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box 36/3
1. Pamphlets Offpr.
den Referenten als
Dr. August Lieber in Innsbruck hat Gedichte publiziert,
besonders stark
welche bei aller Wärme und bei guter glatter Technik nicht be¬
sonders ansprechen *).
Artur Schnitzlers „Märchen“ kam nach 14 Jahren
abermals zur Aufführung. Am 1. Dezember 1893 erlebte der
Dichter mit diesem Drama seine erste ruhmvolle Niederlage in
— Alle lobten den Verfasser, Alle tadelten sein schlechtes
Wien
Werk. Der Schriftsteller Denner verteidigt die gefallenen
Mädchen. „Und ich sage euch, es ist Zeit, daß wir es aus der
Welt schaffen, dieses Märchen von der Gefallenen!“ Eine hübsche
Schauspielerin wird von diesen Worten besonders ergriffen und
küßt die Hand des Verteidigers. Hat er sie verteidigt? Das täte
ihm weh, denn er liebt sie. Der zweite Akt bringt Klarheit und
Wahrheit; noch einmal siegt die Liebe über die Konvention und
dann kommt der Abschied. Die Inkonsequenz aller Ganzgescheiten,
aller Menschenverbesserer und Moralisten wird hier mit unerbitt¬
— dazu gehört Ffinstlerischer Mut.
licher Strenge nachgewiesen
**
Das Thema erfordert aber lbsen'sche Größe, Gewalt, Allmacht.
Diese besitzt kein junger Dramatiker, diese besaß auch der junge
lbsen nicht. Wir Arzte dürfen alle Kunstproduktion auch ent¬
ppe. Wir
wicklungsgeschichtlich nehmen; deshalb ist uns das mißlungene
hirurgen.
„Märchen“ besonders ans Herz gewachsen. Denn hier ruhen be¬
ibsch und
reits, kaum angedeutet, alle siegenden Gestalten Schnitz¬
rztlichen
lers, sein Anatol, sein Theodor Kaiser, sein Filippo Loschi, seine
Künstlerinnen und süßen Mädel, seine „Liebelei“ und sein „Freiwild“.
Dr. Karl Ludwig Hirschfeld hat ein Stück für die
modernen Bauerntheater „Berg und Tal“ auf die Bühne gebracht.
Der Inhalt ist rasch erzählt: Die Baronin liebt den jungen Förster
und beide werden ein Paar. In der Großstadt fühlt sich der Sohn
der Berge nicht wohl und brennt durch; die Gattin folgt ihm,
schießt einen Wilderer über den Haufen und die Liebenden finden
sich wieder bei Gesang und Tanz. Einige Figuren zeichnen sich
durch originelle Färbung aus, der Rest ist Birch-Pfeiffer.
Arlur Schnitzlers Novellenbuch ist das große ärztlich¬
künstlerische Ereignis des Jahres 7). Der Dichter wird immer reicher
und tiefer; er folgt den dunklen Gesetzen des Lebens wie
Goethe etwa in den „Wahlverwandtschaften“ wie Flaubert
in „Madame Bovary“ er empfindet und erfindet grotesk¬
schauerlich wie Poé. Da ist „Das Schicksal des Freiherrn von.
Leisenbohg“. Er liebt die Sängerin Kläre Hell, hält ritterlich Wache,
wenn sie einen anderen beglückt. Der letzte dieser Reihe ist tot,
ist in Kläres Armen gestorben — der Freiherr tritt das Erbe an.
Lieber: Aus tiefen Schachlen. Innsbruck, Wagner.
7) Schnitzler: Dämmerseelen. Berlin. Fischer, 1907.
1908. Nr. 24/23.
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1. Pamphlets Offpr.
den Referenten als
Dr. August Lieber in Innsbruck hat Gedichte publiziert,
besonders stark
welche bei aller Wärme und bei guter glatter Technik nicht be¬
sonders ansprechen *).
Artur Schnitzlers „Märchen“ kam nach 14 Jahren
abermals zur Aufführung. Am 1. Dezember 1893 erlebte der
Dichter mit diesem Drama seine erste ruhmvolle Niederlage in
— Alle lobten den Verfasser, Alle tadelten sein schlechtes
Wien
Werk. Der Schriftsteller Denner verteidigt die gefallenen
Mädchen. „Und ich sage euch, es ist Zeit, daß wir es aus der
Welt schaffen, dieses Märchen von der Gefallenen!“ Eine hübsche
Schauspielerin wird von diesen Worten besonders ergriffen und
küßt die Hand des Verteidigers. Hat er sie verteidigt? Das täte
ihm weh, denn er liebt sie. Der zweite Akt bringt Klarheit und
Wahrheit; noch einmal siegt die Liebe über die Konvention und
dann kommt der Abschied. Die Inkonsequenz aller Ganzgescheiten,
aller Menschenverbesserer und Moralisten wird hier mit unerbitt¬
— dazu gehört Ffinstlerischer Mut.
licher Strenge nachgewiesen
**
Das Thema erfordert aber lbsen'sche Größe, Gewalt, Allmacht.
Diese besitzt kein junger Dramatiker, diese besaß auch der junge
lbsen nicht. Wir Arzte dürfen alle Kunstproduktion auch ent¬
ppe. Wir
wicklungsgeschichtlich nehmen; deshalb ist uns das mißlungene
hirurgen.
„Märchen“ besonders ans Herz gewachsen. Denn hier ruhen be¬
ibsch und
reits, kaum angedeutet, alle siegenden Gestalten Schnitz¬
rztlichen
lers, sein Anatol, sein Theodor Kaiser, sein Filippo Loschi, seine
Künstlerinnen und süßen Mädel, seine „Liebelei“ und sein „Freiwild“.
Dr. Karl Ludwig Hirschfeld hat ein Stück für die
modernen Bauerntheater „Berg und Tal“ auf die Bühne gebracht.
Der Inhalt ist rasch erzählt: Die Baronin liebt den jungen Förster
und beide werden ein Paar. In der Großstadt fühlt sich der Sohn
der Berge nicht wohl und brennt durch; die Gattin folgt ihm,
schießt einen Wilderer über den Haufen und die Liebenden finden
sich wieder bei Gesang und Tanz. Einige Figuren zeichnen sich
durch originelle Färbung aus, der Rest ist Birch-Pfeiffer.
Arlur Schnitzlers Novellenbuch ist das große ärztlich¬
künstlerische Ereignis des Jahres 7). Der Dichter wird immer reicher
und tiefer; er folgt den dunklen Gesetzen des Lebens wie
Goethe etwa in den „Wahlverwandtschaften“ wie Flaubert
in „Madame Bovary“ er empfindet und erfindet grotesk¬
schauerlich wie Poé. Da ist „Das Schicksal des Freiherrn von.
Leisenbohg“. Er liebt die Sängerin Kläre Hell, hält ritterlich Wache,
wenn sie einen anderen beglückt. Der letzte dieser Reihe ist tot,
ist in Kläres Armen gestorben — der Freiherr tritt das Erbe an.
Lieber: Aus tiefen Schachlen. Innsbruck, Wagner.
7) Schnitzler: Dämmerseelen. Berlin. Fischer, 1907.
1908. Nr. 24/23.