VI, Allgemeine Besprechungen 1, 4, Josef Karl Ratislav, Seite 34


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Pamph Offprints
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hat. Georg ist ein Verwandter des Paracelsus: auch er spielt mit
Menschen und hält es für seinen Beruf, andern als Schicksal zu er¬
scheinen. Eduard war ein schüchterner Jüngling, der nicht glaubte,
daß ihm je ein Liebesglück beschieden sein könnte. Georg erbarmte
sich seiner, und er überredete Anna, sich so zu stellen, als ob sie
Eduard liebte. Dadurch erwachte in diesem das Vertrauen auf sich
selbst, und er lernte Anna lieben, die dann seine Frau wurde. Jetzt,
etliche Jahre nach der Hochzeit, kommt Georg, der verschollen war,
zurück, und als er sich seines Spieles rühmt, sagt ihm Anna, daß sie
nur deshalb seinerzeit die Komödie mitgespielt habe, weil sie Georg
liebte und den letzten Versuch machen wollte, seine Eifersucht zu wecken.
„Der tapfere Cassian“ — dieser Einakter wird auch von
unsern neueren Marionettentheatern aufgeführt — ist ein Abenteurer,
der die kühnsten Streiche begeht, und ein gewiegter Frauenbezwinger.
Er meint Marionettenlenker zu sein und ist selbst nur Marionette.
Das reizende, sich flott abspielende Puppenspiel ist von Oskar Straus
in Musik gesetzt worden.
In der Burleske „Zum großen Wurstel“ sehen wir die
Vorstellung eines Marionettentheaters im Wiener Prater mit an.
Schnitzler hat das Milieu trefflich studiert und seinen Zwecken dienstbar
gemacht. Helden seiner eigenen Stücke, wie Anatol, Max, das süße
Mädel u. a. führt der Dichter vor. Der Schluß des tollen Stückes
ist ganz und gar undurchsichtig.
Aus der Reihe der übrigen Dramen fällt ein schwankartiger
Einakter heraus, der „Komtesse Mizzi oder der Familien¬
tag“ betitelt ist. Dem Dichter macht es hier Freude, Gestalten, die
mit sicherer Hand den Lebensgenuß ergreifen, zu zeichnen. Auch dieses
Stück atmet Wiener Luft und Wiener Menschen treten uns darin ent¬
gegen. Graf Arpad Pazmandy hat durch zwanzig Jahre eine ge¬
feierte Schauspielerin zur Geliebten gehabt. Nun hat sie sich vom
Theater zurückgezogen und einen Fiakereibesitzer geheiratet, um endlich
in geordnete Verhältnisse zu kommen. Um seine Tochter Mizzi, die jetzt
38 Jahr alt ist, hat sich der Graf die ganze Zeit wenig gekümmert.
Daher weiß er auch nicht, daß sein Freund, Fürst Egon Ravenstein,
seine Tochter vor 18 Jahren geliebt hat, und daß diesem Bunde ein
Sohn entsprossen ist, der dem Grafen im Stücke zum erstenmale ent¬
gegentritt. Das Verhältnis zwischen dem Fürsten und Mizzi war
sehr locker. Zuerst liebte sie ihn, er aber war zu feig, um mit ihr
zu fliehen; er nahm Rücksicht auf ihren Vater und auf seine eigene


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kranke Frau, die dann ohnehin bald starb.
zwei, ja es gab eine Zeit, wo Mizzi den F
hatte sie gleich nach der Geburt weggebenm
nicht mehr gesehen. Mit der Malerei füllt
Alleinseins aus. Einigemale hielt der Fürst
wurde aber abschlägig beschieden. Mit ihre
scheint Mizzi sehr vertraut gewesen zu sein,
ihm zuteil werden läßt, beweist. Sie will je
Verhältnis sie längst im Klaren war, nach
der Fürst mit ihrem Sohne Philipp, der
kunft den besten Eindruck auf sie machte,
scheint die ganze Komödie einen allgemein
nehmen. Über die Situationskomik, die in
Überraschungen und Verwechslungen besteht,
kommt der Dichter nicht hinaus.
VII.
Sudermanins „Morituri“ sind die St
akterzyklen geworden, wie solche auch Schi
Einakterzyklus ist auch „Lebendige St
bewegten Strome des Lebens versteht Schn
festzuhalten, die nur dem Auge eines Dichter
Einakter haben das Künstlertum zum Von
Stunden“ begegnet uns ein Künstler,
den traurigsten Umständen zu verteidigen
gilt aber nur für den wirklich begnadeten
die sehr schwer krank war, ist für ihren So
ist und unter ihrer Krankheit litt, freiwillig
seine Kunst fürchtete. In „Lebendige Stut
hohe Ansicht von der Dichtkunst, die er sch
nieder. Er schätzt sie höher als das Leben
Der Einakter „Die Frau mit de
uralten Tradition des Traumstückes, mit de
speare, Grillparzer und Hauptmann anschli
einer Bildergalerie und ist etwas unklar
und Wirklichkeit hier noch sichtlich getre
hier das Vorrecht des Künstlers und das