VI, Allgemeine Besprechungen 1, 4, Josef Karl Ratislav, Seite 22

box 36/4
Panphlets offbrints
24
Sonntagabend im Prater ein Stubenmädchen. Im nächsten Dialog
erscheint das Stubenmädchen und der junge Herr. Die Szene zwischen
dem jungen Herren und der jungen Frau bildet künstlerisch den Höhe¬
punkt. Unmittelbar darauf folgt die junge Frau und der Ehemann.
Dieser betrügt seine Gattin mit dem süßen Mädel. Als nächstes Paar
tritt uns das süße Mädel und der Dichter entgegen, dann der Dichter
und die Schauspielerin. Diese beglückt wieder einen Grafen, der
endlich mit der Dirne den Reigen beschließt. Der „Reigen“ der
mit Recht ein moderner Dekameron genannt werden kann, besitzt ein
Vorbild in dem französischen Werke „Wie sie sich hingeben“ von
Jeanne Marni.
Mit einer an Anatol gemahnenden Stimmung hebt das Schauspiel
„Liebelei“ an. Wien ist der Schauplatz der Handlung, Wiener
Luft weht durch den ersten Akt, in dem zwei Freunde mit zwei süßen
Wiener Mädeln soupieren. Die ganze Szene ist eigentlich undramatisch,
es ist alles Stimmung, die am besten beim Lesen wirkt, im Rampen¬
licht aber leicht zerfließen kann. Die Wiener Note ist hier oortrefflich
erfaßt und von der Liebe des Dichters zu Wien steht viel in diesem
Buch. Theodor Kaiser hat seinem Freunde, Fritz Lohheimer, um ihn
aus dem Verhältnis mit einer verheirateten Frau zu retten, die Be¬
kanntschaft Christinens vermittelt. Diese ist ein echtes Wiener Kind,
die Tochter eines Violinspielers am Josefstädter Theater. Fritz wird
ihre erste und einzige Liebe. Ahnungslos verbringen die jungen Leute
im ersten Akt einen schönen Abend. Da läßt sich ein Herr melden,
der Fritz sprechen will. ## ist der Gatte der von Lobheimer geliebten
Frau und er ist von dem Ehebruch genau unterrichtet. Als der erste
Akt schließt, wissen wir, daß Fritz vor einem Duell steht. Christinen
gegenüber erwähnt er davon nichts, auch nicht am nächsten Tage, wo
er sie in ihrer Wohnung zum ersten und letzten Male besucht. (Zweiter
Akt.) Er erzählt ihr nur, daß er auf einige Tage verreisen müsse.
Das gute Kind, das schon von ungewissen Zweifeln geplagt wird, hat
nun die bitteren Schmerzen der ersten Liebe durchzukämpfen. Sie
hat sich ihrem Vater, einem braven, verständigen Mann eröffnet, und
während sie noch hofft und bangt, erfährt sie, daß Fritz im Duell ge¬
#allen ist. Daß er ohne Abschied von ihr gegangen, daß er für eine
#sremde Frau gestorben ist und ohne ihr Wissen begraben wurde, muß
alles in ihr aufwühlen. Ihr so junges Glück ist mit einem Schlage
vernichtet und es bleibt ihr nichts als der Tod. Der dritte Akt ist
eine Meisterleistung, wie sie Schnitzler vielleicht nicht wieder zustande
25
gebracht hat. Thristinen entgegengestellt ist i
Mizi Schlager, die sich mit den Männern gut
Binder hat der Dichter die rechte Tugendwäch
liebsten jedes Mädchen von der Welt abschli
Christinens Vater entgegen, der dem Leben
das Angenehme schätzenden Sinn entgegenbrin
sind ähnliche Charaktere wie Anatol und M
zueinander ist ein ähnliches.
Die Liebelei hat Schnitzlers Ruhm begrü
in einer literarischen Tradition, die an Dum
knüpft. Schnitzler verbindet hier die Schildern
in der Art Halbes mit einer sozialen Ansla
vernehmen wir in Schnitzlers Dichtung den
und Tod. Die Liebe ist für den Dichter ein
ernst nimmt, geht daran zugrunde. Darum
Die Tragik spricht sie selbst mit den Morten a
gewesen als ein Zeitvertreib — und für eine
Und ich hab' ihn angebetet! Hat er denn
Er hat von mir fortgehen können mit einem
dem Zimmer und sich für eine andere niederst
die Liebe hier erscheint, begegne' sie uns #
Zwei Menschen lernen einander kennen und lie
Stunden, und gehen dann auseinander ode
Heldinnen lieben nur einmal,“ sagt Muret in ein
„Liebelei“ erhebt sich inhaltlich bedeute
Hauptsächlich ist aber in technischer Hinsicht
zeichnen. Schon in diesem Drama sehen wir,
Entwicklung durchmacht. Für Fritz ist auf
Geliebte, bei der er Erholung von seinem 2
heirateten Frau finden will. Als er erkennt
diesem Mädchen bevorsteht, muß er für sein
Auch in außerdeutschen Ländern fand
Beifall. Erwähnenswert ist besonders die e
G. Valentine William „Light o' Love“, die
aufgeführt wurde.