VI, Allgemeine Besprechungen 1, Hans Landsberg, Seite 6

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Max Burckhardt hat einmal nit einer unglaublichen
Kritik des „Orinzen von Homburg“ aufgewartet, und der
geistreiche, allzu geistreiche Hermann Bahr meint von
Kleist, er werde „uns nur immer wieder enttäuschen,
weil es seinem hohen Talente am Maß und an der
Zucht, am stillen Gefühl für die Ordnung fehlt“
Frappanter noch ist der fall Halm. An unserem
Geschmack gemessen ist seine Dramatik, die mit Dorliebe
aus pseudohistorischen Zeiten die blaue Blume der
Romantik aufsteigen läßt, durchaus epigonenhaft und
theatralisch. Dergißmeinnichtpoesie mit Goldschnitt. Seine
Männer, eben noch wildtrotzige Verserker, werden durch
das Deilchenauge einer holden Jungfrau mit eins in
schmachtende Anbeter verwandelt, wie etwa im Tecto¬
sagendrama „Der Sohn der Wildais“, Halm also ist
durchaus Kunstpoet, ganz vom Theater eingefangen,
ohne eine Spur naterlichen Empfindens. Und doch
ist er „der reinste Typus des Burgtheaterdichters“ eine
Personifikation des Oesterreichertums, das so stark im
Literarischen wurzelt, daß es für die Empfindungswelt
eine Skala feststehender Bilder besitzt, die sein Dichter
mü##elos hervorsprudelt. Halm nun konnte in Oester¬
reich ernstlich mit Hebbel konkurrieren, der dem sanften
Plätschern dieser sentimentalen und charakterlosen Kunst
eine starre, erschütternde Männlichkeit entgegensetzte.
Die Stärke der österreichischen Dichtung liegt eben
durchaus in der Schönheit, nicht im Charakteristischen.
Mit dem Feuilletonismus eng verschwistert, wurzelt
seine Literatur in einem spezifischen Literatentum, das,
rein menschlich betrachtet, zu den unangenehmsten Er¬
scheinungen der modernen Kultur gehört. Wie wir hier¬
zulande idealistische Jünglinge besitzen, die ihre Träume
und Sehnsuchten aus der Gedankenwelt Schillers formen,
so ist dieses Literatentum in einer einseitig ästhetischen
Weltanschauung befangen. Es besitzt für Menschen und
Dinge nur die feststehenden Formeln seiner Lieblings¬
dichter, und das scheinbar Neue seiner Schöpfungen ist
nur die geschickte Abwandlung älterer Produkte. In
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Wien blickt das Literatentum auf eine mehr als hundert¬
jährige Existenz zurück. Bereits 1783 macht der be¬
kannte Satiriker Alops Blumauer seine treffenden, noch
heute lesenswerten „Beobachtungen über Oesterreichs
Aufklärung und Literatur“: „Der Name „Schriftsteller“
hat durch, die Leute, die ihn tragen, bereits soviel von
seiner ursprünglichen Würde verloren, daß er anfängt,
entehrend zu werden, und wenn's noch länger so fort¬
geht, Gefahr läuft, in Oesterreich ebenso gut ein Schimpf¬
name zu werden, als es der Name Fur (Dieb) bei den
Römern ward. Bald wird ein Autor, dem sein guter
Name lieb ist, Anstand nehmen, mit Leuten dieses
Gelichters einerlei Kleid zu tragen und in einer Gesell¬
schaft zu erscheinen, die so übel berüchtigt ist. Er wird
sich zurückziehen und dem Ofuschergesindel ein Gebiet
überlassen, von dem der gesittete Mann wie von einer
Jahrmarktsschenke spricht. Das Dublikum kann diesem
Uebel allein zuvorkommen. Es ist der einzige Herr,
den das Autorvolk als seinen Richter anerkennt, der
einzige, dessen Gesetzen sich Schriftsteller und Ofuscher
unterwerfen müssen. Es herrscht uneingeschränkt über alle
Werke des Geistes und entscheidet über des Schriftstellers
Leben und Tod“. Und Blumauer appelliert an das
Dublikum, um diesen Auswüchsen zu steuern.
Tatsächlich ist die österreichische Dichtung von jeher
Dublikums=Kunst gewesen. Sie wurzelt in Traditionen,
Schulen, ästhetischen Strömungen. Für die eigentliche
Entwicklung der modernen Doesie hat sie im Grunde
sehr wenig geleistet. Oesterreich bringt bestenfalls Speziali¬
täten hervor, wie Deter Altenberg, also den literarischen
Snobismus, das ästhetische Gigerltum in puro; wie
Hugo von Hofmannsthal, einen D'Annunzio ver¬
wandten Geist, der, mit den feinsten Blüten der Kultur
gesättigt, den erworbenen poetischen Reichtum in wunder¬
vollen Dersen ausströmt. Diese Literatur hat nur die
Art des Sehens und Darstellens von der modernen
Dichtung übernommen, aber ihrem innersten Wesen
nach ist sie so unmedern als möglich. Ihr ist das