VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Hanns Sachs Imago, Seite 8

1. Panphlets, offprints
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Hanns Sachs
zu verlassen, den einzigen Halte, Herr von Sala fordert von seinem
Arzt, daß er ihm nicht durch Verheimlichung den Genuß seiner
Todesstunde swegeskamotierts. Wenn Etzelt mit Bitterkeit ausruft:
„Du wärst meinethalben in den Armen der Prinzessin nie wieder
aufgewachtlg so scheint er einer geheimen Sehnsucht seines Freundes,
die von diesem Ausweg träumte, Worte geliehen zu haben, denn
Medardus erwidert avor sich hine: Kein übler Wunsch, Etzelt,
kein übler Wunsch. Im „Schleier der Beatrices stent das Motiv
wiederum im Mittelpunkt. Aus dem Bewußtsein heraus, daß ihm
und den Seinen der nächste Morgen den unentrinnbaren Untergang
bringen muß, erhebt der Herzog Bentivoglio die unbekannte Schön¬
heit, die Handwerkerstochter, zu seiner Gemahlin und lädt die
blühende Jugend seiner Stadt zur Hochzeitsfeier. Das Fest wird zur
Orgie, weil die ganze Stadt ihm nachfolgt und sich in Rausch und
Taumel einer höchsten Lust für den Tod weiht.
Im sgroßem Wurstelz erhält dieses letzte #ick noch eine
besondere Note, weil es durch eine Frau gewährt wird, die sich
darauf kapriziert, nur einen Todgeweihten zu lieben. Auch dies hat
sein ernstes Vorbild in der Kurtisane Lucretia, die ihren Schwur
ausführt und nach der Liebesnacht den Jüngling, dem sie angehört
hat, tätet. An diese reiht sich wieder die Tat der „Frau mit dem
Dolchs an. Wie die Herzogin von Lawin stürzt sich auch Marie
im PRuf des Lebensg in die Arme des Geliebten, von dem sie
erfahren hat, daß er dem Tode verfallen ist.
Der Herzog, der nun die Szene betritt, ist eine amüsante
Karikatur der Gestalt des vollkommenen Verführers, wie sie
Schnitzler manchmal zu zeichnen liebt. Die dämonische Unwider¬
stehlichkeit eines Herzog von Cadignan im Grünen Kakadus oder
Herrn von Sala mußte sorgfältig von jeder Beimischung von Schwere¬
nötertum rein gehalten werden. Hier und im „Tapferen Cassian¬
hat sich der Dichter entschädigt, indem er ins entgegengesetzte Ex¬
trem übersprang.
Durch den Selbstverrat Liesls erfährt der Held unvermutet,
daß sie den Ilerzog geliebt hat, so wie Meister Cyprian aus dem
eigenen Mund seiner Frau das Geständnis ihrer tiefen Neigung
zu Paracelsus vernehmen muß, auch Filippo Loschi hört aus den
Worten der nichtsahnenden Beatrice, daß er ihre Seele nicht mehr
ganz besitzt. lronisch verwendet ist die Situation in der Anatol¬
Szene zDie Frage an das Schicksalz, wo der Eifersüchtige aus
Angst vor einer vollkommen wahrhaftigen Antwort darauf ver¬
zichtet, die Frage an die Geliebte zu stellen.
Der Held weist die angebotene Versöhnung zurück und fordert
nun selbst das Duell und damit den sicheren Tod von der Hand
des Gegners. Ganz das Gleiche haben wir Agidius und Medardus
tun sehen, deren Attitude hier wiederholt — oder vorausgeahnt
wird.
Es folgt eine aufs äußerste verkürzte Wiedergabe der Ab¬