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Pamphlets, offprints
42 —
Das zeigt uns auch sein letztes Werk, die kürzlich zur Ausgabe
gelangte Tragikomödie „Das weite Land“. Die alten Vorzüge des
Dramatikers Schnitzler finden sich hier wieder. Der feinen Charakter¬
und Milieuschilderung, sowie der Exposition ist volles Lob zu spenden.
Das Stück erlebte an vierzehn Bühnen zugleich seine Uraufführung
und man kann diesen Modus, der sich neuerdings einzubürgern scheint,
nur gutheißen, wenn es sich um die Förderung eines echten Dichters
handelt. Die eigenartige Note, die den Dramen Schnitzlers eigen ist,
kommt hier rein ausgeprägt zum Ausdruck. Wiener Menschen werden
uns vorgeführt, und sogar der Dialekt, der diesen Menschenschlag
am besten charakterisiert, macht sich angenehm bemerkbar und verleiht
dieser Tragikomödie einen bekannten Ton, alle Dinge werden unserm
eigenen Wesen nahegebracht. Eine Tragikomödie nennt der Dichter
das Werk mit Recht: Bittere Wahrheiten und schmerzliche Ent¬
täuschungen sagen sich seine Personen mit lächelndem Munde, sie
lassen sich von keiner augenblicklichen Stimmung überwinden und geben
ihre Seele nicht aus der Hand. Auch ihre Lebensanschauung wurzelt
im Spiel. Wie wäre sonst das Verhalten Genias zu verstehen, die
erst einen Mann in den Tod gehen läßt, da sie keinen Ehebruch be¬
gehen will — um ihrer selbst willen, und dann die Liebe des Marine¬
fähnrichs erwidert? Oder Friedrich Hofreiter, der Lebenskünstler
und Genießer, der seiner Frau im ersten Fall Vorwürfe macht, weil
sie mit ihrer Tugend einen Menschen in den Tod getrieben hat, und
dann, als er von ihrer Liebschaft zufällig Kenntnis erlangt hat, den
Fähnrich im Duell erschießt. Und Doktor Mauer — übrigens die
beste Figur des Stückes — denkt an die Möglichkeit, daß die Liebe
ein Spiel sein könnte, aber ein ehrliches müßte es sein! Die Liebe,
das zweite der Hauptprobleme Schnitzlers, spielt in diesem Drama
eine hervorragende Rolle. Sentimental=unglückliche Liebe (auch eine
solche muß es geben!), ein flüchtiger Höhenrausch, männliches Entsagen
und heiteres Genießen, berechneter Ehebruch — alle diese Variationen
erscheinen unter des Dichters Händen wieder neu und interessant und
werden zu einem komplizierten Ganzen verbunden. Die Macht des
Ewig=Weiblichen, das diese Menschen in seinem Banne hält, charakterisiert
Hofreiter treffend, wenn er zu Erna sagt: „Wenn man Zeit hat und
in der Laune ist, baut man Fabriken, erobert Länder, schreibt Sym¬
phonien, wird Millionär ... aber glaub' mir, das ist doch alles nur
Nebensache. Die Hauptsache — seid ihr! — ihr! — ihr!“ Über
der ganzen durch einen ausgezeichneten, scharf geschliffenen Dialog in
lebendiges Leben umgesetzten A
ersten Szene kommen die Leut
Korsakow und in der letzten
für den Gegner tödlich ausging
sich vor seiner Tat und verläßt i
antritt, weist er zurück, und er
vielleicht seinem Kinde.
Über Schnitzler ein Gesam
Dichter steht am Höhepunkte se
Grund, zu hoffen, daß er uns
wird. Aber schon jetzt besitzen
Werke als Dokumente unserer #
breitung verdienen. In seinen G
liche Ansätze zum Lustspiel beg
Stückes, das in einem vornehm
reich an gut geschauten Lustspiel
rechtigt, daß der Dichter wie w¬
deutsche Lustspiel zu schreiben.
uns noch manches zu sagen h
lange nicht erschöpft, und die Au
noch ungeahnte Möglichkeiten d
menschlichen Seele ist ja unerschä
sich von heute auf morgen. In
Hoteldirektor Aigner einen Satz
grenzten Wirkungskreis bezeich
„Die Seele is
Pamphlets, offprints
42 —
Das zeigt uns auch sein letztes Werk, die kürzlich zur Ausgabe
gelangte Tragikomödie „Das weite Land“. Die alten Vorzüge des
Dramatikers Schnitzler finden sich hier wieder. Der feinen Charakter¬
und Milieuschilderung, sowie der Exposition ist volles Lob zu spenden.
Das Stück erlebte an vierzehn Bühnen zugleich seine Uraufführung
und man kann diesen Modus, der sich neuerdings einzubürgern scheint,
nur gutheißen, wenn es sich um die Förderung eines echten Dichters
handelt. Die eigenartige Note, die den Dramen Schnitzlers eigen ist,
kommt hier rein ausgeprägt zum Ausdruck. Wiener Menschen werden
uns vorgeführt, und sogar der Dialekt, der diesen Menschenschlag
am besten charakterisiert, macht sich angenehm bemerkbar und verleiht
dieser Tragikomödie einen bekannten Ton, alle Dinge werden unserm
eigenen Wesen nahegebracht. Eine Tragikomödie nennt der Dichter
das Werk mit Recht: Bittere Wahrheiten und schmerzliche Ent¬
täuschungen sagen sich seine Personen mit lächelndem Munde, sie
lassen sich von keiner augenblicklichen Stimmung überwinden und geben
ihre Seele nicht aus der Hand. Auch ihre Lebensanschauung wurzelt
im Spiel. Wie wäre sonst das Verhalten Genias zu verstehen, die
erst einen Mann in den Tod gehen läßt, da sie keinen Ehebruch be¬
gehen will — um ihrer selbst willen, und dann die Liebe des Marine¬
fähnrichs erwidert? Oder Friedrich Hofreiter, der Lebenskünstler
und Genießer, der seiner Frau im ersten Fall Vorwürfe macht, weil
sie mit ihrer Tugend einen Menschen in den Tod getrieben hat, und
dann, als er von ihrer Liebschaft zufällig Kenntnis erlangt hat, den
Fähnrich im Duell erschießt. Und Doktor Mauer — übrigens die
beste Figur des Stückes — denkt an die Möglichkeit, daß die Liebe
ein Spiel sein könnte, aber ein ehrliches müßte es sein! Die Liebe,
das zweite der Hauptprobleme Schnitzlers, spielt in diesem Drama
eine hervorragende Rolle. Sentimental=unglückliche Liebe (auch eine
solche muß es geben!), ein flüchtiger Höhenrausch, männliches Entsagen
und heiteres Genießen, berechneter Ehebruch — alle diese Variationen
erscheinen unter des Dichters Händen wieder neu und interessant und
werden zu einem komplizierten Ganzen verbunden. Die Macht des
Ewig=Weiblichen, das diese Menschen in seinem Banne hält, charakterisiert
Hofreiter treffend, wenn er zu Erna sagt: „Wenn man Zeit hat und
in der Laune ist, baut man Fabriken, erobert Länder, schreibt Sym¬
phonien, wird Millionär ... aber glaub' mir, das ist doch alles nur
Nebensache. Die Hauptsache — seid ihr! — ihr! — ihr!“ Über
der ganzen durch einen ausgezeichneten, scharf geschliffenen Dialog in
lebendiges Leben umgesetzten A
ersten Szene kommen die Leut
Korsakow und in der letzten
für den Gegner tödlich ausging
sich vor seiner Tat und verläßt i
antritt, weist er zurück, und er
vielleicht seinem Kinde.
Über Schnitzler ein Gesam
Dichter steht am Höhepunkte se
Grund, zu hoffen, daß er uns
wird. Aber schon jetzt besitzen
Werke als Dokumente unserer #
breitung verdienen. In seinen G
liche Ansätze zum Lustspiel beg
Stückes, das in einem vornehm
reich an gut geschauten Lustspiel
rechtigt, daß der Dichter wie w¬
deutsche Lustspiel zu schreiben.
uns noch manches zu sagen h
lange nicht erschöpft, und die Au
noch ungeahnte Möglichkeiten d
menschlichen Seele ist ja unerschä
sich von heute auf morgen. In
Hoteldirektor Aigner einen Satz
grenzten Wirkungskreis bezeich
„Die Seele is