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Helene Herrmann:
mit verzehrendem Schmerz über seine eigene das Schöpfergefühl ihn nicht mehr über die¬
sen Abgrund trägt. Ein starkes Symbol
so ganz andere Art:
für dieses Elend hat Schnitzler im „Grünen
Den Ventivoglio neid' ich ..
Kakadu“ gefunden, in dem Spiel des Schau¬
Der sein Leben trinkt aus tausend klaren Quellen,
Und jede weckt den Durst und jede löscht ihn;
spielers Heuri, den es hinaus verlangt aus
Ihn drückt der Stunde Last niemals zu schwer
seiner teuflischen Kunst, und der ihr in letz¬
Und nie so leicht, daß er zu fliegen dächte.
ter Stunde zum Opfer fällt.
Doch der Tragödie fehlt das Satyrspiel
Und gerade diese Naturen sind ihrerseits
nicht. In „Literatur“ enthüllt Schnitzler
der Art des Künstlers in großem, reifem
die Jämmerlichkeit der Halbkünstler, die
Verstehen nahe. Ja, sie repräsentieren viel¬
ohne das Recht des Könnenden nur jene
leicht den Künstlertypus einer anderen Zeit,
in der nichts von der Daseinsangst des Mo¬
allen Künstlern eigene, fressende Eitelkeit
haben. Unwahr in den meisten Gesühlen,
dernen lebte. Der Herzog Bentivoglio will
die letzte Nacht vor dem Untergang seiner
müssen sie auch jede echte Empfindung so¬
fort in das Notizbuch zu literarischer Ver¬
Herrschaft im Gespräch mit dem Dichter
Filippo verbringen, und der Herzog im wertung eintragen. In dem amüsanten, mit
„Grünen Kakadu“ sagt von dem großen diabolischem Witz gebauten Gespräch zwischen
dem Literaturweibchen und dem Caféhaus¬
Schauspieler: „Mir ist, als verstünde ihn
dichter blitzt in all der pointierten Verlogen¬
keiner so ganz wie ich. Das kann übrigens
heit „etwas wie Ernst“ durch, wenn die
Täuschung sein, denn ich habe diese Emp¬
findung den meisten Künstlern gegenüber.“
arme, versorgungslüsterne und vergeblich
Die eigentliche Tragödie des Künstlers dämonisch sein wollende Dame plötzlich die
Vorwürfe ihres adeligen Bräutigams „mit
den wohlgepflegten Händen und dem un¬
Anklagen der anderen, ihr Widerwille und
gepflegten Gehirn“ als gerecht erkennt und
ihre Sehnsucht nicht mehr gehört werden.
wiederholt: „Arger als die Weiber beim
Da wo der Künstler selbst den Bruch in
Ronacher sind wir, die sich in Trikots hin¬
der eigenen Eristenz zu fühlen beginnt.
ausstellen: unsere geheimste Seligkeit, unsere
Wenn er das, was ihm als frivoles Spiel
Schmerzen, alles stellen wir aus!“ Freilich,
vorgeworfen wird, als Unfähigkeit wirklich
diese Nichtigkeit geht an solcher Erkenntnis
zu leben empfindet, wenn er sich jenen Tat¬
naturen zu vergleichen beginnt wie Filippo.
nicht zugrunde, wohl aber kann der echte
Schnitzlers Künstler beneiden in solcher
Künstler daran sterben.
Nur wenige haben das große Rettungs¬
Seelenverfassung nicht nur die Schöpfer
mittel in all diesen Schrecken beizeiten ge¬
großen aktiven Lebens, nein, auch das sichere
funden: die Resignation.
sittliche Urteil eng begrenzter Naturen:
Eine solche ewig begehrende und doch
Jetzt neid' ich, deren Tage aufgereiht
resignierte Natur hat Schnitzler in Stefan
An eines Vorsatz starrgewebtes Band
Gleich Edelsteinen sich zum Dasein fügen,
von Sala geschaffen, die Verkörperung tief¬
Nicht schlotternd — falsch' und echte durchgerüttelt
innerer Sehnsucht. Sala hat das Verlan¬
Auf lock'rer Schnur — so einer möcht' ich sein.
gen nach den unermeßlichen Tiefen des Mo¬
mentes. In einem schönen Symbol wird
Tragisch wird des Künstlers Geschick, wenn
das angedeutet. Er spricht von einer ver¬
er, wie Julian Fichtner „wehleidig geworden“.
schütteten Stadt Baktriens, deren Ausgra¬
nach dem Glück der Altruisten hascht, sich
bung er mitmachen will: „Dreizehnhundert¬
auf die Beziehungen besinnt, die ihm früher
undzwölf Stufen glänzend wie Opale, die in
licht= und farblos waren: auf Hingebung
und Sohnesliebe. Und endlich das Schlimmste
eine unbekannte Tiefe führen ... Ich kann
Ihnen gar nicht sagen, wie mich diese Stu¬
ist's, wenn ihm sein höchstes Glück, das Ge¬
fen intrigieren.“ Er hat die feinste Emp¬
staltenmüssen bei allem Erleben, zur tie¬
sen Pein wird. Wenn er die Schamlosigkeit
fänglichkeit für alle sinnlichen und feelischen
zu empfinden beginnt, die darin liegt, daß er Reize, die ungebundene schweisende Phan¬
seine eigenen Wonnen und Schmerzen aus= tasie. Er kann alles glauben, woran die
stellt, anderen damit etwas vorspielt, wenn anderen nicht glauben können. Im höchsten
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0
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30
A A
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Distanzen
get
anderen nicht merken, i
Und weil er weiß, da
anderen Menschen hing
seines Daseins an je
was nicht ausschließt,
geschenkt hat als and
darum belächelt er
heit Juliaus, der v#
hat, weil er den dreiß
neten Sohn braucht.
beides haben kann, de
und das des bewußten
findet seine Resignatio
in diesem Drama, da
in uns nachhallende G
wenn uns ein Zug v
tet, den Weg hinab g
die selbst niemand au
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Helene Herrmann:
mit verzehrendem Schmerz über seine eigene das Schöpfergefühl ihn nicht mehr über die¬
sen Abgrund trägt. Ein starkes Symbol
so ganz andere Art:
für dieses Elend hat Schnitzler im „Grünen
Den Ventivoglio neid' ich ..
Kakadu“ gefunden, in dem Spiel des Schau¬
Der sein Leben trinkt aus tausend klaren Quellen,
Und jede weckt den Durst und jede löscht ihn;
spielers Heuri, den es hinaus verlangt aus
Ihn drückt der Stunde Last niemals zu schwer
seiner teuflischen Kunst, und der ihr in letz¬
Und nie so leicht, daß er zu fliegen dächte.
ter Stunde zum Opfer fällt.
Doch der Tragödie fehlt das Satyrspiel
Und gerade diese Naturen sind ihrerseits
nicht. In „Literatur“ enthüllt Schnitzler
der Art des Künstlers in großem, reifem
die Jämmerlichkeit der Halbkünstler, die
Verstehen nahe. Ja, sie repräsentieren viel¬
ohne das Recht des Könnenden nur jene
leicht den Künstlertypus einer anderen Zeit,
in der nichts von der Daseinsangst des Mo¬
allen Künstlern eigene, fressende Eitelkeit
haben. Unwahr in den meisten Gesühlen,
dernen lebte. Der Herzog Bentivoglio will
die letzte Nacht vor dem Untergang seiner
müssen sie auch jede echte Empfindung so¬
fort in das Notizbuch zu literarischer Ver¬
Herrschaft im Gespräch mit dem Dichter
Filippo verbringen, und der Herzog im wertung eintragen. In dem amüsanten, mit
„Grünen Kakadu“ sagt von dem großen diabolischem Witz gebauten Gespräch zwischen
dem Literaturweibchen und dem Caféhaus¬
Schauspieler: „Mir ist, als verstünde ihn
dichter blitzt in all der pointierten Verlogen¬
keiner so ganz wie ich. Das kann übrigens
heit „etwas wie Ernst“ durch, wenn die
Täuschung sein, denn ich habe diese Emp¬
findung den meisten Künstlern gegenüber.“
arme, versorgungslüsterne und vergeblich
Die eigentliche Tragödie des Künstlers dämonisch sein wollende Dame plötzlich die
Vorwürfe ihres adeligen Bräutigams „mit
den wohlgepflegten Händen und dem un¬
Anklagen der anderen, ihr Widerwille und
gepflegten Gehirn“ als gerecht erkennt und
ihre Sehnsucht nicht mehr gehört werden.
wiederholt: „Arger als die Weiber beim
Da wo der Künstler selbst den Bruch in
Ronacher sind wir, die sich in Trikots hin¬
der eigenen Eristenz zu fühlen beginnt.
ausstellen: unsere geheimste Seligkeit, unsere
Wenn er das, was ihm als frivoles Spiel
Schmerzen, alles stellen wir aus!“ Freilich,
vorgeworfen wird, als Unfähigkeit wirklich
diese Nichtigkeit geht an solcher Erkenntnis
zu leben empfindet, wenn er sich jenen Tat¬
naturen zu vergleichen beginnt wie Filippo.
nicht zugrunde, wohl aber kann der echte
Schnitzlers Künstler beneiden in solcher
Künstler daran sterben.
Nur wenige haben das große Rettungs¬
Seelenverfassung nicht nur die Schöpfer
mittel in all diesen Schrecken beizeiten ge¬
großen aktiven Lebens, nein, auch das sichere
funden: die Resignation.
sittliche Urteil eng begrenzter Naturen:
Eine solche ewig begehrende und doch
Jetzt neid' ich, deren Tage aufgereiht
resignierte Natur hat Schnitzler in Stefan
An eines Vorsatz starrgewebtes Band
Gleich Edelsteinen sich zum Dasein fügen,
von Sala geschaffen, die Verkörperung tief¬
Nicht schlotternd — falsch' und echte durchgerüttelt
innerer Sehnsucht. Sala hat das Verlan¬
Auf lock'rer Schnur — so einer möcht' ich sein.
gen nach den unermeßlichen Tiefen des Mo¬
mentes. In einem schönen Symbol wird
Tragisch wird des Künstlers Geschick, wenn
das angedeutet. Er spricht von einer ver¬
er, wie Julian Fichtner „wehleidig geworden“.
schütteten Stadt Baktriens, deren Ausgra¬
nach dem Glück der Altruisten hascht, sich
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