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Pamphlets offprints
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Rolle, Menschen, die wir heute noch voll Humor und Lebenslust vor¬
überziehen sehen, rafft er morgen als seine Beute dahin. Ganz
meisterhafte Szenen hat Schnitzler hier gezeichnet. Ich erinnere nur
an das zweite Bild, wo der Totengräber für das in den Tod ge¬
gangene Liebespaar ein Grab schaufelt und die neugierigen Wiener
lachend und scherzend den Leichenzug erwarten. Wie prächtig kommt
hier die Sorglosigkeit des Wienertums, das über der gegenwärtigen
Stunde die folgende vergißt, zum Ausdruck! Oder die Szene auf
der Bastei, wo der uralte Herr, eine der ergreifendsten Figuren des
Dramas, mit seinem Urenkelkind unter dem Donner der Geschütze
spazieren geht; durch einen Granatsplitter wird das Kind an seiner
Seite getötet, während er unversehrt weitergeht, stündlich den Tod vor
Augen, ohne daß ihm sein lebensbezwingender Humor verloren geht.
Ein Sterben von schauriger Größe schreitet durch das Stück,
nicht in der landläufigen Art des historischen Dramas; hier beruht
alles auf wohlbegründeten Voraussetzungen und alles ist von einem
Dichter dargestellt, der das Problem des Todes in seinem ganzen
Umfange erfaßt und verinnerlicht hat.
Napoleon greift fortwährend in die Handlung ein, doch kommt
er niemals selbst auf die Bühne. Wie Cäsar Borgia hinter den
Vorgängen in „Beatrice“ steht, so waltet hier Napoleon wie ein
dunkles Schicksal, das zu allem den Anstoß gibt, über der Handlung.
Ein Befehl von ihm, den General Rapp am Schlusse verkündet, be¬
endet auch das Stück: „Es ist der Wille des Kaisers, daß Medardus
Klähr mit allen Ehren und in geweihter Erde bestattet wird, als
dieses Krieges letzter und seltsamster Held.“ Medardus und Helene
richten ihren Dolch gegen Napoleon, aber keiner trifft ihn, in un¬
erschütterlicher Größe steht er am Schlusse da.
Helene gleicht der Judith, die den Holofernes töten will. Me¬
dardus hat ein Vorbild in dem deutschen Schwärmer Stapß, der
Napoleon in Schönbrunn erdolchen wollte. Stapß handelte in der
höchsten Erregung, bei Medardus aber liegt die Sache anders. Er
will anfangs den Tod seines Vaters rächen, handelt aber dann durch¬
aus unmotiviert, wenn er am Schlusse die rettende Hand, die ihm
der Kaiser selbst bietet, zurückweist. Die Schlußszene wirkt durch die
Gegenwart der Mutter nur peinlich, so daß man den starren Sinn
des Sohnes nicht begreifen kann, der eigentlich umsonst in den Tod
geht. Auch das Vorgehen Eschenbachers, der die Landkarten vergräbt,
ist nicht einleuchtend, weil er damit dem Vaterlande gar nichts nützt.
Als Trauerspiel kran
der „Ruf des Lebens“. D
der Gesamteindruck geschwä
Dichter am Schlusse der zw
überhaupt stark an Schiller
Auch in diesem Stück
Der tüchtige Geschäftsman
Geschäft nicht im Stich
Soldatenspielerei bin ich ni
durch den General Rapp ne
seine Pläne durchschaut sin
nichts ist zu Ende! Ein sa
eines bessern, das ist alles
Herzogin sagt, als sie erfäl
seiner Wünsche nur vortäusch
zu Assalagny: „Ein so frei
des Herzogs von Valois
gegnet ihr: „Trieb der Hin
er trieb das seine grausat
schon gefallen lassen, daß
wird.“ Und endlich findet
mit der Krone von Seiten
und müssen uns dreinfügen.
gilt ein Wort Bargettis: „2
das ist die Kunst.“
Auch der Tod, der w
in Aussprüchen festgehalte
Stelle: „Man gewöhnt sich
unserm Beruf.“ Und Esch
keine Kunst. Am Ende t
und keinem zu Nutzen, nu
Held . . . ist ein Narr, El
Schnitzler ist ein äuß
Echtheit seiner Kunst bezeic
er in verhältnismäßig weni
zuweisen hat. Sein künstl
Büchern klar erkennbar i
gehen lassen, er ist sich sell
schlossene, auf bestimmte Zi
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Pamphlets offprints
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Rolle, Menschen, die wir heute noch voll Humor und Lebenslust vor¬
überziehen sehen, rafft er morgen als seine Beute dahin. Ganz
meisterhafte Szenen hat Schnitzler hier gezeichnet. Ich erinnere nur
an das zweite Bild, wo der Totengräber für das in den Tod ge¬
gangene Liebespaar ein Grab schaufelt und die neugierigen Wiener
lachend und scherzend den Leichenzug erwarten. Wie prächtig kommt
hier die Sorglosigkeit des Wienertums, das über der gegenwärtigen
Stunde die folgende vergißt, zum Ausdruck! Oder die Szene auf
der Bastei, wo der uralte Herr, eine der ergreifendsten Figuren des
Dramas, mit seinem Urenkelkind unter dem Donner der Geschütze
spazieren geht; durch einen Granatsplitter wird das Kind an seiner
Seite getötet, während er unversehrt weitergeht, stündlich den Tod vor
Augen, ohne daß ihm sein lebensbezwingender Humor verloren geht.
Ein Sterben von schauriger Größe schreitet durch das Stück,
nicht in der landläufigen Art des historischen Dramas; hier beruht
alles auf wohlbegründeten Voraussetzungen und alles ist von einem
Dichter dargestellt, der das Problem des Todes in seinem ganzen
Umfange erfaßt und verinnerlicht hat.
Napoleon greift fortwährend in die Handlung ein, doch kommt
er niemals selbst auf die Bühne. Wie Cäsar Borgia hinter den
Vorgängen in „Beatrice“ steht, so waltet hier Napoleon wie ein
dunkles Schicksal, das zu allem den Anstoß gibt, über der Handlung.
Ein Befehl von ihm, den General Rapp am Schlusse verkündet, be¬
endet auch das Stück: „Es ist der Wille des Kaisers, daß Medardus
Klähr mit allen Ehren und in geweihter Erde bestattet wird, als
dieses Krieges letzter und seltsamster Held.“ Medardus und Helene
richten ihren Dolch gegen Napoleon, aber keiner trifft ihn, in un¬
erschütterlicher Größe steht er am Schlusse da.
Helene gleicht der Judith, die den Holofernes töten will. Me¬
dardus hat ein Vorbild in dem deutschen Schwärmer Stapß, der
Napoleon in Schönbrunn erdolchen wollte. Stapß handelte in der
höchsten Erregung, bei Medardus aber liegt die Sache anders. Er
will anfangs den Tod seines Vaters rächen, handelt aber dann durch¬
aus unmotiviert, wenn er am Schlusse die rettende Hand, die ihm
der Kaiser selbst bietet, zurückweist. Die Schlußszene wirkt durch die
Gegenwart der Mutter nur peinlich, so daß man den starren Sinn
des Sohnes nicht begreifen kann, der eigentlich umsonst in den Tod
geht. Auch das Vorgehen Eschenbachers, der die Landkarten vergräbt,
ist nicht einleuchtend, weil er damit dem Vaterlande gar nichts nützt.
Als Trauerspiel kran
der „Ruf des Lebens“. D
der Gesamteindruck geschwä
Dichter am Schlusse der zw
überhaupt stark an Schiller
Auch in diesem Stück
Der tüchtige Geschäftsman
Geschäft nicht im Stich
Soldatenspielerei bin ich ni
durch den General Rapp ne
seine Pläne durchschaut sin
nichts ist zu Ende! Ein sa
eines bessern, das ist alles
Herzogin sagt, als sie erfäl
seiner Wünsche nur vortäusch
zu Assalagny: „Ein so frei
des Herzogs von Valois
gegnet ihr: „Trieb der Hin
er trieb das seine grausat
schon gefallen lassen, daß
wird.“ Und endlich findet
mit der Krone von Seiten
und müssen uns dreinfügen.
gilt ein Wort Bargettis: „2
das ist die Kunst.“
Auch der Tod, der w
in Aussprüchen festgehalte
Stelle: „Man gewöhnt sich
unserm Beruf.“ Und Esch
keine Kunst. Am Ende t
und keinem zu Nutzen, nu
Held . . . ist ein Narr, El
Schnitzler ist ein äuß
Echtheit seiner Kunst bezeic
er in verhältnismäßig weni
zuweisen hat. Sein künstl
Büchern klar erkennbar i
gehen lassen, er ist sich sell
schlossene, auf bestimmte Zi