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Panphlets Offorints
454 EEL22Z22227, 222 Dr. Friedrich Düsel: Krreerkkkugeenn
zu mager, wie es in höflich kühler Reserviertheit
deutlich zu erkennen gab.
Wien liegt der großen Liebes= und Eheschwanks¬
metropole Paris auch auf der Karte immer noch
um ein Stück näher als Berlin, und so kann
es weiter nicht wundernehmen, daß zwei Wiener
Autoren, wenn sie sich die Hand zum Bunde
reichen, dem bewunderten Ideal näher kommen
als ihre norddeutschen Kollegen. „Die große
Gemeinde“ die Rudolf Lothar und Leo¬
pold Lipschütz in ihrem früher schon (unter
einem italienischen Pfeudonym!) im Wiener Burg¬
theater, jetzt im Berliner Neuen Schauspielhause
aufgeführten Lustspiele aufs Korn nehmen, ist
jene über die ganze Erde verbreitete beklagens¬
oder beneidenswerte Gesellschaft von „Eheblinden“,
die es niemals merken, wenn ihnen ihre Frau
von einem dritten weggefischt wird, die in ihrer
töricht verblendeten Sicherheit vielmehr ihr Lieb¬
stes ausgesucht dem zur Hut anvertrauen, der
längst seine Netze danach ausgestellt hat. In
diesem Falle befindet sich zunächst der Bankier
S
Lordano, dessen hübsches, elegantes Weibchen Fia¬
metta der Staatssekretär Conte Ettore Mariani
mit einer so skrupel= und sorglosen Verwegenheit
umwirbt, daß er sich einen Extraspaß daraus
macht, just dem Gatten in Gegenwart seiner
Frau jene Thesenpredigt von den „Eheblinden“
hans Waßmann als Junker Bleichenwang. (Nach
zu halten. Der Übermütige muß seine Tollkühn¬
der Aufführung von „Was ihr wollt“ im Deutschen
heit bald bitter büßen. Lordano hat seine Spione,
Theater ausgenommen von Hugo L. held in Char¬
und so ist es ihm ein leichtes, seine Frau bei
lottenburg.)
(E
ihrem Liebhaber in flagranti zu ertappen. Die
große Szene, die sich da nun abspielt, zunächst
gelinde Kuratel stellt. Doch so leicht geht das
zwischen den beiden Männern, dann zwischen den
nicht. Eine Weile scheint es, als werde der
dreien, sucht ihre Reize darin, daß sie es gründ¬
eingesperrte Lebemann ganz Nieder=Gellersdorf
lich anders macht als das stirnrunzelnde, pistolen¬
auf den Kopf stellen und zu seinem Champagner¬
spanne. de Rache= und Sühnedrama, aber auch
leichtsinn bekehren, vom jovialen Doktor angefan¬
nicht ganz so wie der Pariser Leichfertigkeits¬
gen bis zum Kommerzienrat, dem allzeit Kor¬
schwank. Zwar unterhält der betrogene Ehemann
rekten und Nüchternen. Dann aber heilt die
Liebe alle Wunden, die sie schlug. Auf dem seinen glücklicheren Rivalen eine Zeitlang mit
den neuesten Kursen und Klubwitzen, dann aber
Schloß des Kommerzienrats ist auch des Frei¬
herrn einstige Frau angekommen, bald nach ihr läßt er allmählich, ganz allmählich, so daß der
der gute Theodor, der sie — wieder ganz anders gefolterte Zuschauer aus den Was nun? Was
als bei den verworfenen Franzosen — schon seit nun? nicht herauskommt, die Maske der Wursch¬
Jahren als ein hoffnungsloser Ritter Toggen tigkeit fallen und fordert mit der liebenswürdig¬
burg angehimmelt hat. Jetzt aber scheint es sten Miene von der Welt, daß die beiden sich
ernst zu werden mit den beiden. Da entdeckt vor seinen Augen — erschießen, vergiften, er¬
dolchen? O nein, daß sie sich verloben! Der
der Bedrohte von neuem die Schönheit seines
Champagner, den der Fiamettas längst überdrüs¬
Besitzes, und an der Eifersucht, die bei ihm,
sige Liebhaber für das Abschiedssouper hat kalt
aber zugleich auch — durch ein anderes gefäl¬
stellen lassen, muß nun den Kuppler spielen, und
liges Mißverständnis — bei ihr zutage tritt,
entzündet sich Hymens Fackel aufs neue. Viel der „Eheblinde“ sitzt dabei und stößt mit den
Witz und Phantasie hat das Duumvirat just Verlobten an. Aber sein Glas zerbricht, so hef¬
tig hat es seine geballte Faust niedergesetzt. Dann
nicht aufgeboten, die simple Geschichte zu wür¬
empfiehlt er sich, denn er möchte gern noch recht¬
zen; die Eifersucht, die Stiefschwester der Liebe,
für den Bund der Herzen mobil zu machen, ist zeitig zu Leoncavallos „Bajazzi“ kommen. Merkt
ein Einfall, den gewiß auch schon vor Pailleron der Zuschauer und der Leser den feinen, verbor¬
(„Der zündende Funke“) dieser oder jener Lust= genes Weh nur leise andeutenden Zug? Das
spielverfasser gehabt hat. So schien denn selbst Theaterpublikum soll sein Ergötzen haben an dem
dem bescheidenen Hoftheaterpublikum die Tafel kühl überlegenen Ironiker und an der chevaleresk¬
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454 EEL22Z22227, 222 Dr. Friedrich Düsel: Krreerkkkugeenn
zu mager, wie es in höflich kühler Reserviertheit
deutlich zu erkennen gab.
Wien liegt der großen Liebes= und Eheschwanks¬
metropole Paris auch auf der Karte immer noch
um ein Stück näher als Berlin, und so kann
es weiter nicht wundernehmen, daß zwei Wiener
Autoren, wenn sie sich die Hand zum Bunde
reichen, dem bewunderten Ideal näher kommen
als ihre norddeutschen Kollegen. „Die große
Gemeinde“ die Rudolf Lothar und Leo¬
pold Lipschütz in ihrem früher schon (unter
einem italienischen Pfeudonym!) im Wiener Burg¬
theater, jetzt im Berliner Neuen Schauspielhause
aufgeführten Lustspiele aufs Korn nehmen, ist
jene über die ganze Erde verbreitete beklagens¬
oder beneidenswerte Gesellschaft von „Eheblinden“,
die es niemals merken, wenn ihnen ihre Frau
von einem dritten weggefischt wird, die in ihrer
töricht verblendeten Sicherheit vielmehr ihr Lieb¬
stes ausgesucht dem zur Hut anvertrauen, der
längst seine Netze danach ausgestellt hat. In
diesem Falle befindet sich zunächst der Bankier
S
Lordano, dessen hübsches, elegantes Weibchen Fia¬
metta der Staatssekretär Conte Ettore Mariani
mit einer so skrupel= und sorglosen Verwegenheit
umwirbt, daß er sich einen Extraspaß daraus
macht, just dem Gatten in Gegenwart seiner
Frau jene Thesenpredigt von den „Eheblinden“
hans Waßmann als Junker Bleichenwang. (Nach
zu halten. Der Übermütige muß seine Tollkühn¬
der Aufführung von „Was ihr wollt“ im Deutschen
heit bald bitter büßen. Lordano hat seine Spione,
Theater ausgenommen von Hugo L. held in Char¬
und so ist es ihm ein leichtes, seine Frau bei
lottenburg.)
(E
ihrem Liebhaber in flagranti zu ertappen. Die
große Szene, die sich da nun abspielt, zunächst
gelinde Kuratel stellt. Doch so leicht geht das
zwischen den beiden Männern, dann zwischen den
nicht. Eine Weile scheint es, als werde der
dreien, sucht ihre Reize darin, daß sie es gründ¬
eingesperrte Lebemann ganz Nieder=Gellersdorf
lich anders macht als das stirnrunzelnde, pistolen¬
auf den Kopf stellen und zu seinem Champagner¬
spanne. de Rache= und Sühnedrama, aber auch
leichtsinn bekehren, vom jovialen Doktor angefan¬
nicht ganz so wie der Pariser Leichfertigkeits¬
gen bis zum Kommerzienrat, dem allzeit Kor¬
schwank. Zwar unterhält der betrogene Ehemann
rekten und Nüchternen. Dann aber heilt die
Liebe alle Wunden, die sie schlug. Auf dem seinen glücklicheren Rivalen eine Zeitlang mit
den neuesten Kursen und Klubwitzen, dann aber
Schloß des Kommerzienrats ist auch des Frei¬
herrn einstige Frau angekommen, bald nach ihr läßt er allmählich, ganz allmählich, so daß der
der gute Theodor, der sie — wieder ganz anders gefolterte Zuschauer aus den Was nun? Was
als bei den verworfenen Franzosen — schon seit nun? nicht herauskommt, die Maske der Wursch¬
Jahren als ein hoffnungsloser Ritter Toggen tigkeit fallen und fordert mit der liebenswürdig¬
burg angehimmelt hat. Jetzt aber scheint es sten Miene von der Welt, daß die beiden sich
ernst zu werden mit den beiden. Da entdeckt vor seinen Augen — erschießen, vergiften, er¬
dolchen? O nein, daß sie sich verloben! Der
der Bedrohte von neuem die Schönheit seines
Champagner, den der Fiamettas längst überdrüs¬
Besitzes, und an der Eifersucht, die bei ihm,
sige Liebhaber für das Abschiedssouper hat kalt
aber zugleich auch — durch ein anderes gefäl¬
stellen lassen, muß nun den Kuppler spielen, und
liges Mißverständnis — bei ihr zutage tritt,
entzündet sich Hymens Fackel aufs neue. Viel der „Eheblinde“ sitzt dabei und stößt mit den
Witz und Phantasie hat das Duumvirat just Verlobten an. Aber sein Glas zerbricht, so hef¬
tig hat es seine geballte Faust niedergesetzt. Dann
nicht aufgeboten, die simple Geschichte zu wür¬
empfiehlt er sich, denn er möchte gern noch recht¬
zen; die Eifersucht, die Stiefschwester der Liebe,
für den Bund der Herzen mobil zu machen, ist zeitig zu Leoncavallos „Bajazzi“ kommen. Merkt
ein Einfall, den gewiß auch schon vor Pailleron der Zuschauer und der Leser den feinen, verbor¬
(„Der zündende Funke“) dieser oder jener Lust= genes Weh nur leise andeutenden Zug? Das
spielverfasser gehabt hat. So schien denn selbst Theaterpublikum soll sein Ergötzen haben an dem
dem bescheidenen Hoftheaterpublikum die Tafel kühl überlegenen Ironiker und an der chevaleresk¬