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Panphletsofforints
jeder Zeile hört man das „Klirren geschliffener Worte, die zierlich in der
Luft sich kreuzen.“ Wie ein eleganter Fechter steht Schnitzler da und läßt
die Worte hinüber= und herüberfliegen, wie blitzende Degenspitzen, und
zwischen ihnen funkelt und glänzt und träumt und weint und lacht das
Leben in all seiner Lust und seinem Schmerz, in all seiner Torheit und
Weisheit.
Am graziösesten und geistreichsten etwa kommt diese Form zum
Ausdruck in dem entzückenden Einakter=Zyklus „Anatol“, von dem
hier ja schon gesprochen wurde. Dann auch in „Marionetten",
„Comtesse Mizzi“ und einzelnen Stücken aus den beiden Einakter¬
Bänden „Lebendige Stunden“ und „Der grüne Kakadu“.
Dazwischen finden wir gerade auch in seinen kleinen Dramen wie¬
der viel Ernstes und Nachdenkliches. Manchmal spielt auch die vierte
Dimension hinein, Hypnose und Spiritismus, aber nur soweit diese
Dinge innerhalb der Grenze des Erwiesenen und Vernunftgemäßen blei¬
ben, die Schnitzler als studierter Arzt sehr wohl kennt. So in der
„Frage an das Schicksal“, in der „Frau mit dem Dolche“ und
am stärksten im „Paracelsus“. Um den hochmütigen und arro¬
ganten Baseler Bürger Cyprian die Ehrfurcht vor den unbegriffenen
Mächten des Daseins zu lehren, versetzt der berühmte Arzt des 16. Jahr¬
hunderts die schöne Frau Cyprians in hypnotischen Schlaf. Darin sug¬
geriert er ihr, sie habe etwas Unrechtes begangen, was sie, erwacht, zu
ihrem eigenen und ihres Mannes Entsetzen auch glaubt, bis sie Para¬
celsus wieder von dem Banne befreit und zum Schlusse sagt:
„Es war ein Spiel! Was sollt' es anders sein?
Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben,
Und schien es noch so groß und tief zu sein!
Mit wilden Söldnerscharen spielt der Eine,
Ein And'rer spielt mit tollen Abergläubischen.
Vielleicht mit Sonnen, Sternen, irgend wer —
Mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn
Wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.
Es fließen ineinander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von andern, nichts von uns.
Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug.“
„Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug.“ Wie wahr ist dies!
Nicht im Theater, wo zwischen gemalten Brettern und Soffiten der
gleiche Histrione Könige, Helden und Bettler mimt und sich nachher die
Schminke wieder aus dem Gesichte reibt, um als braver Bürger und
Steuerzahler friedlich sein Abendessen zu verzehren, werden die größten
Komödien und Trauerspiele aufgeführt. Das Leben selbst spielt sie, und
wir alle sind die Mitspieler, manchmal in der Hauptrolle, manchmal
auch nur in Nebenrollen oder als müßige Statisten. Wann geben wir uns
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jeder Zeile hört man das „Klirren geschliffener Worte, die zierlich in der
Luft sich kreuzen.“ Wie ein eleganter Fechter steht Schnitzler da und läßt
die Worte hinüber= und herüberfliegen, wie blitzende Degenspitzen, und
zwischen ihnen funkelt und glänzt und träumt und weint und lacht das
Leben in all seiner Lust und seinem Schmerz, in all seiner Torheit und
Weisheit.
Am graziösesten und geistreichsten etwa kommt diese Form zum
Ausdruck in dem entzückenden Einakter=Zyklus „Anatol“, von dem
hier ja schon gesprochen wurde. Dann auch in „Marionetten",
„Comtesse Mizzi“ und einzelnen Stücken aus den beiden Einakter¬
Bänden „Lebendige Stunden“ und „Der grüne Kakadu“.
Dazwischen finden wir gerade auch in seinen kleinen Dramen wie¬
der viel Ernstes und Nachdenkliches. Manchmal spielt auch die vierte
Dimension hinein, Hypnose und Spiritismus, aber nur soweit diese
Dinge innerhalb der Grenze des Erwiesenen und Vernunftgemäßen blei¬
ben, die Schnitzler als studierter Arzt sehr wohl kennt. So in der
„Frage an das Schicksal“, in der „Frau mit dem Dolche“ und
am stärksten im „Paracelsus“. Um den hochmütigen und arro¬
ganten Baseler Bürger Cyprian die Ehrfurcht vor den unbegriffenen
Mächten des Daseins zu lehren, versetzt der berühmte Arzt des 16. Jahr¬
hunderts die schöne Frau Cyprians in hypnotischen Schlaf. Darin sug¬
geriert er ihr, sie habe etwas Unrechtes begangen, was sie, erwacht, zu
ihrem eigenen und ihres Mannes Entsetzen auch glaubt, bis sie Para¬
celsus wieder von dem Banne befreit und zum Schlusse sagt:
„Es war ein Spiel! Was sollt' es anders sein?
Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben,
Und schien es noch so groß und tief zu sein!
Mit wilden Söldnerscharen spielt der Eine,
Ein And'rer spielt mit tollen Abergläubischen.
Vielleicht mit Sonnen, Sternen, irgend wer —
Mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn
Wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.
Es fließen ineinander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von andern, nichts von uns.
Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug.“
„Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug.“ Wie wahr ist dies!
Nicht im Theater, wo zwischen gemalten Brettern und Soffiten der
gleiche Histrione Könige, Helden und Bettler mimt und sich nachher die
Schminke wieder aus dem Gesichte reibt, um als braver Bürger und
Steuerzahler friedlich sein Abendessen zu verzehren, werden die größten
Komödien und Trauerspiele aufgeführt. Das Leben selbst spielt sie, und
wir alle sind die Mitspieler, manchmal in der Hauptrolle, manchmal
auch nur in Nebenrollen oder als müßige Statisten. Wann geben wir uns
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