VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Hanns Sachs Imago, Seite 5

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1. Panphlets, offprine.
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Die Motivgestaltung bei Schnitzler
Konflikt und von hier aus wird er weiterhin ständig genährt. Die
beiden für die Handlung selbst ganz unwesentlichen Gruppen sind des¬
halb so eingehend geschildert, damit sie möglichst stark voneinander
abstechen, ohne die Deutlichkeit und Selbstverständlichkeit dieses
Abstandes würde das ganze Stück sinnlos. Der Hauptträger des Kon¬
trastes auf der adeligen Seite ist der alte Herzog, den wir als
Ersatzmann des Heliodor erkannt haben, sein Gegenspieler, der
gegen Pathos und Leidenschaft die Skepsis und vernünftige Unter¬
werfung unter die Wirklichkeit vertritt, ist der Sattlermeister Eschen¬
bacher — der Onkel des Helden. So hat sich mit erstaunlicher
Treue selbst dieses flüchtige Detail, auf das der Dichter gewiß kaum
geachtet hat, wieder durchzusetzen gewußt, sobald das Motiv, dem
es zugehörte, aufklang.
Die Schwäche des Dramas liegt in der „nangelhaften Moti¬
vierung des ersten Konfliktes. Es läßt sich nicht recht begreifen,
warum eine so gütige und klare Natur wie Frau Klähr, auf einer
nichtigen Bedingung besteht und ihre Tochter trauern und verblühen
läßt, nur weil der blinde und halbnärrische Vater des Geliebten
nicht als sein Freiwerber in ihr Haus kommen will. Ein ähnlicher
Widerspruch zwischen Charakter und Handlungsweise wird sich
wohl kaum in einem zweiten Werk Schnitzlers finden, der in
Sorgfalt und Makellosigkeit der Technik entschieden das Muster¬
bild nach-Ibsenscher Dramatik ist. Wir haben aus unserer
Analyse erfahren, daß dieses Kontrastmotiv ursprünglich nur neben¬
her ging, erst später wurde es mit dem danebenliegenden, aber
inhaltsfremden Agidusmotiv in Verbindung gebracht. (Übrigens
blieb die Verbindung auch äußerlich ziemlich indirekt, denn das eine
tritt erst kurz vor Schluß in den Vordergrund, das andere ist nur
am Anfang ausdrücklich betont: das Mittelstück, der eigentliche Kern
der Tragödie wird von einem dritten Motiv beherrscht, das in einen
anderen Zusammenhang gehört.) Wir müssen den Sprung in der
Kausalität nicht mehr als Zufall betrachten, er bezeichnet die Stelle,
wo es dem Dichter nicht gelang, die ursprünglich fremden Elemente
seines Innern bis zum restlosen Ineinanderaufgehen zu vermischen.
„Zum großen Wurstel.e
Schnitzler hat es dem Sammler seiner Lieblingsmotive und
=gestalten leicht gemacht, Mit sicherem Griff hat er sie selbst zu¬
sammengefaßt und kunstvoll ineinander geschachtelt zur Schau ge¬
stellt. Die Burleske „Zum großen Wurstelg, die so entstanden
ist, gilt mir als eine seiner reifsten und höchsten Leistungen. Zwei
selten vereinte Vorzüge haben zusammengewirkt, um ein ungewöhn¬
liches Ganzes zu schaffen: von der Selbstironie verliehene geniale
Leichtigkeit, die den düsteren und tiefen Menschheitsproblemen des
Dichters ihr Gewicht nimmt und sie in ausgelassenem Narrentanz
herumwirbelt, und sorgsamste Technik, die in wenigen Zeilen, mit
Imago II/3