VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1899–1902, Seite 21

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Literatur, Kunst und Musik




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August 1902.
Redaction und Administration: Wien, IV., Trappelgasse 4.
Nr. 8.
Arthur Schnitzler.
Eine literarische Porträtstudie von
Ungo Schoeppl.
=Der grüne Kakadu- oder -Der Schleier der Beatrice-. Und dieses
In unserer Zeit ein Dichter sein, ist viel. Für Zeitungen oder
Wiener-Milien ist auch so recht das eigentliche Element des Dichters,
Verleger schreiben, will nicht allzuviel bedeuten, hier
sobald er sich davon entfernt, hat man den Eindruck, als ob er sich
und dort gelten gewisse Verbindungen und Protektionen oft
in ein Gebiet begeben habe, das ihm selbst ungleich fremder er¬
mehr als Können und Wissen, — aber ein wirklicher Poet sein, der weit
scheinen müsse. Das ist ja auch ganz natürlich. Seine ganze Studien¬
über die erschrecklich grosse Armee von Skribenten hinausragt und
zeit spielt sich in Wien ab, in Wien besuchte er die Universität, in
dem nichts von jenem Dilettantismus anhaftet, der sich heute vielfach so
Wien promovirt er 1885 zum Doktor der gesammten Heilkunde, in
protzenhaft breitmacht, ein wirklicher Poet sein, der mit jedem Werke
Wien ist er 1886 bis 1888 Sekundararzt im
einen neuen Befähigungsnachweis für seinen
k. k. allgemeinen Krankenhause, von 1888
Beruf erbringt, das heisst etwas. Man hat
Assistent an der Poliklinik. In Wien erscheint
einmal gesagt, die Grenze zwischen Dilettan¬
auch bei Braumüller sein medizinisches Werk
tismus und Beruf sei im Reiche der Dichtung
Ueber functionelle Aphonie und ihre Be¬
schwer zu ziehen und alle grossen Poeten
handlung durch Hypnose und Suggestione.
seien einmal Dilettanten gewesen. Das ist
Holla, sagt da einer, das gehört nicht in
nicht wahr. Der Dilettant schreibt zum Ver¬
die literarische Porträtstudie! Be¬
gnügen, der Poet aus Bedürfnis, der Dilettant
ruhigen Sie sich gefälligst, mein Bester,
ist nie Original, er empfindet nur nach, der
Schnitzler verläugnet auch als Dichter
Dichter aber erschafft, erfindet, der Dilettant
den Arzt nicht, und darum wäre es ge¬
hat der Welt nichts zu sagen, er spricht
radezu eine Lücke, hier über Schnitzler als
gleichsam zu sich und seinen Freunden, der
Arzt und Fachschriftsteller nichts zu sagen.
Poet aber wendet ich an Alle, an jeden, er
Er schrieb auch kritische Aufsätze in der
wirbt seine Freunde und reisst sie mit sich.
-Internationalen klinischen Rundschaut, als
Ein solcher Poet ist Arthur Schnitzler.
deren verantworlicher Redakteur er tätig
Dem Kritiker hat die Individualität eines
war, ferner veröffentlichte er -Londoner
Dichters zu gelten, wo aber gar keine ist,
Briefe- 1888 Nr. 27, 29 und 31 und beteiligte
wäre es vergeblich Bemühen, zu reden.
sich an der Herausgabe des -Klinischen Atlas
Schnitzler aber ist eine Individualität, eine
für Laryngologie und Rhinologiee.
starke, eine kühne, manchmal vielleicht zu
Daneben aber war der Arzt auch Dichter.
kühne. Er hat freilich seine Feinde, aber
Er schrieb als Mitarbeiter der Zeitschriften

ich halte es nicht der Mühe wert, über
Blaue Donau-, Moderne Dichtung-, Mo.
dieselben viel Worte zu verlieren. Ich will
derne Rundschau“, Frankfurter Zeitung- und
hier in kurzen Strichen ein Porträt Schnitz¬
Freie Bühne Gedichte, Erzählungen und dramatische Arbeiten. Aus
lers entwerfen, und dann mögen sich die Leser selbst ein Urteil
jener Periode sind Alkandis Lied-, Episode-,-Frage
über jene bilden, denen Schnitzlers Muse nicht behagt.
andas Schicksal-, -Denksteine-, Anatols Hochzeits¬
Es brauchte nirgends zu lesen sein, dass Arthur Schnitzler am
morgen.
15. Mai 1862 in Wien geboren sei, denn der echte Wiener spricht
1803 erschienen im Bibliographischen Bureau im Berlin sieben
fast aus jedem seiner Werke. Das Wiener-Milien finden wir meistens
Einakter Schnitzlers unter dem Titel Anatol, echte und rechte
bei ihm, sowohl in seinen Novellen und im Romane -Frau Bertha
Komödien voll Leben und flotter, geistvoller Dialoge, die es mit dem
Garlan-, wie in seinen dramatischen Dichtungen mit Ausnahme der¬
vielgerühmten Esprit des französischen Theaters getrost aufnehmen
jenigen, die historischen Hintergrund haben, wie etwa -Paracelsus,