VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Hanns Sachs Imago, Seite 3

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Die Motivgestaltung bei Schnitzler
heißt nur auffinden und einsammeln, was schon längst seelisch vor¬
handen war, und es zu neuen und gemäßen Formen zusammen¬
fügen.
So liegt auch in dem Opernstoff Heinrich Bermanns schon
der Keim zum -Medardusg. Ein Hauptmotiv, das mißlungene
Attentat, der von einem schwärmerischen Jüngling gegen einen ge¬
haßten und bewunderten Tyrannen vergeblich erhobene Dolch, ist
beiden gemeinsam. Gemeinsam auch die Unklarheit der Motive, aus
denen der Entschluß reiß, im Entwurf kennt sie der Dichter selbst
noch nicht recht und verspricht sie nachzutragen, in der Tragödie
sind sie dem Helden so wenig bewußt, daß er sie erst aus dem
Munde eines anderen erfährt, Gemeinsam ist ferner die Begnadigung,
die der durch den Anschlag bedrohte Hlerrscher hier wie dort dazu
benützt, um mit Menschenseelen und Schicksalen zu experimentieren,
auf die er von seiner Höhe ungerührt hinabsieht. Ahnliche Motive,
wie sie den König leiten, der den jüngling Jaus einem Tag, wie
ihn noch kein Sterblicher genossen, ins furchtbarste Dunkel stürzene
will, vermutet Medardus bei Napoleon, um das zuvorkommende
Benehmen des Kerkermeisters zu erklären: Nein, eine Verschärfung
bedeutet es. Es soll mich um so furchtbarer treffen. Sie war seine
Geliebte, Etzelt! Er rächt sich!... Das ist es.& Beidemal wird
die Begnadigung zurückgewiesen und der Held wählt freiwillig den
Tod. Gemeinsam ist schließlich die Prinzessin, die dem Helden ge¬
heimnisvoll, bald als hingebende Geliebte, bald als Feindin und
Mörderin entgegentritt. Im Entwurf wird dieser Zwiespalt nur auf
äußerliche Weise, durch die seltsame Lage des Helden begründet,
in der Tragödie gehen Wonne und Gefahr, Liebe und Haß von
den Bewegungen ihres Innern aus, wenn ihr Empfinden und Handeln
sich nicht völlig zu einer Persönlichkeit zusammenschließen will, so
kann das vielleicht dadurch begründet sein, daß ihr die Seele erst
eingehaucht wurde, als es die Gesetze der Komposition verlangten.
Der Dichter hat das Motiv, das ihn im Roman nur beiläußig
zu beschäftigen schien, in seine Tragödie aufgenommen. Ob er sein
altes Eigentum bei der zweiten Verwendung wiedererkannte oder
neues zu erfnden wähnte, darf uns hier nicht kümmern. Unsere
Untersuchung gilt nur der einen Frage: Läßt sich eine Gesetzmäßig¬
keit in dieser Wiederkehr der Motive vermuten und welche Me¬
chanismen der Entstellung und Veränderung sind dabei tätig?
Aus der Phantasiegestalt des Königs, der in seiner ungeheuren
Wachheit die Menschen zwischen Dämmerung und Dunkel hin¬
taumeln sieht, ist eine höchst reale Person, eine Figur der Welt¬
geschichte geworden: Napoleon I. Mit unfehlbarer Divination hat der
Dichter die Stimmung, die diesen Namen umwittert, herauszufinden,
festzuhalten und zu vertiefen gewußt, seine geheimnisvolle Wirkung,
die das ganze Stück durchzieht, läßt die Umrisse eines übermensch¬
lichen geistigen Antlitzes ahnen, so etwa wie Bermann sie bilden
wollte.