VI, Allgemeine Besprechungen 1, 1-14, Lamprecht Deutsche Geschichte Ergänzungsband, Seite 67

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1. Panp.offprints
Dichtung.
r die weitesten aller Arenen, die
politische, sind noch wenig betreten
t sich, zuerst bei Ibsen, dann, mit
bei Hauptmann, Sudermann, Halbe,
Schnitzler u. a. auch eine besondere
g unter diesen Umständen heraus:
Handlung und damit ein deutlicher
sein wenigstens idealistischer Mo¬
hst in eine Umwelt eingeführt, die
strebungen der zur Handlung be¬
Gleichgewicht steht; dann erscheint
Gleichgewicht stört, indem sie dem
egen die Umwelt drängendes Innere
macht, und der Konflikt beginnt.
Dramen eine Person nicht, so
ich mehrere aufgebracht, so z. B. in
starke Weber Bäcker und der aus
Webergesell Jäger.
Gestalten wohl an etwas wie einen
in Bewegung setzenden deus ex
isdruck erlaubt ist. Die Berechtigung
an Eigentümlichkeiten des parallel
Romans heranzieht. Dieser ist be¬
so gebaut, daß ein soziales Milien
in dessen langsame Anderungen vor¬
endlich zu Tage tritt, wie gewisse
Zustand des ersten Milieus sehr
ußzustand nicht mehr leben können
ei denn, daß sie sich diesem Zustand
wird also der Konflikt im Romane
Nilieus erzeugt und dieses (und
Gesetzmäßigkeit) dadurch als über¬
Weg, der langsame und eindring¬
kann im Drama nicht eingeschlagen
das Problem so gefaßt, daß sich
urch einen äußeren Anlaß, zumeist
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Dichtung.
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eine hinzukommende Person, auf einmal und unerwartet als
im Konflikt mit dem Milieu besindlich erkennt und im Kampfe
mit diesem zu Grunde geht.
Dieser Zusammenhang zeigt, daß der äußere Anlaß, die
hinzukommende Person, ein sehr starkes Moment einer Stili¬
sierung der Handlung ist und beweist mithin wiederum für ein
idealistisches, d. h. von einer bestimmten Weltanschauung ab¬
hängiges Drama. Und in tausend anderen kleinen Be¬
obachtungen, die namentlich die starke Vereinfachung der Hand¬
lung betreffen würden, würde sich auch sonst noch der Nachweis
erbringen lassen, daß es sich schon in den Dramen des natura¬
listischen Impressionismus, wenn auch noch keineswegs um eine
klar ausgesprochene Weltanschauung, so doch um Elemente
einer solchen handelt.
Freilich werden diese als für ein Drama von höchster Be¬
deutung ausreichend noch nicht erachtet werden können. v. Han¬
stein berührt doch wohl einen springenden Punkt, wenn er
einmal von Fuhrmann Henschel behauptet, das sei ein Mensch,
„der sich niemals als Thäter seiner Thaten fühlt, weil er
nur immer den Weg trottet, den ihm die Umstände anweisen“.
Die Umstände! Das ist es. Es fehlt den handelnden Per¬
sonen noch der starke sittliche Nerv; sie sind zu sehr Utilitarier
oder sittlich ratlos. Darum sind auch die Konflikte nicht stark,
und gelegentlich wird man am Schluß eines Dramas an das
Hornberger Schießen erinnert.
Aber auch hier zeigen sich doch schon Spuren weiterer
Entwicklung. Charakteristisch scheint zu sein, daß man augen¬
blicklich vielfach geneigt ist, Sudermann als Dramatiker neben
Hauptmann zu stellen, ja vor ihm gehen zu lassen, obwohl
Hauptmann der tiefere Psycholog und auch wohl die stärkere
dichterische Kraft ist. Warum?
Hauptmann läßt seine Einzelpersonen zu sehr im Zuständ¬
lichen stecken. In seiner Begabung liegt etwas Plastisches,
wie er sich denn eine Zeitlang zum Bildhauer bestimmt fühlte.
Darum schafft er gern Menschen an sich, aus reiner Freude
an ihrem Dasein, ohne in ihnen eine Idee, etwa gar eine sitt¬
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