VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1899–1902, Seite 10

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Ausschnitt
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aue Eraie Prpane
Ausschnitt aus:
von 48 760

scherdrang eines gründlichen
Amouretten, der Separat=Cabinette und Junggesellen¬
Arthur Schnitzler.
das letzte Lebensjahr eines
wirthschaften, und ergötzlich ist der Einfall, daß die Haupt¬
person der oft verliebte Anatol, so wie sein klarblickender
dem Tode Geweihten, dessen
Von Georg Brandes.
Freund Max in allen Gesprächen vorkommen, von ver¬
Mädchen, das er liebt, voll I
Im Laufe von kurzen sieben, acht Jahren hat
schiedenen Seiten beleuchtet, in Beziehung zu verschiedenen
nenlust, Eifersucht liebt, sein
Arthur Schnitzler sich zum interessantesten Dichter Oester¬
Frauen gezeigt werden, bis der Leser sie von Grund
dingter Gegenliebe, sein eigen
reichs entwickelt. Es hält schwer, seine hervorstechenden
aus kennt.
liebte mit ins Grab zu nehl
Eigenschaften anzugeben, da er so vielgestaltig ist. Doch
Das Schauspiel „Das Märchen“ zeigte mit seinem Ernst
Besserung, die Abnahme der
das läßt sich in Wahrheit von ihm sagen: er ist ein
Schnitzler von einer ganz neuen Seite. Hier verrieth sich
des rücksichtslosen Egoismus,
genialer Mensch. Dieser zugleich vielsagende und wenig
zum erstenmale der Gemüthsmensch in ihm; aber auch
1898 erschien ein Band ###
bezeichnende Ausdruck bezieht sich darauf, daß in seinem
der scharfsichtige Menschenkenner war dem gesellt und legte
„Die Frau des Weisen“,
Wesen gleichzeitig etwas höchst Verständiges und etwas
seine Kenntniß des Menschenherzens dar. Das Stück be¬
darunter ein Meisterwerk, die
ganz Unberechenbares, scheinbar Irrationelles liegt. Man
rührt die Theaterwelt, wie so manches von Schnitzler. Es
schweigen“ betitelt. Es i
ist nicht so sicher, nicht devon durchdrungen, wenn ein neues
ist ja die Welt, in der er sein Leben größtentheils ver¬
sicherem Auge ausgeführte Dis
Buch von ihm erscheint, daß es einen „Fortschritt“, wie
bracht hat, wenngleich er lange als praktischer Arzt thätig
Fast nur Gutes und Schöne
man zu sagen pflegt, gegen sein früheres Schaffen be¬
war. In diesem Schauspiel protestirt ein junger Mann in
Frau, bei einer Katastrophe
deute doch getrost verläßt man sich darauf, daß es das
erhaltungstrieb, über die Ufer
Gemüth in Stimmung versetzen, dem Geist fruchtbare An¬
einem Gespräch mit anderen jungen Leuten gegen das
bewußte Unwürdige darin zu
Märchen von den „Gefallenen“, das heißt dagegen, daß
regungen bieten werde.
sie ist eines Abends mit ihre
Sein neuestes Werk das fünfactige Schauspiel „Der
man zwischen den anständigen und den unanständigen
hinausgefahren um eine Stu
Schleier der Beatrice“ ist eine inhaltreiche Arbeit, die sich
Frauen sich einen Abgrund aufthun läßt, erklärt, man
Gespräch mit ihm zu verbring
der Erinnerung einprägt, berückend und verrückt, wirklich¬
stoße die Letzteren durch seine Verachtung in diesen Ab¬
worfen wird, er mit zerschmei
keitstreu in der Anlage und vorsätzlich wirklichkeitsscheu
grund hinab. Das Stück zeigt, wie die Eifersucht auf die
in der Ausführung, reich an Sonne und Feststimmung,
und sie, nachdem sie eine We
Vergangenheit des Weibes, das Fedor liebt, ihn allmälig
mit einem tiefen Schlagschatten von Todesgedanken quer
halten hat, sich durch die Fl
dahin bringt, es geistig zu mißhandeln, und ihnen das Zu¬
compromittirt zu werden. Sie
über dem Bilde, einer echt Schnitzler'schen Mischung von
sammenleben unmöglich macht. Es ist ein Schauspiel ohne
richtigkeit; in der Angst und
Genusseslechzen und Grübelei über den Tod als nahe
Glanz, doch nicht blos eine ehrliche, prunklose, auch eine
bevorste#end, Drang nach rückhaltloser Leidenschaft, tiefer
verdrängt der Gedanke an ihr
durch ihre Seelenkenntniß hochstehende Arbeit. Die junge
Begeisterung für Kunst — all dies im Rahmen eines
Rücksicht; doch kaum nach H
angehende Schauspielerin hier ist obgleich minder glän¬
außer Stande, ihre Bewegung
Schauspieles, das zur Zeit des Cäsar Borgia in Bologna
zend, doch ungleich echter als Sudermann's Magda in
Alles ihrem Gatten.
spielt und sicherlich auf der Bühne von nicht geringer
der „Heimat“.
In den Schauspielen
Wirkung sein wird.
Nun folgte das feine, schöne, kleine Schauspiel „Lie¬
mächtniß“ ist der Oppositions
Wer aber Schnitzler's Talent liebt, den interessirt
belei“ mit dem Schnitzler zum erstenmale auf dem
Gesellschaft, der Trotz gegen
nicht so sehr die Frage, ob das neue Drama mehr oder
Theater durchdrang. Dies Stück ist wieder echt wienerisch,
neuadings bei Schnitzler
minder Glück auf dem Theater machen wird, als die, wie
was man vielleicht nicht einmal in Oesterreich su stark em¬
schwankt ja zwischen den beid
es hervorwuchs aus dem Stamme seines Seelenlebens
pfand. wie in Berlin wo es auch fast durchgehends von
Verstandesmenschen und dem
und wie es sich zu seinen früheren Arbeiten verhalte.
österreichischen Schauspielern gespielt wurde. Es gibt sich
her; hier spricht nun der Ve
Selten war wol noch in der modernen deutschen
darin dieselbe Mischung von Gemüth und Welterfahrung
Stück tritt dem Officiershochm
Literatur ein Debüt so glänzend, wie das Arthur Shnitz¬
kund, wie in dem früheren, doch die Grazie ist hinzugekom¬
sellschaft zählender Frauen —
ler's mit der kleinen Sammlung von Dialogen „Anatol“.
men, und die leichtgeschürzte Heiterkeit des ersten Actes bildet
an einem Sommertheater —
Das leichtsinnige Wien ist in dem Buche, mit seiner Leicht¬
eine vortreffliche Folie für den Ernst und die Todesbot¬
Angriff auf die Unvernunft d
fertigkeit und Bitterkeit, seiner Wehmuth und seinem Witz,
schaft im letzten.
rechtigkeit seiner Entscheidunge
seiner Weltklugheit und seiner Frauenklugheit. Viel Er¬
Ein Jahr vor dem Erscheinen der „Liebelei“ hatte
ungefähr wie in Frankreich P
fahrung ist hier zusammengedrängt, und mit überlegener
Schnitzler seine einzige größere Erzählung, die peinlich er¬
sehr darauf angelegt, der Ten
Ironie und Selbstironie wird sie mitgetheilt. Auf wenigen
Seiten lebt hier für lange Zeiten das Wien der greifende Novelle „Sterben“ herausgegeben. Mit dem For= weniger den Eindruck wirklich