VI, Allgemeine Besprechungen 1, 4, Josef Karl Ratislav, Seite 19

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1. Pamphlets „fprints
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fflich ge¬
möglichst vielen Mädchen entgegenzutreten. Bei ihm ist die Haupt¬
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frage das „Wie“. Er ist vor allem ein Stimmungsmensch, der auch von
l die
Sentimentalität nicht ganz frei ist. Ein dämmerdunkles Zimmer, eine
rote Ampel und ein Flügel, auf dem man zarte Mollakkorde greifen
kann, dazu ein Mädel, das ihn — wenigstens für den Augenblick -
liebt, und er ist zufrieden. Er fragt nicht nach der Vergangenheit des
Mädchens. Sie existiert in dieser Stunde eben nur für ihn, er er¬
hebt sie gleichsam zu sich herauf, verleiht ihr einen Schimmer der
weichen, süßen Sphäre, in der er träumt. Dennoch geht er bei seinen
Liebeleien oft ganz vernünftig vor. Er trifft zum Beispiel mit seinem
Mädchen das Abkommen, dann sich zu trennen, wenn ein Teil für
den andern keine Liebe mehr empfindet. Er haßt also die Komödie.
Freilich wird ihm so ein Abschied manchmal schwer und daher ist es
gut, daß er einen praktischen Freund hat. Dieser heißt Max und ist
ein Mephisto im Kleinen. Er versteht es, rechtzeitig in die verwickelte
Handlung einzugreifen und zerhaut wie ein deus ex machina den
Knoten. Die Kreise, aus denen Anatol seine Geliebten holt, sind ganz
verschieden. Bald ist es eine unverstandene Frau, bald eine Dame
vom Zirkus, dann wieder ein lustiges, sorgenloses Mädel, das stets
mit der kurzen Dauer seines Glückes rechnet. Allen Frauengestalten
aber ist das Wienertum sofort anzukennen.
Die sieben Einakter, die der gemeinsame Titel „Anatol“ zu¬
sammenfaßt, sind nichts anderes als gut geführte Dialoge zwischen
Anatol und der jeweiligen Heldin, wobei Max als Ratgeber erscheint
und mit manchem Aphorisma das Gespräch würzt. Dem Dichter ge¬
lingt es, interessante Situationen und Charaktere vorzuführen.
„Die Frage an das Schicksal“ ist die Frage, die Anatol
auf Anraten Maxens an die hypnotisierte Cora richten soll. Er ent¬
schließt sich zu diesem Schritt, da er fortwährend an der Treue des
Mädchens zweifelt. Als aber der Augenblick gekommen ist, wo er
von der Ahnungslosen die Wahrheit erfahren könnte, unterläßt er die
Frage. „Weihnachtseinkäufe“ spielt auf der Straße am
Weihnachtsabend. Anatol trifft Frau Gabriele und diese will ihm
durchaus behilflich sein, für seine Geliebte in der Vorstadt ein
Weihnachtsgeschenk auszuwählen. Da sie beide aber in der kurzen
Zeit nichts Passendes finden, so gibt sie ihm einige Rosen, damit
er mit ihnen des Mädchens Zimmer schmücke. Anatol nennt
gs. Dabei keines¬
sich in dieser Szene selbst einen leichtsinnigen Melancholiker.
gender junger Herr
Das Melancholische drückt sich in dem Gedanken an die Ver¬