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bei Gerold erschienen, wie denn auch Nagls Arbeiten über die Konjugation (1883)
und die Deklination (1884) des niederösterreichischen Dialekts und den Vokalismus
der bayrisch-österreichischen Mundart (1895) sowie über den gegenwärtigen Stand
der bayrisch-österreichischen Dialektforschung (1886) hier angeführt seien. Im
Dialekt der Gegend von Mistelbach sind geschrieben die Dialektdichtungen
Joh. Georg Frimbergers („Von dahoam“, „Pfeffert und g’salzen“, „Wia d’ Leut san
und wia s’ sein sölln“, „Is ’s g’fälli?“).
Mit der „schönen Literatur“ ist aber glücklicherweise heute der Begriff
„Literatur“ für das allgemeine Lesepublikum nicht erschöpft, und so will ich im
Fluge auch das Gebiet der Wiener gelehrten Literatur durehmessen, wenn auch da
der Raum kaum mehr gestattet, als Namen und Titel von einzelnen Büchern zu
nennen, die nach Form und Inhalt an ein größeres Lesepublikum sich wenden oder
doch von diesem verstanden und mit Vorteil gelesen werden können, wobei natürlich
mit Rücksicht auf den Gegenstand die Historiker und Germanisten größere Berück¬
sichtigung finden. Nur muß ich hier wegen des Umfanges, in dem der Begriff der
„Wiener Literatur“ gebraucht wird, eine Einschaltung machen.
Wie an der gelehrten Literatur überhaupt den Professoren der Hochschulen
hervorragender Anteil zukommt, so haben ihn an der „Wiener Literatur“ die Lehrer
zusammen, wenn auch nicht mehr in dem Maße, wie es früher der Fall war, während
anderseits der stete Wechselverkehr mit Deutschland zur Folge hat, daß unter den
Lehrern der Wiener Hochschule sich stets viele Reichsdeutsche finden, und umge¬
kehrt Wien viele Lehrer, wenn sie sich einen Namen erworben haben, an aus¬
wärtige Städte verliert. Es ist keine erfreuliche Erscheinung, und doch kein
schlechtes Zeichen für die persönlichen Eigenschaften der Österreicher, daß in der
letzten Zeit der Verlustsaldo in starkem Steigen begriffen ist. Es kommt eben hier
in Frage, daß durch besondiere Umstände, ich nenne nur die Velleitäten unseres
heute fast einzig dastehenden Eherechtes und den konfessionellen und nationalen
Hader, viele Gelehrte schon aus Österreich hinausgeekeit worden sind und zugleich
die Anziehungskraft der Wiener Hochschule herabgedrückt worden ist. Auch die
Aufhebung des Kollegiengeldes hat hier bei manchen Fächern Anteil, während
umgekehrt wirtschaftliche Momente, nämlich die Aussicht, sich durch ärztliche
Praxis rasch ein Vermögen zu erwerben, eine starke Anziehung auf Mediziner
üben muß — auf solche insbesondere, die geneigt sind, die geschäftliche Seite ihres
Berufes in erste Linie zu stellen.
Die abstruseste Schreibweise haben im allgemeinen die Arzte in ihren wissen¬
schaftlichen Werken. Umso erfreulicher sind die Ausnahmen.
Zwei rühmenswerte Muster hat da das alte Wien aufzuweisen. Da ist einmal
ERNST FEUCHTERSLEBEN, der Dichter des Liedes „Es ist bestimmt in Gottes
Rat“, dessen Werke Hebbel gewürdigt hat, sie herauszugeben, und dessen Schrift
„Zur Diätetik der Seele“ und dessen „Aphorismen“ noch heute viel gelesen werden.
Als den älteren habe ich ihn zuerst genannt, der Vortritt vor ihm gebührt aber
JOSEF IITRTL mit seinem „Lehrbuch der Anatomie des Menschen“ und seinem
„Handbuch der topographischen Anntomie“. Warum seit Jahren keine Neuauflagen
mehr von diesen Werken veranstaltet worden sind, weiß ich nicht. Vielleicht ist es
gut so, damit nicht an ihnen zerstört wird, was sie an Wert besitzen durch ihre
Klarheit und ihren Stil. Wenn übrigens Hyrtl in seiner topographischen. Anatomie
einmal den Ausspruch eines alten Schriftstellers anführt, man habe einzelnen
Partien im Gehirn Namen aus der Geschlechtssphäre beigelegt, ut foedus studium
anatomiae Juvenibus gratius hlat, so kann man ein gleiches von seiner Darstellungs¬
methode behaupten, die aus den Schriften des Altertums und der lateinischen
gelehrten und patristischen Literatur des Mittelalters eine Fülle der köstlichsten
Anekdoten über das Buch streut. Der Namen Hyrtls ruft sofort auch die Erinnerung
an seinen Antagonisten ERNSP BRUCKE wech, mit seinen bahnbrechenden
„Grundzügen der Physiologie und Systematik der Sprachlaute“ und seinen „Vor¬
lesungen über Ph,
ziehen sich: „Die
arbeitet“
die
Interesse s
ch
„Einl
logi
itung
GOMPERZ („Grie
neusokratischen Ph
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bei Gerold erschienen, wie denn auch Nagls Arbeiten über die Konjugation (1883)
und die Deklination (1884) des niederösterreichischen Dialekts und den Vokalismus
der bayrisch-österreichischen Mundart (1895) sowie über den gegenwärtigen Stand
der bayrisch-österreichischen Dialektforschung (1886) hier angeführt seien. Im
Dialekt der Gegend von Mistelbach sind geschrieben die Dialektdichtungen
Joh. Georg Frimbergers („Von dahoam“, „Pfeffert und g’salzen“, „Wia d’ Leut san
und wia s’ sein sölln“, „Is ’s g’fälli?“).
Mit der „schönen Literatur“ ist aber glücklicherweise heute der Begriff
„Literatur“ für das allgemeine Lesepublikum nicht erschöpft, und so will ich im
Fluge auch das Gebiet der Wiener gelehrten Literatur durehmessen, wenn auch da
der Raum kaum mehr gestattet, als Namen und Titel von einzelnen Büchern zu
nennen, die nach Form und Inhalt an ein größeres Lesepublikum sich wenden oder
doch von diesem verstanden und mit Vorteil gelesen werden können, wobei natürlich
mit Rücksicht auf den Gegenstand die Historiker und Germanisten größere Berück¬
sichtigung finden. Nur muß ich hier wegen des Umfanges, in dem der Begriff der
„Wiener Literatur“ gebraucht wird, eine Einschaltung machen.
Wie an der gelehrten Literatur überhaupt den Professoren der Hochschulen
hervorragender Anteil zukommt, so haben ihn an der „Wiener Literatur“ die Lehrer
zusammen, wenn auch nicht mehr in dem Maße, wie es früher der Fall war, während
anderseits der stete Wechselverkehr mit Deutschland zur Folge hat, daß unter den
Lehrern der Wiener Hochschule sich stets viele Reichsdeutsche finden, und umge¬
kehrt Wien viele Lehrer, wenn sie sich einen Namen erworben haben, an aus¬
wärtige Städte verliert. Es ist keine erfreuliche Erscheinung, und doch kein
schlechtes Zeichen für die persönlichen Eigenschaften der Österreicher, daß in der
letzten Zeit der Verlustsaldo in starkem Steigen begriffen ist. Es kommt eben hier
in Frage, daß durch besondiere Umstände, ich nenne nur die Velleitäten unseres
heute fast einzig dastehenden Eherechtes und den konfessionellen und nationalen
Hader, viele Gelehrte schon aus Österreich hinausgeekeit worden sind und zugleich
die Anziehungskraft der Wiener Hochschule herabgedrückt worden ist. Auch die
Aufhebung des Kollegiengeldes hat hier bei manchen Fächern Anteil, während
umgekehrt wirtschaftliche Momente, nämlich die Aussicht, sich durch ärztliche
Praxis rasch ein Vermögen zu erwerben, eine starke Anziehung auf Mediziner
üben muß — auf solche insbesondere, die geneigt sind, die geschäftliche Seite ihres
Berufes in erste Linie zu stellen.
Die abstruseste Schreibweise haben im allgemeinen die Arzte in ihren wissen¬
schaftlichen Werken. Umso erfreulicher sind die Ausnahmen.
Zwei rühmenswerte Muster hat da das alte Wien aufzuweisen. Da ist einmal
ERNST FEUCHTERSLEBEN, der Dichter des Liedes „Es ist bestimmt in Gottes
Rat“, dessen Werke Hebbel gewürdigt hat, sie herauszugeben, und dessen Schrift
„Zur Diätetik der Seele“ und dessen „Aphorismen“ noch heute viel gelesen werden.
Als den älteren habe ich ihn zuerst genannt, der Vortritt vor ihm gebührt aber
JOSEF IITRTL mit seinem „Lehrbuch der Anatomie des Menschen“ und seinem
„Handbuch der topographischen Anntomie“. Warum seit Jahren keine Neuauflagen
mehr von diesen Werken veranstaltet worden sind, weiß ich nicht. Vielleicht ist es
gut so, damit nicht an ihnen zerstört wird, was sie an Wert besitzen durch ihre
Klarheit und ihren Stil. Wenn übrigens Hyrtl in seiner topographischen. Anatomie
einmal den Ausspruch eines alten Schriftstellers anführt, man habe einzelnen
Partien im Gehirn Namen aus der Geschlechtssphäre beigelegt, ut foedus studium
anatomiae Juvenibus gratius hlat, so kann man ein gleiches von seiner Darstellungs¬
methode behaupten, die aus den Schriften des Altertums und der lateinischen
gelehrten und patristischen Literatur des Mittelalters eine Fülle der köstlichsten
Anekdoten über das Buch streut. Der Namen Hyrtls ruft sofort auch die Erinnerung
an seinen Antagonisten ERNSP BRUCKE wech, mit seinen bahnbrechenden
„Grundzügen der Physiologie und Systematik der Sprachlaute“ und seinen „Vor¬
lesungen über Ph,
ziehen sich: „Die
arbeitet“
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