Marine in Wort und Bild“ (Urania etc.); die Collection
von 50 lebensgrossen, plastischen Charakter-Masken zur künstlerischen Dar¬
stellung der mimischen Muskelwirkung (1. Serie, demonstriert und ausgestellt
auf der Deutschen Naturforscherversammlung in Wien 1894; 2. Serie,
demonstriert und ausgestellt auf der Deutschen Naturforscherversammlung in
München, September 1899).
Dr. Ignaz Schwarz (geb. am 17. Juli 1867 zu Neutra) hat belletristi¬
sche Arbeiten publiciert.
Dr. Arthur Schnitzler (geb. am 15. Mai 1862 zu Wien) hat anfangs in
Zeitschriften lyrische Gedichte und Skizzen veröffentlicht, welche die Themen an¬
klingen lassen, die seither seine Novellen und vor allem seine Dramen bewegen.
„Das Vorstadtmädel“, „Das süsse Mädel“, das sich mit Haut und Haaren dem
Geliebten ergibt, das die Institution der Ehe gar nicht oder nur so von un¬
gefähr kennt, hat er gewissermassen aus der französischen Literatur ins
Deutsche übersetzt. Aber er stattete diese Märtyrerin der Liebe mit deutschem,
speciell wienerischem Empfinden aus; sie liebt nicht, um verlassen zu werden
und wieder zu lieben — sie liebt, um zu sterben. Sie leidet gewissermassen
an einer Hypertr phie des Gefühls und des Charakters.
In „Liebelei“ ist eine solche Heldin meisterhaft geschildert. In dem „Ver¬
mächtnis“ erreicht dieses Motiv in der Heldin Toni Weber eine tragische Höhe.
Der Einjährig-Freiwillige Hugo hat einen schweren Fall vom Pferde gethan und
bittet seine Eltern vor dem Tode, sich seiner Toni und ihres Kindes anzunehmen.
Das geschicht. Das Kind stirbt und Toni wird bald von der bürgerlichen Moral gezwungen,
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das Haus und das Leben
spricht schliesslich das u
nicht gewagt, sie so lieb
erwiesen, Gnaden — wir
Das Motiv des
Novellen Schnitzle
an und für sich ein
lebhaft beschäftigt, im
zu dichten. Die Thea
Hündin niedergeschossel
logische Theatermode,
aller Lügen gegangen.
der Mann (zumeist ein
söhnung reicht. An de
arbeitet, als irgend ein
brecherin mit den feins
das an der Liebe und¬
Von zahlreichen, h
(Meisterwerke der Novellis
seinem Junggesellenheim;
einen Boten und erfährt,
Hause wandelt er auf und
ein Stockwerk von ihr ir
logisch meisterhaft darges
der Kerzen machte, dass
nickte ihr zu, als nähme
er gehen, aber nun war
wurde mit einem Mal
schien, und er konnte es
und nun stehst du da wil
ich die Deine war, dass
meine Hände zu küssen.
Aber er wagte es nicht.
lief beschämt durch die S
anderen, als hätte ihn
Schnitzler is
Form. Schon die „Lieb
spannende und Effecte
kleine Komödie“ beherrs
listen; bereits in der Se
seiner Diction staunen.
Seine Novelle „Ster
zugleich. Ein Phthisiker s
Lösungen sind mit der b
ganze Erzählung grau in
Man hat Arthur
keit in der Themenwah
Liebe; nebenbei ein dri
des weiblichen Geschled
angedeutet. Erst in aller
allgemeineren menschlich
celsus“, „Die Gefährtin“
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„Wir sind alle geneigt, einen augenblicklichen Seelenzustand für dauernd zu
halten, aus einer momentanen Verstimmung in eine allgemeine pessimistische Welt¬
anschauung zu verfallen und überhaupt in den meisten Fällen falsch und ungerecht
zu generalisieren. So kommen wir dazu, über eine und dieselbe Sache die verschieden¬
sten Urtheile zu fällen, je nach der Stimmung, in der wir uns gerade befinden, Aber
die Dinge ändern sich nicht, nur die Art, wie wir sie sehen, ist immer eine andere.
Es ist daher thöricht, einer zukünftigen Stimmung vorgreifen zu wollen und
sich durch Vorsätze eine gebundene Marschroute aufzuzwingen; man verursacht sich
ganz unnütze Seelenkämpfe und verdirbt sich die Freude am Leben, denn wenn die
Vorsätze nicht eingehallen werden, verachtet man sich, was doch immerhin be¬
leidigend ist.
Und gewöhnlich werden sie nicht eingehallen!
Ich habe zum Beispiel gefunden, dass jene, die sich vorgenommen haben, nicht
zu heiraten, die sichersten Ehecandidaten sind. Diese Leute erliegen am sichersten
der Versuchung, die sie selbst mit dem Reiz des Verbotenen bekleidet haben, während
jene Glücklichen, die sich in dieser Beziehung nichts vornehmen, oft die süsse Ruhe
des Junggesellenthums unbehelligt bis an ihr seliges Ende geniessen.
Doch da gerathe ich in die Gefahr, unversehens mir das ganze Frauengeschlecht
an den Hals zu hetzen, und ich nehme mir daher vor, meine Auseinandersetzungen
zu schliessen. Diesen Vorsatz will ich einmal ausnahmsweise einhalten.“
Dr. Hermann Vinzenz Heller (geb. am 22. August 1866 zu Wien)
absolvierte 1891 die allgemeine Malerschule der Wiener Akademie der bildenden
Künste, war hierauf Specialschüler für Historienmalerei und ist derzeit Docent
für Anatomie an der Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums für Kunst
und Industrie. Von seinen Originalarbeiten heben wir hervor: Eine doppelt¬
lebensgrosse Büste „Columbus“ (aufgestellt in der Bibliothek der geographischen
Gesellschaft), eine lebensgrosse Bleistiftzeichnung „Hyrtl auf dem Todten¬
bette“ (Perchteidsdorf, 18. Juli 1894, im Besitze des städtischen Museums in
Wien): „Episode aus der kretensischen Insurrection“, Oelbild, aufgenommen in
den Cyklus: „Unsere Marine in Wort und Bild“ (Urania etc.); die Collection
von 50 lebensgrossen, plastischen Charakter-Masken zur künstlerischen Dar¬
stellung der mimischen Muskelwirkung (1. Serie, demonstriert und ausgestellt
auf der Deutschen Naturforscherversammlung in Wien 1894; 2. Serie,
demonstriert und ausgestellt auf der Deutschen Naturforscherversammlung in
München, September 1899).
Dr. Ignaz Schwarz (geb. am 17. Juli 1867 zu Neutra) hat belletristi¬
sche Arbeiten publiciert.
Dr. Arthur Schnitzler (geb. am 15. Mai 1862 zu Wien) hat anfangs in
Zeitschriften lyrische Gedichte und Skizzen veröffentlicht, welche die Themen an¬
klingen lassen, die seither seine Novellen und vor allem seine Dramen bewegen.
„Das Vorstadtmädel“, „Das süsse Mädel“, das sich mit Haut und Haaren dem
Geliebten ergibt, das die Institution der Ehe gar nicht oder nur so von un¬
gefähr kennt, hat er gewissermassen aus der französischen Literatur ins
Deutsche übersetzt. Aber er stattete diese Märtyrerin der Liebe mit deutschem,
speciell wienerischem Empfinden aus; sie liebt nicht, um verlassen zu werden
und wieder zu lieben — sie liebt, um zu sterben. Sie leidet gewissermassen
an einer Hypertr phie des Gefühls und des Charakters.
In „Liebelei“ ist eine solche Heldin meisterhaft geschildert. In dem „Ver¬
mächtnis“ erreicht dieses Motiv in der Heldin Toni Weber eine tragische Höhe.
Der Einjährig-Freiwillige Hugo hat einen schweren Fall vom Pferde gethan und
bittet seine Eltern vor dem Tode, sich seiner Toni und ihres Kindes anzunehmen.
Das geschicht. Das Kind stirbt und Toni wird bald von der bürgerlichen Moral gezwungen,
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Das Motiv des
Novellen Schnitzle
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lebhaft beschäftigt, im
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