VI, Allgemeine Besprechungen 1, Kronfeld, Seite 27

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box 36/1
Panphlets offprints
4
zustand für dauernd zu
das Haus und das Leben zu verlassen. Die 20jährige Schwester des Freiwilligen
eine pessimistische Welt¬
spricht schliesslich das wahre Wort: „.. Wir sind feig gewesen, wir haben es
len falsch und ungerecht
nicht gewagt, sie so lieb zu haben, wie sie es verdient hat. Gnaden haben wir ihr
lbe Sache die verschieden¬
erwiesen, Gnaden — wir! — Und hätten einfach gut sein müssen, Mama!“
ns gerade befinden. Aber
Das Motiv des „süssen Mädels“ zieht durch die Dramen und
h, ist immer eine andere.
Novellen Schnitzler's. Er hat dieses Motiv sogar burgtheaterfähig gemacht
rgreifen zu wollen und
an und für sich eine grosse That. Aber auch die Ehebrecherin hat ihn
en; man verursacht sich
lebhaft beschäftigt, immer und immer wieder weiss er das uralte Motiv neu
n Leben, denn wenn die
zu dichten. Die Theaterepoche, da das verunglückte Weib wie eine tolle
was doch immerhin be¬
Hündin niedergeschossen wurde, ist ja glücklich überwunden; auch die un¬
logische Theatermode, dass der betrogene Gatte in den Tod eilte, ist den Weg
aller Lügen gegangen. Nunmehr sehen wir allabendlich auf dem Theater, wie
orgenommen haben, nicht
der Mann (zumeist ein älterer Philosoph) der Ehebrecherin die Hand zur Ver¬
te erliegen am sichersten
söhnung reicht. An dem Ausbaue dieses Motivs hat Schnitzler mehr ge¬
bekleidet haben, während
arbeitet, als irgend ein zweiter deutscher Dichter. Er stattet das Bild der Ehe¬
imen, oft die süsse Ruhe
brecherin mit den feinsten Reflexen aus: geradezu liebevoll malt er das Weib,
geniessen.
das an der Liebe und Ehe Verbrecherin wurde.
as ganze Frauengeschlecht
Von zahlreichen, hieher gehörenden Novellen sei nur eine: „Ein Abschied“
eine Auseinandersetzungen
(Meisterwerke der Novellistik, I.) kurz skizziert. „Er“ erwartet „sie“ vergebens in
einhalten.“
seinem Junggesellenheim; da sie auch am folgenden Tage nicht kommt, sendet er
August 1866 zu Wien)
einen Boten und erfährt, sie sei schwer krank, sie habe „Kopftyphus“. Vor ihrem
Akademie der bildenden
Hause wandelt er auf und ab und er sieht sie sterben, trotzdem ihn Mauern und
und ist derzeit Docent
ein Stockwerk von ihr trennen. Was in ihm nach ihrem Tode vorgeht, ist psycho¬
hen Museums für Kunst
logisch meisterhaft dargestellt; er dringt bis in das Todtenzimmer. „Das Flimmern
hervor: Eine doppelt¬
der Kerzen machte, dass er ein Lächeln um Anna’s Lippen zu sehen glaubte. Er
thek der geographischen
niekte ihr zu, als nähme er Abschied von ihr und sie könnte es sehen. Jetzt wollte
rtl auf dem Todten¬
er gehen, aber nun war es ihm, als hielte sie ihn mit dem Lächeln fest. Und es
Städtischen Museums in
wurde mit einem Mal ein verächtliches, fremdes Lächeln, das zu ihm zu reden
elbild, aufgenommen in
schien, und er konnte es verstehen. Und das Lächeln sagte: „Ich habe dich geliebt
ia etc.); die Collection
und nun stehst du da wie ein Fremder und verleugnest mich. Sag’ ihm doch, dass
ur künstlerischen Dar¬
ich die Deine war, dass es dein Recht ist, vor diesem Bette niederzuknieen und
nstriert und ausgestellt
meine Hände zu küssen. — Sag’ es ihm! Warum sagst du's ihm denn nicht?“
Wien 1894; 2. Serie,
Aber er wagte es nicht... es trieb ihn aus der Nähe des Hauses, und er eilte
forscherversammlung in
lief beschämt durch die Strassen; denn ihm war, als dürfe er nicht trauern wie die
anderen, als hätte ihn seine todte Geliebte davon gejagt, weil er sie verleugnet.“
Neutra) hat belletristi¬
Schnitzler ist trotz seiner verhältnismässigen Jugend Meister der
Form. Schon die „Liebeiei“ und „Freiwild“ zeichnen sich durch künstlerische,
u Wien) hat anfangs in
spannende und Effecte nicht suchende Expcsition aus; in einer Erzählung „Die
welche die Themen an¬
kleine Komödie“ beherrscht er die Briefform wie die besten französischen Novel¬
seine Dramen bewegen.
listen; bereits in der Scenensammlung „Anatel“ macht die Kürze und Schärfe
Haut und Haaren dem
seiner Diction staunen.
t oder nur so von un¬
Seine Novelle „Sterben“ (1895) verräth den grossen Dichter und den Arzt
kösischen Literatur ins
zugleich. Ein Phthisiker scheidet langsam vom Leben und von seiner Geliebten; beide
r Liebe mit deutschem,
Lösungen sind mit der bewunderungswürdigsten Kunst durchgeführt, wenn auch die
verlassen zu werden
ganze Erzählung grau in grau gehalten ist.
leidet gewissermassen
Man hat Arthur Schnitzler nicht mit Unrecht eine gewisse Einseitig¬
keit in der Themenwahl vorgeworfen; hier Liebe ohne Ehe, da Ehe ohne
bildert. In dem „Ver¬
Liebe; nebenbei ein drittes oder viertes Motiv, wie Standesvorurtheile. Schutz
r eine tragische Höhe.
des weiblichen Geschlechtes vor männlichen Roheiten, die Duellfrage, kaum
om Pferde gethan und
angedeutet. Erst in allerletzter Zeit hatten wir das Glück, den Dichter auf einem
hres Kindes anzunehmen.
allgemeineren menschlichen Gebiete zu bewundern, In den drei Einactern „Para¬
rlichen Moral gezwungen,
celsus“, „Die Gefährtin“, „Der grüne Kakadu“ schildert er zwar noch das Weib
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