VI, Allgemeine Besprechungen 1, Der Arzt in der schönen Literatur, Seite 8

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Panphlets, Offprints
Fräulein Dr. Solstander
Erfolg — offenbar weil das liebe Publikum derartige Kollisionen
der ärztlichen Pflicht nicht goutiert, nicht gelten lassen will. — Ein
Umstorff, eine Art Mischung
Scherz von Karl Hans Strobl zog mehr: Die raffinierte Diebin
Grabbe; er endigt durch
lockt den Boten des Juweliers in die Ordinationsstube eines
n Fluten des Neckars, findet
Psychiaters; die Diebin eilt mit den Schmuckgegenständen davon
Dr. Riedinger. Der Roman
und der verzweifelte Bote wire für geisteskrank gehalten, fest¬
reffen, dem Thema wird er
gehalten. — Die grassierenden Einakterabende wimmeln nur so von
n Victorien Du Saussay
Arzten. Arnulf Sonntag bringt ein tapferes Mädchen, das den
16). Der Autor bringt den
Geliebten erobert und ihn davon abhält, sein reiches Leben eines
eitet durchaus nach Mephistos
Jugendversprechens wegen als einsamer Landarzt zu verderben 17).
zum Teile unwahr, weil es
Hier scheitert das Problem daran, daß der Aufor, der ärztlichen
erhebt, weil es nach dem
Standesverhältnisse unkundig, den Landarzt als verlorenen Märtyrer
en Engländers, der einen
und berichtet hat: „Alle
schildert. Das tapfere Mädchen hat in Wirklichkeit gar keinen
Grund, dem Geliebten nicht aufs Land zu folgen. — Lipschütz¬
ist. Trotzdem wir bei der
Lothar lassen in „Der großen Gemeinde“ den Arzt die Rolle
bralische Entsetzen geraten,
des Liebhabers spielen. — Georg Hirschfeld schildert im Ein¬
s zur letzten Seite zu lesen
akter „Das tote Leben“ einen Maler, welcher Weib m. Kind ver¬
en deutschen Autoren, welche
loren hat und zum Troste von einem Psychiater in die — indische
tümierte, faniert aussehende
Weltanschauung eingeführt wird. Um das Nirwana zu gewinnen,
dhelden und ärztliche Calos
wird er Einsiedler und stirbt, da ihn der Besuch eines Freundes
sHerrn Du Saussay zu
den allen Schmerz wieder fühlen läßt. Das ist ebenso unnatürlich
Franzose) und er ist lasziv
wie undramatisch. — „Der Meister“ von Hermann Bahr ist in
rfolg?), aber er führt uns
mehr als einer Beziehung Kurpfuscher !*). Er betreibt Orthopädie
cht unmögliche Puppen.
ohne wissenschaftliche Vorbildung, er will alle Welt, Männlein und
tärztlichen Autoren über die
Weiblein, regieren und tut es nur zum Scheine; er verachtet an
len, gezerrt worden. Hans
den Mitmenschen seine Schwäche, er ruiniert sein Weib und
Einakter „Die Blumen des
treibt es in fremde Arme. In der dreiaktigen Komödie, welche
Ehebrecherin ihren Gatten
Lob gefunden hat, geht ein Med. Dr. Balsam um, ein dürftiges
dem Arzte eine wertlose
Persönchen ohne Initiative, und ein japanischer Kollege, Dr.
Idas soll der Tücke seiner
Kokoro. Beide sollen dem Meister Relief geben; der gelehrte
Dr. Thilenius, der Direktor
Balsam, der ein abgelegtes Mädchen heiratet, soll gar mit all
us einem — Tagebuche den
seiner Wissenschaft lächerlich erscheinen. Man staunt darüber,
des Idealisten:
daß ein erfahrener Dramatiker sich die Sache gar so leicht gemacht,
d Heimlichkeit niedergeschrieben
en. Tode verbrannt werden soll,
daß der bekannte Schriftsteller das Stadium des Experimen¬
em Namen ihn beneiden. Nichts
tierens auf der Bühne noch immer nicht überwunden hat. — Felix
in. Ich vermochte mich nicht
Salten, ein schärferer Beobachter, ist unter die Einakterverfasser
lungen hatte, und als ich es
gegangen. Da soll im „Ernst des Lehens“ ein wirklicher Medizinal¬
rat von seinem Schwager und Patienten niedergeknallt werden,
Arzt“ ist eine feinergeslimmte
weil er diesem salbungsvoll empfohlen hat, sich mit Fassung und
die Frage gestellt: Muß ich
Würde auf den Tod vorzubereiten. Der Schwager, der binnen
oder nicht? Die Antwort
kurzer Frist seiner Krankheit erliegen muß, will den Arzt als Be¬
elcher schon früher in Wien
gleiter auf der Reise zum „anderen Ufer“ bei sich haben: „In
jahre keinen nennenswerten
1y Sonntag: Virgines. München, Müller, 1907.
bist. Stuttgart, Colla, 1907.
18) Bahr: Der Meister. Berlin, Fischer.
dames seules. Paris 1907.