VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Hanns Sachs Imago, Seite 6

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1. Panphlets, offprints
Hanns Sachs
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den knappsten Wendungen, eine Fülle von Charakteren und Situa¬
tionen auszuschöpfen weib.
Der Direktor des Marionettentheaters legt die Absicht des
Werkes, wenngleich im Stil des Praterausrufers, deutlich genug dar:
Ein Theater, welches fürderhin jeglichen Theaterbesuch endgiltig
überflüssig zu machen geneigt und anvertraut ist. Denn eine Be¬
trachtung oder selbst Besichtigung des Theaterzettels beweist, daß
hier für jegliches dramatische Bedürfnis des geehrten Publikums in
vollen Maß gesorgt und vertreten ist.s Dramatische Motive in un¬
persönlicher Allgemeinheit zusammenzufassen ist ein für den Dichter
unlösbares Problem, wieviel von dem, was Schnitzler gestaltet
hat, in dem kleinen Marionettendrama wiederkehrt, wird eine kurze
UIntersuchung ergeben.
Die Anfangssituation zeigt uns den Helden zwischen zwei
Frauen stehend: das süße Mädel, das ihm Blumen bringt und harm¬
los beglückende Zärtlichkeit schenkt, und die dämonische Frau, für
die er im Duell mit ihrem Gatten fallen soll, obgleich sie ihm
nichts bedeutet. Der Konflikt der -Liebeleis ist unverkennbar, nur
daß in parodistischer Zuspitzung der Held die Frau nicht einmal
kennt, für die er sterben muß, Auch diese Übertreibung ist nicht
völlig neu: Im Tagebuch der Redegondax büßt Dr. Wehwald
seine bloß geträumten Wonnen mit dem Tod von der Hand des
Gemahls der Unbekannt-Geliebten, während ein anderer sie ent¬
führt. Als Nebenmotiv kehrt dieselbe Situation im 2Zwischenspiele
wieder, dort hat der Graf die unangenehme Eigenschaft, die Ver¬
hältnisse seiner Frau erst zu entdecken, wenn sie vorbei sind.
Amadeus wird durch die Sorge Cäciliens davor bewahrt, sich für
eine längst Vergessene schlagen zu müssen, wie sein Vorgänger, der
Maler, von dem Albertus Rhon sagt: -Da wäre ein junger Mensch
um ein Haar umgebracht worden, wegen einer Sache, die längst
Weißt Du was mir eigentlich leid tut, in höherem
vorbei ist
Sinn? Daß der Maler kein Genie ist und der Graf ihn nicht wirk¬
lich erschossen hat. Da läge was großartig Tragikomisches in der
Sache.& Ahnlich wird Friedrich Hofreiter von der Rache Natters
erst getroffen, nachdem ihm dessen Frau gleichgiltig geworden ist.
Die Liebenden nehmen Abschied, für kurze Trennung nach
Liesls Meinung, der Held weiß, daß es für ewig ist. Ebenso hofft
der Freiherr von Leisenbohg, da er aus Klärens Armen kommt,
auf ein ungetrübt glückliches Beisammensein in naher und ferner
Zukunft und ahnt nicht, daß sie nur mit der Absicht, sich ihm für
immer zu entziehen, die Seine geworden ist, Auch Frau Berta
Garlan hält die Nacht, die den Abschied von dem Jugendgeliebten
und der Jugend bedeutet, für den Beginn einer neuen Liebeszeit.
Schwache Ausläufer lassen sich hier nicht minder aufzeigen. Im: Weg
ins Freies zum Beispiel ist es Oskar Ehrenbergs Amy die nicht
weiß, daß der lustige Abend im Prater der letzte ist, den sie mit
ihm verlebt und Bermann, der sich den Abschiedstag in Erinnerung