VI, Allgemeine Besprechungen 1, 1-14, Lamprecht Deutsche Geschichte Ergänzungsband, Seite 17

Panphlets offorints
Dichtung.
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z. B. geht in einer jüngeren Schöpfung, „Mutter Maria“, ent¬
schieden seiner Kunst neurologischer Wirkungen nach.
Entwicklungsgeschi#tlich aber wird man Maeterliuck mit
den deutschen Stimmungsdramatikern zusammenstellen müssen.
So verschieden die Technik auf beiden Seiten ist, so ver¬
wandt ist das Ausgehen von der Nervengrundlage und das
Drängen in die Stimmung: nur daß diese Stimmung bei den
Deutschen mehr subjektiv gefaßt und darum mehr von der
Person des Dichters her dem Zuhörer vorgetragen wird,
während der Vlame, wie gesagt, mit objektiven Momenten
vergangener Zeiten arbeitet, die der Gegenwart nur noch als
Stimmungswerte gegenwärtig sind, und daher imstande ist,
diese Momente mehr aus den gegenständlichen Erscheinungen
des Dramas selbst heraus im Zuhörer wachzurufen. Läßt sich
aber darum Maeterlinck schon als „objektivistischer Idealist“
bezeichnen? Ersetzt seine halb objektive Stimmungsgrundlage
dem modernen Menschen wirklich eine Weltanschauung? Keines¬
wegs vielmehr wird diesem der Weg, den Maeterlinck ein¬
geschlagen hat, bei klarer Überlegung um so weniger zum Ziele
zu führen scheinen, je wahrhaft moderner er selbst im Grunde
seines Herzens fühlt, — und das was daher an Maeterlinck
anziehend bleiben wird, wird schließlich doch nur die rein neuro¬
logische Grundlage sein.
Und so weist denn auch der Entwicklungsgang des neu¬
rologischen Dramas wieder darauf hin, daß es mit rein impressio¬
nistischen Experimenten, selbst unter Dreingabe irgendwelcher
Stimmung, auf dem Gebiete des Dramas nicht gethan ist: daß
vielmehr festere Elemente einer objektiven Weltanschauung der
Gegenwart hinzukommen müssen soll eine große dramatische
Kunst entstehen. Elemente einer solchen Weltanschauung aber
sind vielfach konservative Elemente: und so begreift es sich,
daß man, indem man das Bedürfnis dunkel fühlte, den Blick
rückwärts wandte in die Vergangenheit: Versuche der Ver¬
quickung von alt und neu, Übergangsstufen zwischen dem Drama
von heute und gestern haben schließlich am meisten das Be¬
dürfnis eines Dramas großer Weltanschauung gefördert. Freilich