2. Cuttings
box 37/2
Telefon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
=n106 „OBSERVER“ Nr. 43
L. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyeló“ —
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
Hamuurg Getakuiere
vom
gihe
D## alte und junge Oesterreich.
(Oesterreichische Dichtung im verflossenen Jahrhundert.)
Von Hans Benzmann.
(Schluß.)
Ich komme nun nach Charakterisirung dieser
selbständigen und ursprünglichen Künstler zu dem so¬
Hermann Bahr
genannten „jungen Wien“.
wird öfters als der Entdecker des „jungen Wiens“ ge¬
Für
bsive
nannt. Ich kann nicht beurtheilen, in wie weit er
den jungen Talenten genützt, in wie weit er ihnen rto.
geschadet hat. Er hat einige diese jungen Dichter lbar
Oraus.
charakterisirende Essais geschrieben (vergl. „Studien
„1
zur Kritik der Moderne"); aber gerade diese Essais
ist das
sind kaum Charakteristiken zu nennen. Es ist mir
es den
Abonne
nicht möglich gewesen, aus seinen eigenen Werken
Abonne
das einheitliche Bild einer Persönlichkeit oder einer
künstlerischen Entwicklung zu gewinnen. Eine Pro¬
rgen¬
theusnatur, die immer wieder ein anderes Gesicht
Inhalt.
eitung“)
blätt
zeigt! Als Dichter erscheint er mir ohne eigene, ur¬
Leben
wodurel
sprüngliche dichterische Begabung zu sein. Ueber das
ilungen
des In¬
junge Wien ist schon viel geschrieben worden. Wiene¬
werden
risches Wesen kommt in der melancholisch=leichten
Kunst eines Schnitzler-und in der tiefsinnig=gra¬
ziösen eines Peker Altenberg (beider Werke
bei S. Fischer, Berlin) gewiß zum Ausdruck. Diese
zarten Dichterseelen schufen eine Kunst, die, wenn
irgend eine, den Namen Decadence=Poesie ver¬
dient. Auch Hoffmannsthal und Felix
Dörmann gehören zu ihnen. Es ist keine ober¬
flächliche Kunst. Sie zeigt originellen Stil und ist
gedankentief. Aber sie ist üppig emporgewachsen aus
den Reflexionen der modernen, komplizirten, egoisti¬
schen Seele, die sich nur mit sich selbst beschäftigt und
an nichts Großem sich begeistern kann, weil sie die
Nichtigkeit alles Seienden durchschaut. Alle naive
Kraft, alle naive Freude am großen, zukunftsfrohen,
hoffnungsvollen Leben, alle Fühlung mit der Volks¬
seele ist diesen Dichtern in ihrer steten Beschäftigung
mit der Kunst und ihrer Seele, mit dem Ausdruck
und mit der Sprache abhanden gekommen. Sie sind
Artisten geworden. Darum ist ihre Kunst undeutsch
und unfruchtbar, formell und inhaltlich Decadence¬
Poesie, eine Poesie der Seele, nicht des Gemüthes,
eine Poesie für den Salon und nicht für das Volk.
Kraft und Leidenschaft fehlt ihr, positive Weltan¬
schauung und ursprüngliche, starke Phantasie. Der
Boden, auf dem sie gedeiht, ist die Ueberkultur. Diese
Dichter, die mehr Künstler als Dichter sind, lieben
das Leben, dessen sie überdrüssig sind, und sie lieben
es stets aufs neue, weil sie hoffnungsarm sind, weil
sie das Herannahen eines neuen, starken Geistes
fürchten, der sie unbarmherzig hinwegsegen wird wie
ein erfrischender rauher Sturm. Sehr viel Aehnlich¬
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Telefon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
=n106 „OBSERVER“ Nr. 43
L. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyeló“ —
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
Hamuurg Getakuiere
vom
gihe
D## alte und junge Oesterreich.
(Oesterreichische Dichtung im verflossenen Jahrhundert.)
Von Hans Benzmann.
(Schluß.)
Ich komme nun nach Charakterisirung dieser
selbständigen und ursprünglichen Künstler zu dem so¬
Hermann Bahr
genannten „jungen Wien“.
wird öfters als der Entdecker des „jungen Wiens“ ge¬
Für
bsive
nannt. Ich kann nicht beurtheilen, in wie weit er
den jungen Talenten genützt, in wie weit er ihnen rto.
geschadet hat. Er hat einige diese jungen Dichter lbar
Oraus.
charakterisirende Essais geschrieben (vergl. „Studien
„1
zur Kritik der Moderne"); aber gerade diese Essais
ist das
sind kaum Charakteristiken zu nennen. Es ist mir
es den
Abonne
nicht möglich gewesen, aus seinen eigenen Werken
Abonne
das einheitliche Bild einer Persönlichkeit oder einer
künstlerischen Entwicklung zu gewinnen. Eine Pro¬
rgen¬
theusnatur, die immer wieder ein anderes Gesicht
Inhalt.
eitung“)
blätt
zeigt! Als Dichter erscheint er mir ohne eigene, ur¬
Leben
wodurel
sprüngliche dichterische Begabung zu sein. Ueber das
ilungen
des In¬
junge Wien ist schon viel geschrieben worden. Wiene¬
werden
risches Wesen kommt in der melancholisch=leichten
Kunst eines Schnitzler-und in der tiefsinnig=gra¬
ziösen eines Peker Altenberg (beider Werke
bei S. Fischer, Berlin) gewiß zum Ausdruck. Diese
zarten Dichterseelen schufen eine Kunst, die, wenn
irgend eine, den Namen Decadence=Poesie ver¬
dient. Auch Hoffmannsthal und Felix
Dörmann gehören zu ihnen. Es ist keine ober¬
flächliche Kunst. Sie zeigt originellen Stil und ist
gedankentief. Aber sie ist üppig emporgewachsen aus
den Reflexionen der modernen, komplizirten, egoisti¬
schen Seele, die sich nur mit sich selbst beschäftigt und
an nichts Großem sich begeistern kann, weil sie die
Nichtigkeit alles Seienden durchschaut. Alle naive
Kraft, alle naive Freude am großen, zukunftsfrohen,
hoffnungsvollen Leben, alle Fühlung mit der Volks¬
seele ist diesen Dichtern in ihrer steten Beschäftigung
mit der Kunst und ihrer Seele, mit dem Ausdruck
und mit der Sprache abhanden gekommen. Sie sind
Artisten geworden. Darum ist ihre Kunst undeutsch
und unfruchtbar, formell und inhaltlich Decadence¬
Poesie, eine Poesie der Seele, nicht des Gemüthes,
eine Poesie für den Salon und nicht für das Volk.
Kraft und Leidenschaft fehlt ihr, positive Weltan¬
schauung und ursprüngliche, starke Phantasie. Der
Boden, auf dem sie gedeiht, ist die Ueberkultur. Diese
Dichter, die mehr Künstler als Dichter sind, lieben
das Leben, dessen sie überdrüssig sind, und sie lieben
es stets aufs neue, weil sie hoffnungsarm sind, weil
sie das Herannahen eines neuen, starken Geistes
fürchten, der sie unbarmherzig hinwegsegen wird wie
ein erfrischender rauher Sturm. Sehr viel Aehnlich¬