VI, Allgemeine Besprechungen 1, 4, Josef Karl Ratislav, Seite 39

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Pamphlets, Offprints
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Als Trauerspiel krankt das Stück an ähnlichen Mängeln, wie
Humor und Lebenslust vor¬
der „Ruf des Lebens“. Durch die Zerrissenheit der Stimmung wird
seine Beute dahin. Ganz
der Gesamteindruck geschwächt. Ein echt dramatisches Bild ist dem
eichnet. Ich erinnere nur
Dichter am Schlusse der zweiten Szene (Donauschenke) gelungen, die
ür das in den Tod ge¬
überhaupt stark an Schillers Massenszenen erinnert.
die neugierigen Wiener
Auch in diesem Stücke begegnet uns wiederholt das Spielmotiv.
Die prächtig kommt
Der tüchtige Geschäftsmann Berger sagt einmal: „Ich kann mein
der gegenwärtigen
Geschäft nicht im Stich lassen. Zum Umeinandstehn und zur
ne auf
Soldatenspielerei hin ich nicht zu haben.“ Als Napoleon den Herzog
durch den General Rapp nach Schönbrunn einladet, glaubt dieser, daß
seine Pläne durchschaut sind. Aber Helene urteilt richtig: „Vater!
nichts ist zu Ende! Ein schlechter Komödiant war da — im Auftrag
eines bessern, das ist alles . . . nichts hat sich verändert ... Die
Herzogin sagt, als sie erfährt, daß man ihrem Gatten die Erfüllung
seiner Wünsche nur vortäuscht, um seinen Lebensabend nicht zu trüben,
zu Assalagny: „Ein so frevelhaft verwegenes Spiel treiben Sie mit
des Herzogs von Valois erlauchtem Haupt?“ Und Assalagny ent¬
gegnet ihr: „Trieb der Himmel ein anderes, Frau Herzogin? Und
er trieb das seine grausam und ohne Zweck. So muß er sich's
andlung
schon gefallen lassen, daß es ihm von irdischen Händen entwunden
Cäsar Borgia
wird.“ Und endlich findet Helene das Schlußwort zu dem Spiel
hier Napoleon wie ein
mit der Krone von Seiten des Valois: „Wir haben eben verspielt
ß gibt, über der Handlung.
und müssen uns dreinfügen.“ Von der Handlungsweise des Medardus
m Schlusse verkündet, be¬
gilt ein Wort Bargettis: „Begeistert sein ist leicht! Aber wissen wofür,
des Kaisers, daß Medardus
das ist die Kunst.“
Erde bestattet wird, als
Auch der Tod, der wirksamste Akteur in diesem Drama, ist oft
Medardus und Helene
in Aussprüchen festgehalten. Der Arzt Trembly meint an einer
keiner trifft ihn, in un¬
Stelle: „Man gewöhnt sich dran, seine Freunde sterben zu sehn, in
da.
unserm Beruf.“ Und Eschenbacher sagt zu Etzelt: „Das Sterben ist
olofernes töten will. Me¬
keine Kunst. Am Ende trifft's jeder. Wer's aber ohne Not tut,
Schwärmer Stapß, der
und keinem zu Nutzen, nur um seine Courage zu zeigen, ist kein
Stapß handelte in der
Held . . . ist ein Narr, Etzelt!“
egt die Sache anders. Er
Schnitzler ist ein äußerst fruchtbarer Dichter, und es ist für die
handelt aber dann durch¬
Echtheit seiner Kunst bezeichnend, daß er unter so vielen Werken, die
rettende Hand, die ihm
er in verhältnismäßig wenig Jahren schuf, so wenig mißglückte auf¬
Schlußszene wirkt durch die
zuweisen hat. Sein künstlerisches Streben, das schon in den ersten
aß man den starren Sinn
Büchern klar erkennbar ist, hat ihn bis heute seinen eigenen Weg
ntlich umsonst in den Tod
gehen lassen, er ist sich selbst treu geblieben und hat eine in sich ge¬
er die Landkarten vergräbt,
schlossene, auf bestimmte Ziele konzentrierte Entwicklung durchgemacht.
aterlande gar nichts nützt.