VI, Allgemeine Besprechungen 1, Broschüren Sonderdrucke 1904 1910, Seite 3

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Panphlets offorints
„Die Bildschnitzer, eine Tragödie braver Leute in einem
Akte“, kam im Burgtheater zur Aufführung. Peratoner hilft seinem
Jugendfreunde Sonnleitner bei der Bildschnitzerei; dieser hat sich
mit dem Schnitzmesser schwer verletzt und liegt krank darnieder.
Von dem Verdienste bleibt ein Gulden für den im Ausgeding
lebenden Valer übrig, alles andere verbraucht die Sonnleitnerin,
Ihr Annele soll ein paar Filzpatschen bekommen, ein Gulden
wird dem Vater mit Gewalt abgerungen. Der Alte erkennt den
Zusammenhang und bringt den Ehebruch der Sonnieitnerin an
den Tag. Von seinem Bette aus sieht Sonnleitner die Kata¬
strophe. Er verweigert die Amputation der Hand, segnet das Paar,
die „nie was unrecht’s miteinand’ g’habt hab'n“, und stirht an
Blutvergiftung. Die Komödie „Uber die Brücke“ von Karl
Schönherr wurde am 27. November im Burgtheater gegeben
und verschwand bald aus dem Repertoire, In diesem Werke hat
der Dichter den Weg von kleinbäuerlichen Verhältnissen und aus
dem Märchenlande zur Tiroler Mittelstadt gefunden. Wir hören von
20.000 Einwohnern und ein Friseur bildet den Chorus.
„In so ein Provinzstadti steht ja die Welt still! Sogar die Haar'
wachsen da den Leuten langsamer als in der Großstadt!“ (Die Leute ver¬
saufen sich.) „Was will man in so an Nest sonst machen?“ Das Städtchen
hat eine Forstakademie und ein Theater. Vor Jahren ist der Schauspieler
Reising engagiert worden, die Tochter eines Schlossers hat sich in ihn
verliebt und er in seiner Einsamkeit, in seiner jungen Sehnsucht ist halt
so „hineingepatscht“. Bald zergeht der Wahn, sie streiten „Tag und Nacht
vie Hund und Katz“. Er schimpft sie „Schlosserin, Arbeitstier, Küchen¬
dragoner“ Sie bleibt ihm nichts schuldig. „Wenn i meine Sessel klopf’,
so hal’s Hand und Fuß! Klopfen Sie's nach! Schauen Sie, ob nech a Staub
d’rin ist! Oder geh'n Sie über die Brugg'n; in der Niklauserkirche hat
mein Vater vor dreißig Jahr'n die eisernen Türbeschläg’ an der Kirchentür
g’macht! Schauen Sie s’ an und greifen Sie s’ an! Aber das da . jed'n
Abend den Leuten einen ander'n Schwindel vormachen . hundertmal
sich aus einer Haut heraus und in eine andere hineinlügen, das is eine
unnütze Arbeit! Die kann i nit fassen und greifen! Der Hammer hat kein'
Stiel!“ Eine Tochter hält dieses Paar zusamien, „Einmal war sie krank“,
erzählt Reising seinem Freund, „ich saß neben ihrem Bett; da fängt dir
das Kind plötzlich aus dem Fieber heraus — sie hat oft aus meinen
Rollen so Brocken aufgelischt, weißt du, wenn ich gelernt habe —, längt
dir zu rezitieren an ... eine Wucht und Kraft darin. es ist nur so
hervorgebrochen! Ba wird' mir klar, es steckt in ihr! Siehst du, ich bin
ein toter Hund! Aber ich warte, bis die junge Knospe springt! Es muß
einmal über sie kommen: die wilde Künsllersehnsucht! Darauf warte ich!
Dann erst ist Lotte mein Kind! Es wird sich einmal an der Tochter
weisen, was sie in mir erwürgt haben! Spießernest! Arbeitstier! Verlluchte
Enge!“ .. „Die Luft in dem Spießernest hat mich erstickt! Ich liege im
Grabe und schaue nur zu, wie ich faule!“
Eine Ehescheidung und das Theater sind die entschiedenen
Motive dieses Dramas, in welehem der konsequenteste Naturalismus
echt und rücksichtslos waltel.
—.—
„Der Ruf des Lebens“ von Artur
Schönheiten wir vor Jahresfrist an diesen
erlebt in einer Umarbeitung auf mehre
große Erfolge. Die Kunst Artur Schni
Marionetten an unsichtbaren Drähien vorül
wirbeln und schließlich nach großen ew
gelen zu lassen, liefert in diesem Dram
Man vergißt bei der Lektüre oder bei der
ganz, daß die großen ewigen Gesetze, na
Menschen ihre Kreise vollenden müssen, nic
des Lebens und der dramatischen Kunst frül
quell korrigierte Schnitzler'’sche Gesetze
Dichter, welcher an die Stelle des nun einma
seine Schöpfung, seinen Mikrokosmus sei
wollen oder nicht, zum Miterleben und
Die „Liebelei“ hat in einer glänzenden
Volkstheaters außerordentlich gewirkt.
der Literatur an, ist aber weder klassisch
im Gegensatze zur „Kabale und Liebe“ (a
das Wiener Stück zurück) gesagt werde
Klassikers, welches bereits bedenkliche
„Liebelei“ wurde auch ins Englische üb
daß den englischen Theaterdirektoren der
aufzuführen. Neben der „Liebeli“ hat die
tesse Mizzi oder Der Familientag“ im Deuts
ein Intermezzo, eine Kleinigkeit, welche
zu Zeit zum Besten gibt, wie seine bei
diesem Gebiete „Der grüne Kakaau“ ode
Der Dichter hat es diesmal auf die Mor
sehen und damit das große Lob der Bün
Schnitzler weiß aber gar wohl, daß
und die Morai der Bürgerlichen eine
über diese Wahrheit hinwegtäuscht, ist 8
Der Führer der österreichischen
mit dem dramatischen Erstlingswerk
Breslauer Schauspielhause einen hüh
Das Stück zeigt einen zierlichen Aufbau u
Humer. Ebenso erzielte die Tragikomödie
Arztes Ludwig Zippert im Hamburger
Tschechows Schauspiel
fallen (Première im Deutschen Volksthe
russische Arzt zeigt uns einen nteraris
alternden Schauspielerin; der Sohn
Dichter, liebt ein Mädchen, das jenem