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Panphletsoffarints
Tage vor der Belagerung dieser Stadt durch Cesare Borgia den von ihm
verehrten Dichter Filippo Loschi kennen zu lernen. Der aber weigert dem
vom Herzog Abgesandten die Zusammenkunft, weil er seine Geliebte, die
sechzehnjährige Beatrice Nardi, erwartet. Sie kommt und erzählt ihm,
daß auf der Straße der Herzog sie begegnet und lange angesehen hätte,
daß sie dann im Schlafe geträumt habe, sie sei die Herzogin und daß der
Herzog sie als solche lüßte. Nur im Traume. Aber dem mißtrauischen,
auf seine Liebe argwöhnischen Zweifler und Grübler Filippo ist das schon
zuviel. Er findet sie beschmutzt und jagt sie voll Ekel von sich. Beatrice
kehrt nach Hause zurück und willigt auf das Drängen ihres Bruders ein,
die Frau des sie liebenden Vittorino zu werden. Da trifft sie zum zwei¬
ten Male mit dem Herzog in den Straßen von Bologna zusammen. Er
ist von ihrer Schönheit so entzückt, daß er sie auffordert, mit ihm aufs
Schloß zu kommen. Sie will es nur als seine Gattin und er ist einver¬
standen. Vittorino ersticht sich in ihrer Gegenwart. In der Hochzeits¬
nacht verläßt sie den Herzog und kehrt zu Filippo zurück, um mit ihm zu
sterben, weil sie sich nach ihm sehnt, „mit solcher Sehnsucht, daß sie mäch¬
tiger war als alles.“ Sie sagt:
„So ist's gekommen.
Und sieh: mir ist, es könnt' nicht anders sein.
Du fragst mich aber so und starrst mich an,
Als wär's weiß Gott wie wunderlich gescheh'n.“
Filippo betrachtet sie lange, dann antwortet er:
„Nicht wunderlich, für dich nicht! — Nein! — Du bist
Zu staunen nicht gemacht. Niemals hat dich
Des Daseins Wunder namenlos erschreckt,
Nie bist du vor der Buntheit dieser Welt
In Andacht hingesunken, und daß du,
Die Beatrice ist, und ich, Filippo,
Sich unter den unendlich Vielen fanden,
Hat nie mit tiefem Schauer dich erfüllt.
Und daß dein Vater toll, füllt nicht mit Bangen,
Daß Vittorino starb, der dich geliebt,
Nicht mit dem fürchterlichsten Graun dein Herz.
Und daß du Fürstin von Bologna bist,
Macht dich so wenig staunen, Beatrice,
Wie wenn sich eine Mück auf deine Hand setzt.
Und wenn Gespenster aus dem Grabe kämen,
Ich weiß, sie schreckten dich — wie Fledermäuse —
Doch auch nicht mehr und nicht auf andere Art.
Und du hast recht. All dies, was dir gescheh'n,
Ist nichts. Des Lebens Unruh' und Verwirrung
Mit allem rätselvollen Licht und Lärm,
Mit aller Angst und allen Wonnen — nichts
Zu dem, was noch bevorsteht, Beatrice,
An diesem Ort, der keine Rückkehr schenkt“
68
rian
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Panphletsoffarints
Tage vor der Belagerung dieser Stadt durch Cesare Borgia den von ihm
verehrten Dichter Filippo Loschi kennen zu lernen. Der aber weigert dem
vom Herzog Abgesandten die Zusammenkunft, weil er seine Geliebte, die
sechzehnjährige Beatrice Nardi, erwartet. Sie kommt und erzählt ihm,
daß auf der Straße der Herzog sie begegnet und lange angesehen hätte,
daß sie dann im Schlafe geträumt habe, sie sei die Herzogin und daß der
Herzog sie als solche lüßte. Nur im Traume. Aber dem mißtrauischen,
auf seine Liebe argwöhnischen Zweifler und Grübler Filippo ist das schon
zuviel. Er findet sie beschmutzt und jagt sie voll Ekel von sich. Beatrice
kehrt nach Hause zurück und willigt auf das Drängen ihres Bruders ein,
die Frau des sie liebenden Vittorino zu werden. Da trifft sie zum zwei¬
ten Male mit dem Herzog in den Straßen von Bologna zusammen. Er
ist von ihrer Schönheit so entzückt, daß er sie auffordert, mit ihm aufs
Schloß zu kommen. Sie will es nur als seine Gattin und er ist einver¬
standen. Vittorino ersticht sich in ihrer Gegenwart. In der Hochzeits¬
nacht verläßt sie den Herzog und kehrt zu Filippo zurück, um mit ihm zu
sterben, weil sie sich nach ihm sehnt, „mit solcher Sehnsucht, daß sie mäch¬
tiger war als alles.“ Sie sagt:
„So ist's gekommen.
Und sieh: mir ist, es könnt' nicht anders sein.
Du fragst mich aber so und starrst mich an,
Als wär's weiß Gott wie wunderlich gescheh'n.“
Filippo betrachtet sie lange, dann antwortet er:
„Nicht wunderlich, für dich nicht! — Nein! — Du bist
Zu staunen nicht gemacht. Niemals hat dich
Des Daseins Wunder namenlos erschreckt,
Nie bist du vor der Buntheit dieser Welt
In Andacht hingesunken, und daß du,
Die Beatrice ist, und ich, Filippo,
Sich unter den unendlich Vielen fanden,
Hat nie mit tiefem Schauer dich erfüllt.
Und daß dein Vater toll, füllt nicht mit Bangen,
Daß Vittorino starb, der dich geliebt,
Nicht mit dem fürchterlichsten Graun dein Herz.
Und daß du Fürstin von Bologna bist,
Macht dich so wenig staunen, Beatrice,
Wie wenn sich eine Mück auf deine Hand setzt.
Und wenn Gespenster aus dem Grabe kämen,
Ich weiß, sie schreckten dich — wie Fledermäuse —
Doch auch nicht mehr und nicht auf andere Art.
Und du hast recht. All dies, was dir gescheh'n,
Ist nichts. Des Lebens Unruh' und Verwirrung
Mit allem rätselvollen Licht und Lärm,
Mit aller Angst und allen Wonnen — nichts
Zu dem, was noch bevorsteht, Beatrice,
An diesem Ort, der keine Rückkehr schenkt“
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