VI, Allgemeine Besprechungen 1, Friedrich Düsel Dramatische Rundschau, Seite 6


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Panphletsoffhrints
LLLEELEBBBY 6 3 2 2 2 Dramatische Rundschau. Karkalkkeaekar 457
Gerichtsszene aus der Aufführung von „Diel Lärm um nichts“ im Berliner Königl. Schauspielhause.
(Nach einer Aufnahme von Zander u. Labisch in Berlin.)
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schaut, der jeden Moment bereit ist zu sterben? schätzen. Ob es bei ihm für ein Charakter= oder
Oder ist er nur wahr aus Wichtigtuerei, als Entwickelungsdrama reicht, ist nach dieser Talent¬
kleiner niedriger Mensch, der an seiner eigenen probe noch genau so fraglich wie vorher. Immer¬
hin hat er hier den Blick für Menschlichkeiten
Pöbelhaftigkeit würgt, weil es ihm zu Kopf steigt,
bewiesen: es ist Leidenschaft, ja sogar etwas von
wenn er ein anderes Schicksal in der Hand hält,
mehr als theatralischer Größe in jenem letzte
aus dem niederträchtigen Haß eines von unten,
Masken lüftenden Moriturus, wenn er auch
vom anderen User kommenden gegen den Glanz
seine Abstammung von Sudermann und Schnitz¬
und den Schimmer eines schöneren Lebens auf
ler nicht verleugen kann.
der Höhe? Der Lakaienseele gegen die geborene
Auferstehung — Rückkehr aus dem Jenseits,
Vornehmheit? Ist der Tod schon vor der Tür —
auf dessen Gestade der Todkranke schon den Fuß
gut! so soll die letzte Maske fallen. Mag der
gesetzt hatte, feiert unverhofft Konstantin Trübner,
Herr Medizinalrat doch einmal vormachen, wie
ein wohlhäbiger Wiener Junggeselle reiferer Jahre.
man heroisch stirbt! Das ist die letzte Lektion,
die der junge Baron von seinem ehemaligen Haus= Wie anders sieht da das Leben sich an als im
lehrer verlangt. Er spannt den Revolver und Angesicht des Todes! Damals hat er sich plötz¬
hält ihm die Mündung vor die Brust. Da ent= lich so einsam, so liebeshungrig gefühlt, daß er
hüllt sich denn die ganze Kleinheit des armen den Freund nach der Marie, seiner Jugendge¬
Gauchs, von blasser Furcht und wehleidigem liebten, schickte, die seit zwölf Jahren ein Kind
Jammer bis zur nackten Gemeinheit seines ein= von ihm hat, um sich schnell noch mit ihr trauen
gepflanzten Neides und Hasses, als er sieht, daß zu lassen. Nun sind die beiden bei ihm zu Hause,
es blutiger Ernst. So kann denn der Baron er selbst fühlt sich genesen. Er will nichts be¬
den Revolver sinken lassen: „So hab' ich sie reuen, nichts zurücknehmen, nein, nur bestätigen
mir ungefähr vorgestellt — die moralische Kraft.“ und befestigen. Ja, wenn man nur zwölf Jahre
einfach überspringen könnte! Die Marie und
Wir wollen mit den möglichen oder unmöglichen
die kleine Lotte sehnen sich weg vom „Papa“
Voraussetzungen dieser Pointendramatik nicht
nach dem „Vater“, dem gutmütigen, immer auf¬
rechten, aber auch aus dem straff und zielbewußt
geführten Dialog der Episode heraus die Energie geregten Klavierlehrer, mit dem die Sitzengelassene
der dramatischen Architektur in Salten nicht über= die letzten sieben Jahre zusammengelebt; ihren